Primärprävention

 

Leitfaden Prävention

Handlungsfelder und Kriterien des GKV-Spitzenverbandes
zur Umsetzung der §§ 20 und 20a SGB V vom 21. Juni 2000 in der Fassung vom 10. Dezember 2014

In Zusammenarbeit mit den Verbänden der Krankenkassen auf Bundesebene
- AOK-Bundesverband, Berlin
- BKK Dachverband e. V., Berlin
- IKK e. V., Berlin
- Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG), Kassel
- Knappschaft, Bochum
- Verband der Ersatzkassen e. V., Berlin

Herausgeber
GKV-Spitzenverband
Reinhardtstraße 28
10117 Berlin

Der GKV-Spitzenverband ist der Spitzenverband Bund der Krankenkassen nach § 217a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Er ist zugleich der Spitzenverband Bund der Pflegekassen nach § 53 SGB XI. Der GKV-Spitzenverband ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Name, Logo und Reflexstreifen sind geschützte Markenzeichen des GKV-Spitzenverbandes.


1. PRÄAMBEL

Für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) sind der Schutz vor Krankheiten und die Förderung der Gesundheit unverzichtbare Aufgaben, um Lebensqualität und Leistungsfähigkeit ihrer Versicherten unabhängig von Geschlecht und sozialer Stellung langfristig zu erhalten und ihnen ein gesundes Altern zu ermöglichen. Der Wandel des Krankheitsspektrums zu den chronisch-degenerativen Erkrankungen, der demografische Alterungs- prozess und die sich verändernden Anforderungen in der Arbeitswelt machen eine Intensivierung vorbeugender, auf die Minderung gesundheitlicher Belastungen und die Stärkung gesundheitlicher Potenziale und Ressourcen gerichteter Strategien und Interventionen erforderlich. Da Krankheiten und ihre Risikofaktoren in der Bevölkerung sozial ungleich verteilt sind, ist gerade Versicherten in sozial benachteiligter Lage hierbei ein besonderes Augenmerk zu widmen. Dies gilt umso mehr, als gerade diese Versicherten präventive Angebote mit Kommstruktur nach aller Erfahrung nur unterproportional nutzen.

Mit diesem Leitfaden legt der GKV-Spitzenverband Handlungsfelder und Kriterien für die Leistungen der Krankenkassen in der Primärprävention und betrieblichen Gesundheitsförderung nach den §§ 20 und 20a des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) vor, die für die Leistungserbringung vor Ort verbindlich gelten. Der Leitfaden bildet die Grundlage für die Förderung bzw. Bezuschussung von Maßnahmen, die Versicherte dabei unterstützen, Krankheitsrisiken möglichst frühzeitig vorzubeugen und ihre gesundheitlichen Potenziale und Ressourcen zu stärken. Maßnahmen, die nicht den in diesem Leitfaden darge- stellten Handlungsfeldern entsprechen, dürfen von den Krankenkassen nicht im Rahmen von § 20 und § 20a SGB V durchgeführt oder gefördert werden. In Zweifelsfällen können die jeweiligen Aufsichtsbehörden eingeschaltet werden.

Seit der erstmaligen Verabschiedung der „Gemeinsamen und einheitlichen Handlungsfelder und Kriterien“ zur Umsetzung der Primärprävention und betrieblichen Gesundheitsförderung am 21. Juni 2000 haben die Krankenkassen ihre Leistungen auf diesen Feldern erheblich ausgebaut. Der Leitfaden bildet seitdem das zentrale Instrument der Qualitätssicherung und -entwicklung. Die in der Praxis gewonnenen Erfahrungen sowie neue wissenschaftliche Erkenntnisse wurden und werden kontinuierlich integriert. Die hier vorgelegte siebte Auflage erfolgte ebenso wie die vorhergehenden im Konsens mit der Beratenden Kommission unabhängiger Expertinnen und Experten, die die GKV bei der Weiterentwicklung des Leitfadens Prävention berät.

