Rahmenempfehlungen zur ambulanten Rehabilitation bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen
vom 22. Januar 2004

 

Inhaltsverzeichnis

1. Allgemeines 

2. Indikationsstellung / Medizinische Voraussetzungen

2.1 Diagnosespektrum nach ICD-10 

2.2 Anforderungen an die medizinische Diagnostik vor Einleitung der Rehabilitation 

2.3 Körperfunktionen und Körperstrukturen (einschließlich psychischer Funktionen)

2.4 Aktivitäten

2.5 Teilhabe

2.6 Kontextfaktoren 

2.7 Individuelle Voraussetzungen / differenzielle Indikationen

3. Rehabilitationsziele

3.1 Rehabilitationsziele bezogen auf Körperfunktionen und Körperstrukturen (einschließlich psychischer Funktionen)

3.2 Rehabilitationsziele bezogen auf Aktivitäten 

3.3 Rehabilitationsziele bezogen auf Teilhabe 

3.4 Rehabilitationsziele bezogen auf Kontextfaktoren

4. Behandlungsfrequenz und Rehabilitationsdauer

5. Ausschlusskriterien 

6. Anforderungen an die ambulante Rehabilitationseinrichtung 

6.1 Rehabilitationskonzept und Leistungsangebot

6.2 Strukturelle und organisatorische Anforderungen

6.3 Ärztliche Leitung und Verantwortung 

6.4 Aufgaben der ärztlichen und / oder psychologischen (Psycho-)Therapeuten 

6.5 Rehabilitationsdiagnostik 

6.6 Rehabilitationsplan

6.7 Behandlungselemente

7. Personelle Ausstattung 

7.1 Rehabilitationsteam und Qualifikation 

7.2 Personalbemessung

8. Räumliche Ausstattung 

9. Apparative Ausstattung 

10. Verlängerungskriterien

11. Beendigung der Maßnahme


1. Allgemeines

Psychische und psychosomatische Erkrankungen im Erwachsenenalter sind häufig durch chronische Verläufe, rezidivierende Verschlechterungen und ein vielfältiges Komorbiditätsspektrum geprägt. Die Behandlung kann abhängig vom akuten Schweregrad, der individuellen Verlaufsform, den notwendigen Behandlungsmitteln und den spezifischen Zielsetzungen kurativ oder rehabilitativ erfolgen. Reichen ambulante ärztliche Behandlungen und Psychotherapie nicht aus, die Schädigung (einschließlich psychischer Funktionen) und ihre Symptomatik zu bessern, können teilstationäre und vollstationäre Krankenhausbehandlungen notwendig sein. Haben diese krankheitsbedingten Schädigungen zu nicht nur vorübergehenden Beeinträchtigungen der Aktivitäten geführt und/oder beeinträchtigen sie die Teilhabe, so kann eine medizinische Rehabilitation indiziert sein. Diese erfordert ein umfassendes, ganzheitlich angelegtes und interdisziplinäres Rehabilitationskonzept, unabhängig davon, ob dies in stationärer oder ambulanter Form erbracht wird.

Im stationären Bereich hat sich in den letzten Jahrzehnten für den Indikationsbereich, für den das vorliegende ambulante Rehabilitationskonzept entwickelt wurde, der Begriff „psychosomatische Rehabilitation“ etabliert. Dieser wurde allerdings immer wieder kritisch hinterfragt, weil er nahe legt, dass die Hauptzielgruppe dieses Rehabilitationsangebots Personen mit psychosomatischen Erkrankungen im engeren (klassischen) Verständnis von Psychosomatik seien. Die „Psychosomatosen“ stellen aber bezüglich der in den stationären Rehabilitationseinrichtungen behandelten Patientengruppen umfangmäßig nur eine begrenzte Teilgruppe dar; andere psychische Störungen wie depressive Episoden oder Angststörungen sind wesentlich häufiger vertreten. Die Spezifität der gegenwärtigen „psychosomatischen Rehabilitation“ ist also weniger über Diagnosegruppen, sondern vielmehr durch die Art des Behandlungsangebots und die Ausrichtung auf die trägerspezifischen Rehabilitationsziele bestimmt. Es handelt sich um einen spezifischen Angebotstyp der medizinischen Rehabilitation, bei dem im Rahmen eines ganzheitlichen Rehabilitationskonzepts psychotherapeutischen Interventionen ein besonderer Stellenwert zukommt.

