
Budgetfreie Verordnungsmöglichkeiten für Ärzte
11.01.2021
Während sich ab 1. Januar 2021 die Heilmittelrichtlinie ändert, bleiben die Regelungen „Langfristiger Heilmittelbedarf“ (LHMB) und „Besonderer Verordnungsbedarf“ (BVB) im neuen Jahr weitgehend unverändert bestehen. Darunter versteht man bestimmte festgelegte Diagnosen, die entweder als LHMB oder BVB anzusehen sind.
Zulässige Höchstmenge pro Verordnung
Die alte Regelfallsystematik wurde zum 1. Januar 2021 abgeschafft und somit auch die Verordnungen außerhalb des Regelfalls. Nun sind LHMB und BVB die einzigen Möglichkeiten, mehr als sechs bzw. zehn Anwendungen pro Verordnungsblatt zu erhalten.
Die Gesamtzahl auf der Verordnung muss bei Rezeptausstellung so bemessen sein, dass bei Einhaltung der verordneten Frequenz die Verordnung theoretisch innerhalb von 12 Wochen abgearbeitet werden könnte.
Die Besonderheit von LHMB und BVB
Zunächst einmal sind sie beide "budget-neutral". Aber:
- • LHMB-Verordnungen unterliegen NICHT der Wirtschaftlichkeitsprüfung.
Salopp gesagt: In Sachen Regress tun sie dem Arzt überhaupt nicht weh.
• BVB-Verordnungen werden zunächst durchaus bei der Ermittlung von "auffälligen unwirtschaftlichen Verordnens" mitgezählt - können aber im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung aus dem Verordnungsvolumen des Vertragsarztes wieder herausgerechnet werden.
Salopp gesagt: Hier könnte es durchaus Probleme geben, solche Rezepte zu erhalten, da der Arzt hier Gefahr läuft, verordnungsmäßig auffällig zu werden. Er kann im Rahmen einer Prüfung zwar wieder alles mit BVB begründen und regressfrei rauskommen – das "Gschiss" hat er aber trotzdem!
Juristische Grundlagen
LHMB: Grundlage hierfür ist eine Anlage an die Heilmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA).
BVB: Grundlage hierfür ist der § 106b Absatz 2 Satz 4 SGB V und daraus resultierend eine Vereinbarung zwischen GKV-Spitzenverband und der KBV.
Warum zwei verschiedene Regelungen, die fast identisch sind?
Dies lässt sich eigentlich nur historisch beantworten.
BVB's sind aus der Absicht erwachsen, dass man die Menge der verordneten Heilmittel irgendwie im Griff behalten wollte. Hierzu hat der Gesetzgeber den GKV-Spitzenverband und die Kassenärztlichen Vereinigungen beauftragt, ein System der Wirtschaftlichkeitsprüfungen zu etablieren. Als Kompensation gegen zu harte Prüfungen, hat er ihnen erlaubt, sog. "Praxisbesonderheiten" zu definieren. Aus diesen ist dann der BVB entstanden.
Bis letztes Jahr mussten hier ja noch das Procedere der Erst- und Folge-Verordnungen eingehalten werden. Was für Patienten meist ja auch eine erhöhte Zuzahlung zur Folge hatte.
LHMB hat seinerzeit 2017 der G-BA eingeführt, um eben bei bestimmten Diagnosen sofort mit einer Verordnung außerhalb des Regelfalles starten zu können und nicht erst langwierige Genehmigungsverfahren seitens der Patienten durchlaufen zu müssen.
Wo finde ich jetzt diese Diagnosen?
Der Einfachheit halber gibt es die Diagnosen des LHMB (dunkel) und BVB (hell) in einer gemeinsamen Liste. Diese wird regelmäßig angepasst und ist hier zu finden.
Sollte sich eine Diagnose nicht in dieser Liste befinden, sich in seiner funktionellen oder strukturellen Schädigung aber einer Diagnose aus der Liste ähneln, kann der Patient einen individuellen Antrag auf LHMB bei seiner Krankenkasse stellen. Die Krankenkasse entscheidet über die Genehmigung eines langfristigen Heilmittelbedarfs innerhalb von vier Wochen nach Antragseingang. Nach Ablauf dieser Frist ohne Rückmeldung der Krankenkasse gilt die Genehmigung als erteilt.
Den Vordruck eines Antrags auf solch eine Genehmigung bei der Krankenkasse finden Sie hier auf Seite vier.
Bitte beachten: Laut § 8 der neuen Heilmittelrichtlinie muss bei der Verordnung von langfristigem Heilmittelbedarf der in der gemeinsamen Liste angegebene ICD-10-Code endstellig "in Verbindung mit der jeweils aufgeführten Diagnosegruppe des Heilmittelkataloges" angegeben werden. Für die Besonderen Verordnungsbedarfe gilt entsprechendes.
Abschließende Bemerkung
Hilfreichen und kollegialen Austausch zu dem Themenkomplex finden Sie auch in unserem Forum Abrechnung und Heilmittelrichtlinie.
O.G. und Friedrich Merz / physio.de
Es gibt 10 Beiträge
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Super erklärt! Vielen Dank. Ich sehe ein Problem, wenn der Patient selbst einen Antrag auf LHMB stellt. Der Patient kommt mit seiner VO in unser Praxis - ich oder der Arzt fordern ihn auf einen Antrag zu stellen - wir können schon behandeln bis die GKV evtl. den Antrag ablehnt - wenn die GKV nicht innerhalb vo 4 Wochen ablehnt, gilt der LHMB als genehmigt. Frage: Wer garantiert mir, dass der Patient eine Antrag stellt und wann er ihn stellt. (Ich könnte es ja auch für ihn machen, dies ist wahrscheinlich sicherer) - nun bekommt der Patient aber eine Ablehnung - wie kann ich mir sicher sein das er mich zeitgerecht davon unterrichtet? Behandle ich evtl. unter Voraussetzung falscher Tatsachen am Ende umsonst. Wie sollte ich damit umgehen?
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Bin Logo.
Z.b. bei SP6 durfte 20 Therapien drauf stehen. Muss ich die nach euer Lage in höchstens 12 Wochen abarbeiten?
Danke für eine Klärung
Monika
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Wie verhält es sich denn nun mit den Doppelbehandlungen bei KG ZNS ?
Die sollen ja jetzt auch offiziell verordnungsfähig sein. Habe ich das richtig verstanden, dass quasi, erstmal unabhängig davon, ob der richtige Code für BVB draufsteht, im Grunde „wie früher“ die ersten drei Rezepte nur 5 Behandlungen ( da pro Behandlung 2Behandlungseinheiten verbraucht werden) abgerechnet werden können und ab Rezept 4 dann wieder 20 Einheiten als 10 Doppelbehandlungen, vorausgesetzt, es ist der Kürzel für BVB oder es gibt einen positiven Entscheid für einen Langzeitbehandlung?
Vielen Dank fürs Mitdenken
Katja
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Klasse, vielen Dank für die tollen Erklärungen und für die Links✨