Der Schutz vor Krankheit und die Förderung der Gesundheit sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Wesentliche Determinanten des Gesundheitszustandes der Bevölkerung liegen außerhalb des Einflussbereichs der Gesundheitspolitik und -versorgung im engeren Sinne: Die Qualität von Bildung und Erziehung, berufliche Anforderungen und Belastungen, die Integration in den Arbeitsmarkt und die soziale Teilhabe, die Einkommenssituation einschließlich des sozialen Schutzes gegen Verarmung und die Wohnbedingungen beeinflussen nachhaltig das Risiko zu erkranken und die Chancen, gesund zu bleiben. Diese Determinanten wirken auch auf die individuelle Fähigkeit und Bereitschaft ein, Verantwortung für das persönliche Gesundheitsverhalten im Sinne der Verhaltensprävention zu übernehmen. Notwendig ist daher die gesundheitsförderliche Ausrichtung der genannten Lebensbereiche und Politikfelder. Prävention und Gesundheitsförderung sind daher in unterschiedlichen Bereichen und bei verschiedenen Akteuren zu verorten. Auch innerhalb der gesundheitlichen Versorgung sind neben den Krankenkassen zahlreiche weitere Akteure für die Krankheitsverhütung und Gesundheitsförderung zuständig: die gesundheitliche Aufklärung mit ihrem bevölkerungsweiten Fokus, der öffentliche Gesundheitsdienst mit seiner regionalen und kommunalen Ausrichtung, die Unfallversicherung, der staatliche und der betriebliche Arbeitsschutz mit ihrem Arbeitsweltbezug sowie zahlreiche freie und gemeinnützige Initiativen und Organisationen. Präventive Bezüge haben auch Leistungen, für die die Rentenversicherung und die Bundesagentur für Arbeit verantwortlich sind. Im Idealfall arbeiten diese Akteure zielbezogen entsprechend ihrer spezifischen Kompetenzen und Zuständigkeiten zusammen und ergänzen einander. Der Beitrag der GKV zur Verbesserung des Gesundheitszustandes und -verhaltens der Versicherten bildet daher einen Baustein im Rahmen eines größeren Verbundes unterschiedlicher verantwortlicher Akteure 1.

Auch innerhalb der Aufgaben der GKV ist eine Konzentration auf gezielte, bedarfsgerechte, ziel- und qualitätsorientierte sowie nachhaltige Interventionen in vorrangigen Handlungsfeldern notwendig. Die GKV erbringt Präventionsleistungen, die zur Verhütung der von ihr versicherten Risiken beiträgt. Das erfordert eine enge Zusammenarbeit und Abstimmung mit allen an Präven - tion und Gesundheitsförderung beteiligten Stellen. Hierbei ist eine Konzentration auf Zielgruppen mit hohem Bedarf auch unter dem Gesichtspunkt der Förderung gesundheitlicher Chancengleichheit erforderlich.

Um die Präventionsanstrengungen der Krankenkassen auf Felder mit besonderem Handlungs- bedarf zu fokussieren, hat die GKV auf epidemiologisch-gesundheitswissenschaftlicher Basis über die Definition von Handlungsfeldern und Kriterien hinaus auch Präventions- und Gesundheitsförderungsziele für die GKV erarbeitet.

Der GKV-Spitzenverband passt den Leitfaden in Zusammenarbeit mit den Verbänden der Krankenkassen auf Bundesebene und unter Beteiligung von unabhängigem Sachverstand kontinuierlich an neue Erkenntnisse sowie an die in der Praxis gewonnenen Erfahrungen an.

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1 GKV-Spitzenverband (2013). Prävention und Gesundheitsförderung weiterentwickeln.
Positionspapier des GKV-Spitzenverbandes, beschlossen vom Verwaltungsrat am 27. Juni 2013. Berlin.