Das hier ausgearbeitete Konzept der ambulanten Rehabilitation bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen überträgt das seit vielen Jahren erfolgreich praktizierte Konzept der stationären psychosomatischen Rehabilitation auf das ambulante (wohnortnahe) Setting. Es orientiert sich hinsichtlich des Störungsspektrums der Rehabilitanden, der Art und Dichte der rehabilitativen Maßnahmen sowie der Qualitätsstandards an der stationären psychosomatischen Rehabilitation.

Die stationäre und ambulante Rehabilitation bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen unterscheiden sich bezüglich der Zielgruppe und der Behandlungsmaßnahmen von der ambulanten, teilstationären und stationären Krankenbehandlung und der Rehabilitation psychisch kranker und behinderter Menschen in stationären bzw. ambulanten Einrichtungen zur Rehabilitation psychisch Kranker (RPK). Das ambulante Rehabilitationskonzept sieht sich nicht in Konkurrenz zu diesen etablierten Behandlungsmöglichkeiten und stellt diese nicht in Frage.

2. Indikationsstellung / Medizinische Voraussetzungen

Die ambulante Rehabilitation bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen setzen voraus, dass

− Rehabilitationsbedürftigkeit und 

− Rehabilitationsfähigkeit bestehen 

− eine positive Rehabilitationsprognose gestellt werden kann und 

− die individuellen Voraussetzungen erfüllt sind.

Die vorstehenden Begriffe sind im Allgemeinen Teil definiert.

Eine Rehabilitationsfähigkeit ist bei der ambulanten Rehabilitation psychisch und psychosomatisch erkrankter Menschen nicht gegeben bei fehlenden Sprachkenntnissen zur Teilnahme an rehabilitativen Angeboten, nicht ausreichenden sozialen, kognitiven oder emotionalen Ressourcen und bei ausgeprägter Pflegebedürftigkeit, die in ambulanten Rehabilitationseinrichtungen nicht versorgt werden kann. Ambulante und stationäre Rehabilitationsleistungen sind grundsätzlich nicht indiziert bei Patienten, die aufgrund der Schwere ihrer akuten Erkrankungsphase der besonderen Mittel stationärer oder teilstationärer psychiatrischer oder sonstiger Krankenhausbehandlung bedürfen.

Die sozialmedizinische Indikation zu einer ambulanten Rehabilitation hat nicht allein eine medizinische Diagnose zur Voraussetzung, sondern ergibt sich vor allem aus der zusammenfassenden Analyse und Bewertung von Schädigungen (einschließlich psychischer Funktionen), Beeinträchtigungen der Aktivitäten und Beeinträchtigungen der Teilhabe sowie der Lebenssituation des Rehabilitanden.

2.1 Diagnosespektrum nach ICD - 10

Das ambulante rehabilitative Angebot für psychisch und psychosomatisch erkrankte Menschen eignet sich nach den bisherigen Erfahrungen mit dem eingangs charakterisierten Angebotstyp vor allem für Rehabilitanden mit
- depressiven Störungen
- Belastungs- und Anpassungsstörungen
- Angststörungen
- somatoformen Störungen -psychosomatischen Erkrankungen (wie z.B. Essstörungen) und -körperlichen Störungen, bei denen psychische Faktoren eine wesentliche Rolle spielen.

Dieses Angebot hat sich darüber hinaus bei Teilgruppen anderer psychischer Störungen (z.B. Persönlichkeitsstörungen) als hilfreich und wirksam erwiesen.

Eine Rehabilitation nach der vorliegenden Konzeption ist nicht indiziert bei akuten Psychosen, bei chronischen psychotischen Prozessen, bei manifester Suizidalität, stoffgebundenen Abhängigkeitserkrankungen oder fremdgefährdendem dissozialem Verhalten.

2.2 Anforderungen an die medizinische Diagnostik vor Einleitung der Rehabilitation

Vor Beginn der Rehabilitation sollte die onkologische Diagnostik einschließlich des Rezidivausschlusses, des Stagings und der Tumoraktivität abgeschlossen sein; ebenso sollte eine adäquate Diagnostik der Begleiterkrankungen erfolgt sein. Es müssen jedoch grundsätzlich die Voraussetzungen zur Durchführung einer Diagnostik vorhanden sein, um auch im Verlauf des Rehabilitationsverfahrens bei Bedarf zeitnah eine diagnostische Abklärung herbeizuführen. Dies kann im ambulanten Bereich bevorzugt durch ein Kooperationsnetz verschiedener Fachdisziplinen erfolgen.

