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Die Nasenkanüle mit separaten Leitungen für das linke und rechte Nasenloch
Foto: Timna Soroka et al. • Lizenz: CC-BY •Tief Atmen will gelernt sein, was so mancher Patient nicht unbedingt nachvollziehen kann oder möchte. „Ich atme schließlich schon mein ganzes Leben lang.“ Wer Atemtherapie durchführt, merkt schnell, dass Menschen durchaus nicht die gleichen Atemstrategien verwenden. Der eine atmet tief und ruhig, die andere flach und hektisch. Vielleicht auch aufgrund dieser Beobachtungen wird kulturübergreifend versucht, über gezielte Atmung Einfluss auf Gesundheit und Psyche zu nehmen. Spiegelt der Atem also die Seele, das Chi, die Psyche oder die Gesundheit? WissenschaftlerInnen veröffentlichten nun im „Current Biology“ eine Studie, in der sie sich detaillierte Atemmuster anschauten. Daraus resultierte eine Analyse der Atemfrequenz der teilnehmenden Testpersonen – das Ergebnis ist ein einzigartiger „nasaler Fingerabdruck“.
Die Studie
Für das Experiment erhielten 100 ProbandInnen eine Vorrichtung, die äußerlich einer Nasenbrille zur Versorgung mit Sauerstoff, etwa bei einer COPD, glich. Diese Nasenbrille war mit Sensoren ausgestattet, die die Atemfrequenz der jeweiligen Nasenlöcher über einen Zeitraum von 24 Stunden analysierte.
Zunächst entdeckten die ForscherInnen eine individuelle Abweichung bei der Verwendung der einzelnen Nasenlöcher. Menschen atmen offensichtlich nicht immer durch beide (oder nur ein und dasselbe) Nasenloch, sondern wechseln in regelmäßigen Abständen die Atemseite. Diese Abstände sind interindividuell offenbar sehr unterschiedlich, aber beim einzelnen Menschen sehr stabil, was in einer weiteren Versuchsreihe bestätigt wurde: 42 ProbandInnen wurde zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal für das Experiment eingeladen. Bei den ebenfalls 24-stündigen Re-Tests konnte die Software mit einer Genauigkeit von 95 Prozent die ProbandInnen nur an ihrer Atemfrequenz wiedererkennen – sowohl nur fünf Tage nach der ursprünglichen Testreihe als auch ganze zwei Jahre (!) später.
Ein Diagnose-Werkzeug?
Eine 24-Stunden-Messung wird wohl kaum dabei helfen, das Mobiltelefon zu entsperren oder Bankgeschäfte zu autorisieren. Daher analysierten die ForscherInnen zusätzlich, ob die Atemmuster mit Persönlichkeitseigenschaften oder gesundheitlichen Parametern im Zusammenhang stehen könnten. Wenig überraschend korrelierte das Atemvolumen mit dem BMI – wer schwerer ist, muss mehr Masse versorgen und demzufolge auch mehr atmen. Dazu unterschied sich der „nasal cycle“, also die asymmetrische Nasenatmung, übergewichtiger Menschen auffällig stark von der Nasenatmung normalgewichtiger Testpersonen, sodass ziemlich genau von den Atmungsdaten auf ein erhöhtes Körpergewicht geschlossen werden konnte.
Neben dem Körpergewicht erfassten die AutorInnen auch mittels psychologischer Fragebögen die Ausprägung von Depressionen, Angst und Autismus (via Beck Depression Inventory, Trait Anxiety, Autism Quotient). Keiner der ProbandInnen wies auf den Fragebögen krankhafte Ergebnisse auf, allerdings variierten die erreichten Punktzahlen naturgemäß.
Höhere Depressionswerten gingen mit einem höheren Peak-Inspiratory-Flow (also stärkeren Einatemspitzen) und einer längere Ausatempause während des Wachzustands einher, bei höherer Ängstlichkeit zeigte sich während des Schlafs eine verkürzte Einatemdauer sowie eine größere Variabilität der Einatempausen. Auch bei höheren Autismus-Werten konnte eine Auffälligkeit im Sinne von längeren und variableren Einatempausen im Gegensatz zu Menschen mit niedrigeren Werten entdeckt werden.
Neue Daten, neue Vorteile?
Neue Gesundheitsparameter bedeuten erst einmal neue Diagnosemöglichkeiten. Die Informationen könnten in Schlaflaboren erhoben oder die Sensoren in CPAP-Geräte für Menschen mit einer Schlafapnoe integriert werden, um regelmäßige Gesundheitsdaten zu erheben. Doch wo Licht im Datendschungel ist, da ist auch Schatten. Wenn die letzten 30 Jahre eines gezeigt haben, dann dass Daten früher oder später auch monetarisiert werden. Noch braucht es für die Atemanalyse eine patentierte Nasenbrille.
Aber wer weiß, was die Zukunft bringt. Könnten zukünftige Smartglasses, also Smartphones im Brillenformat, auch über Mikrofone am Nasenbügel in der Lage sein, einen Teil der Atemfrequenz zu erfassen und so ähnliche Analysen durchführen? Daten über die psychologische Verfassung der Endnutzer sind für wirksame Werbung äußerst wertvoll (deswegen dürfen Sie bei Facebook auch gerne zeigen, ob sie glücklich, wütend, traurig oder überrascht sind). Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass die Ergebnisse der Studie auch in diesem Sektor irgendwann verwendet werden könnten.
Aber das sind ungelegte Eier, denn bisher liegt nur diese Pilotstudie mit 100 ProbandInnen vor und smarte Brillen sind auch noch nicht wirklich marktreif. Bis die Datenkrake ihre Tentakel in unsere Riechorgane schlängelt, heißt es daher erst einmal nicht in Panik geraten und vor allem eines: Tief durchatmen.
Daniel Bombien / physio.de
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