Der Arzt in der ambulanten Rehabilitationseinrichtung muss über die Ergebnisse der Voruntersuchungen informiert sein. Er muss auch wissen, ob und wieweit der Rehabilitand über sein Tumor-leiden und die sich daraus ergebenden Konsequenzen aufgeklärt ist.

Neben der klinischen Untersuchung sollten je nach Tumoraktivität und Ausmaß der Schädigungen alle erforderlichen Untersuchungen in den letzten drei Monaten durchgeführt sein und deren Ergebnisse sowie Befunde der Rehabilitationseinrichtung schriftlich vorliegen.

2.3 Körperfunktionen und Körperstrukturen (einschließlich psychischer Funktionen)

Im Zusammenhang mit der ambulanten Rehabilitation psychisch und psychosomatisch erkrankter Menschen sind Schädigungen (einschließlich psychischer Funktionen) in folgenden Bereichen von Bedeutung:

− Dimensionen der Persönlichkeit (z.B. mangelnde psychische Stabilität, gestörtes Vertrauen) 

− emotionale Funktionen (z.B. Störung der affektiven Kontrolle, depressive Verstimmung) 

− Funktionen der psychischen Energie und des Antriebs (z.B. mangelnde Impulskontrolle) 

− Funktionen der Selbstwahrnehmung (z.B. Störung des Körperbilds, mangelnde Selbstakzeptanz) 

− höhere kognitive Leistungen (z.B. Störung des Einsichtsvermögens, Störung des Zeitmanagements) 

− Denkfunktionen (z.B. Zwangsgedanken und Aufmerksamkeitsfunktionen, Konzentrationsstörungen) 

− Körperfunktionen (z.B. als Somatisierungsstörung oder als primär somatische Störung) 

− Schlaffunktionen (z.B. gestörter Schlafrhythmus) 

− psychomotorische Funktionen.

2.4 Aktivitäten

In Folge der o.g. Schädigungen (einschließlich psychischer Funktionen) können Beeinträchtigungen der Aktivitäten auftreten. Diese betreffen insbesondere folgende Bereiche:

− alltägliches Verhalten (z.B. in Familie, Beruf, Freizeit) 

− psychische Belastbarkeit (z.B. Schwierigkeiten beim Umgang mit Anforderungen des Alltags) 

− interpersonelle Beziehungen und Interaktionen (z.B. Störungen bei der Aufnahme und Aufrechterhaltung von Beziehungen) 

− Problemlösefähigkeit und der Entscheidungsfindung 

− Umstellung (z.B. auf neue Berufssituation) 

− Krankheitsbewältigung.

2.5 Teilhabe

In Folge der o.g. Schädigungen (einschließlich psychischer Funktionen) und Beeinträchtigungen der Aktivitäten können Beeinträchtigungen der Teilhabe insbesondere in folgenden Bereichen auftreten:

− der physischen Unabhängigkeit 

− der psychischen Unabhängigkeit 

− in der sozialen Integration/Reintegration 

− der wirtschaftlichen Eigenständigkeit.

Die zuvor beschriebenen Ebenen sind nicht unabhängig voneinander, sondern stehen entsprechend dem bio-psycho-sozialen Krankheitsmodell in einer komplexen Wechselbeziehung. Dabei hängen Art und Ausmaß der aus den Schädigungen (einschließlich psychischer Funktionen) resultierenden Beeinträchtigungen der Teilhabe vom Verarbeitungsprozess ab. Dieser wiederum wird durch unterschiedlich wirkende Kontextfaktoren beeinflusst.

2.6 Kontextfaktoren

Kontextfaktoren stellen den gesamten Lebenshintergrund einer Person dar. Sie umfassen alle Umweltfaktoren und personbezogene Faktoren, die für die Gesundheit einer Person von Bedeutung sind. Die Kontextfaktoren stehen in Wechselwirkung mit allen Komponenten der ICF (Körperfunktionen und Körperstrukturen, Aktivitäten und Teilhabe).

Umweltfaktoren beziehen sich auf die materielle, soziale und einstellungsbezogene Umwelt, in der die Menschen ihr Leben gestalten.

Personbezogene Faktoren sind die Attribute oder Eigenschaften der Person, z.B. Alter, Geschlecht, Bildung und Ausbildung, Erfahrung, Persönlichkeit und Charakter, andere Gesundheitsprobleme, Fitness, Lebensstil, Gewohnheiten, Erziehung, Bewältigungsstile, Beruf sowie vergangene oder gegenwärtige Erlebnisse. Personbezogene Faktoren sind nicht in der ICF klassifiziert.

Kontextfaktoren können einen positiven, fördernden Einfluss (Förderfaktoren) auf alle Komponenten der funktionalen Gesundheit und somit auf den Rehabilitationsverlauf haben. Daher gilt es, diese möglichst früh zu erkennen und ihre rehabilitationsfördernde Wirkung zu nutzen (Ressourcenkonzept der Rehabilitation).

Kontextfaktoren können auch einen negativen, hemmenden Einfluss (Barrieren) auf alle Komponenten der funktionalen Gesundheit haben. Einige solcher negativ wirkenden Kontextfaktoren bedeuten sogar Gesundheits- bzw. Krankheitsrisiken, wobei die Wirkungsmechanismen nicht immer hinreichend geklärt sind.

Im Rahmen der negativ wirkenden Kontextfaktoren ist auch das etablierte Risikofaktorenkonzept der Rehabilitationsmedizin (z.B. Übergewicht, Rauchen, Alkohol) zu beachten.

Positiv und negativ wirkende Kontextfaktoren sind deshalb bei der Indikationsstellung für ambulante medizinische Rehabilitation, bei deren Durchführung und bei der sozialmedizinischen Beurteilung zu berücksichtigen. Auf diese Weise werden die individuelle Lebenssituation und der Bewältigungsstil des Rehabilitanden sowie die Einflussmöglichkeiten auf das soziale Netzwerk und die sozialen Unterstützungsformen (Social support) einbezogen.

Als relevante Kontextfaktoren bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen sind u.a. zu nennen:

− persönliche Unterstützung und tragfähige Beziehungen (z.B. Familienmitglieder, Freunde, Bekannte, Kollegen, Hilfs- und Pflegepersonen, professionelle Helfer, Selbsthilfegruppen, Tiere)

− individuelle Arbeitssituation 

− Zugang und Nutzung sozialer Einrichtungen, soziale Absicherung 

− soziokulturelle Strukturen (z.B. Familie, Verwandtschaft, Gemeinschaften) 

− natürliche Umwelt (z.B. Geographie, Klima, Licht, Lärm, Luftqualität) 

− persönliche Umwelt (z.B. Gestaltung der Wohnung) 

− Einstellungen und Wertesysteme (z.B. Religiosität).

2.7 Individuelle Voraussetzungen / differenzielle Indikation

Ob eine Rehabilitation bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen ambulant, stationär oder in einer Kombination beider Modalitäten durchgeführt werden soll, ist abhängig von Art und Ausmaß der Schädigungen (einschließlich psychischer Funktionen), der Beeinträchtigungen der Aktivitäten und der (drohenden) Beeinträchtigungen der Teilhabe in Folge der Krankheit, vom sozialen und beruflichen Umfeld, von den Einstellungen des Rehabilitanden, den fachlichen Einschätzungen der Behandler/Gutachter sowie dem Vorhandensein einer den Rahmenempfehlungen entsprechenden Einrichtung.

Neben den medizinischen Voraussetzungen für eine ambulante Rehabilitation muss

− der Rehabilitand über die zur Inanspruchnahme der Rehabilitation erforderliche Mobilität und physische und psychische Belastbarkeit verfügen 

− der Rehabilitand die ambulante Rehabilitationseinrichtung in einer zumutbaren Fahrzeit (maximal 45 bis 60 Minuten) erreichen können 

− die häusliche Versorgung des Rehabilitanden sowie seine sonstige medizinische Versorgung sichergestellt sein 

− das Verbleiben im häuslichen Umfeld/familiären Beziehungsrahmen rehabilitationsförderlich sein.

Eine ambulante Rehabilitation bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen ist vor allem indiziert, wenn folgende Aspekte und Zielsetzungen berücksichtigt werden:

Notwendigkeit zur

− Nutzung eines gesundheitsförderlichen häuslichen Umfelds (Familie) zum Erreichen

des Rehabilitationsziels 

− Einbeziehung von Angehörigen/Bezugspersonen in Schulungsprogramme 

− Wahrnehmung von nicht delegierbaren häuslichen Pflichten (z.B. Kinderbetreuung) 

− Fortführung bereits laufender Hilfsangebote (z.B. Selbsthilfegruppen) und gezielte Initiierung von Nachsorgeaktivitäten 

− Belastungserprobung im häuslichen Bereich, alltagsnahem Training (z.B. auch Konfliktlösung) und Berücksichtigung im Rehabilitationsprozess

− persönlichen Kontaktaufnahme mit dem Betrieb, Einbeziehung von Betriebsarzt und betrieblichem Sozialdienst, Belastungserprobung am Arbeitsplatz während der Rehabilitation, Kontaktaufnahme zum regionalen Arbeitsamt während der Rehabilitation, Vernetzung mit spezifischen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

− speziellen Einbindung der behandelnden Ärzte in die Rehabilitationskette.

3. Rehabilitationsziele

Ziele der medizinischen Rehabilitation sind, die drohenden oder bereits manifesten Beeinträchtigungen der Teilhabe am Arbeitsleben und Leben in der Gesellschaft durch frühzeitige Einleitung der gebotenen Rehabilitationsmaßnahmen abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Der Rehabilitand soll durch die Rehabilitation (wieder) befähigt werden, eine Erwerbstätigkeit und/oder bestimmte Aktivitäten des täglichen Lebens möglichst in der Art und in dem Ausmaß auszuüben, die für diesen Menschen als „normal“ (für seinen persönlichen Lebenskontext typisch) erachtet werden.

Diese Ziele können in der ambulanten Rehabilitation bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen erreicht werden durch:

− Behebung oder Verminderung der Schädigungen (einschließlich psychischer Funktionen) 

− Verminderung des Schweregrads der Beeinträchtigung der Aktivitäten oder Wiederherstellung gestörter Fähigkeiten 

− Kompensation (Ersatzstrategien) 

− Adaptation/Krankheitsverarbeitung.

3.1 Rehabilitationsziele bezogen auf Körperfunktionen und Körperstrukturen (einschließlich psychischer Funktionen)

Als Rehabilitationsziele können allgemein die Abwendung, Beseitigung, Minderung, Verhütung der Verschlimmerung oder Milderung der Folgen von Schädigungen (einschließlich psychischer Funktionen) genannt werden. Hierzu zählen beispielsweise:

− Psychische Stabilisierung 

− Verminderung von negativen Affekten wie Depression und Angst 

− Verbesserung der Selbstwahrnehmung 

− Verbesserung von Selbstakzeptanz und Selbstwertgefühl 

− Korrektur dysfunktionaler Kognitionsmuster 

− Reduzierung von körperlichen Krankheitssymptomen 

− Erkennen möglicher funktionaler Aspekte von Krankheitssymptomen 

− Verbesserung der eigenen Kompetenz im Management von Funktionsstörungen.

3.2 Rehabilitationsziele bezogen auf Aktivitäten

Als Rehabilitationsziele können allgemein die Abwendung, Beseitigung, Minderung, Verhütung der Verschlimmerung oder Milderung der Folgen einer Zunahme der Beeinträchtigungen der Aktivitäten genannt werden. Hierzu zählen beispielsweise:

− Erweiterung des Verhaltensrepertoires 

− Verbesserung des Kommunikationsverhaltens 

− Aufbau sozialer Kompetenz 

− Verbesserung der Beziehungsfähigkeit 

− Erwerb von Problemlösefähigkeiten 

− Optimierung der Krankheitsbewältigung (Coping) 

− Verbesserung der Fähigkeit zur Freizeitgestaltung 

− verbesserter Umgang mit Belastungssituationen.

3.3 Rehabilitationsziele bezogen auf Teilhabe

Ziele sind, drohende oder bereits manifeste Beeinträchtigungen der Teilhabe abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, deren Zunahme zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Aus den unter Ziffer 2.5 aufgeführten Beeinträchtigungen lassen sich folgende Rehabilitationsziele ableiten.

Erhalt oder Verbesserung:

− der psychischen Unabhängigkeit 

− der physischen Unabhängigkeit 

− der Mobilität 

− der sozialen Integration/Reintegration 

− im Bereich der Beschäftigung 

− der wirtschaftlichen Eigenständigkeit.

Zur Erreichung der Rehabilitationsziele sind die Bezugspersonen nach Möglichkeit einzubeziehen.

3.4 Rehabilitationsziele bezogen auf Kontextfaktoren

Art und Ausmaß der funktionalen Problematik 1können durch Kontextfaktoren (Umweltfaktoren und personbezogene Faktoren) verstärkt oder vermindert werden, so dass diese bei der Bestimmung der Rehabilitationsziele und in der Gestaltung der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen zu berücksichtigen sind. Dies kann z.B. geschehen durch:

− Arbeitsplatzbegehung, Arbeitsplatzanpassung und -umsetzung, Arbeitsorganisation 

− Planung und Einleitung von Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Umschulungen, berufliche Wiedereingliederung 

− Anleitung zur gesundheitsbewussten Ernährung und Motivation zur Lebensstiländerung, einschließlich Abbau von Risikofaktoren 

− Anleitung zu Stressabbau/Stressbewältigung 

− Wohnraumbesichtigungen, Planung von Veränderungen in der häuslichen Umgebung 

− Einleitung von Anpassung an Freizeitaktivitäten.

Es ist auch Aufgabe der Rehabilitation, somatische und psychische Auswirkungen der psychischen und psychosomatischen Erkrankungen abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Der Rehabilitand ist anzuleiten, mit Krankheitsauswirkungen zu leben (Coping) und negativ wirkende Kontextfaktoren zu vermeiden, zu beseitigen bzw. deren Wirkungen zu vermindern.

Rehabilitationsziele in diesem Sinne sind:

− Verbesserung des Informationsstandes über die Krankheit 

− Umgang mit Notfallsituationen (z.B. bei Panikanfällen) 

− Entwicklung von Strategien zum Abbau von Risikoverhalten (z.B. Rauchen, Alkoholmissbrauch, Fehlernährung, Bewegungsmangel, inadäquates Freizeitverhalten, körperliche und psychische Überforderung) 

− Unterweisen in Techniken zur Selbstkontrolle (z.B. Impulskontrollverlust, Aufmerksamkeitslenkung, Schmerz) 

− Erlernen von Entspannungstechniken.

__________________________
1
Die funktionale Problematik kennzeichnet den aktuellen Status der funktionalen Befunde und Symptome 
auf den Ebenen der Körperfunktionen und Körperstrukturen, der Aktivitäten und der Teilhabe.

4. Behandlungsfrequenz und Rehabilitationsdauer

Je nach Schweregrad der Schädigungen (einschließlich psychischer Funktionen), Beeinträchtigungen der Aktivitäten sowie der Teilhabe und den sich daraus ergebenden Rehabilitationszielen gestalten sich die individuell erforderliche Rehabilitationsdauer und Therapiedichte. Im Rahmen eines interdisziplinären Behandlungssettings sind in der Regel täglich mindestens vier bis maximal sechs Stunden Therapiezeit an fünf bis sechs Tagen in der Woche einzuhalten. Neben der individuellen Belastbarkeit des Rehabilitanden ist auch auf angemessene Ruhepausen zu achten.

Im Sinne einer Flexibilisierung sollte die ambulante Rehabilitation bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen in geeigneten Fällen mit einer reduzierten oder abgestuften täglichen Dauer durchgeführt werden können, z.B. zum Ende der Rehabilitationsmaßnahme im Sinne eines Ausschleichens oder bei berufsbegleitenden Maßnahmen (z.B. bei arbeitsfähigen Teilzeitbeschäftigten). Eine weitere Möglichkeit der Flexibilisierung ist auch die Intervallbehandlung, bei der die Behandlung auf mehrere Behandlungsabschnitte verteilt ist.

5. Ausschlusskriterien

Eine ambulante Rehabilitation bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen ist über die allgemeinen Kontraindikationen (vgl. Ziffer 8 Allgemeiner Teil), hinaus nicht angezeigt, wenn:

− eine stark ausgeprägte psychische und/oder somatische Komorbidität intensiver klinischer Mitbehandlung bedarf, die im Rahmen der ambulanten Rehabilitation nicht abgedeckt werden kann

− wegen verminderter psychophysischer Belastbarkeit durchgängige Stützung und Strukturierung durch das stationäre Setting notwendig sind − eine die Rehabilitationsziele gefährdende Fortführung beruflicher Aktivitäten zu erwarten ist

− die Verbesserung sozialer Kompetenz und Beziehungsfähigkeit nur durch Integration in ein vollstationäres Setting (therapeutische Gemeinschaft als Lern- und Übungsfeld) erreicht werden kann

− durch die therapeutischen Maßnahmen eine emotionale Labilisierung zu erwarten ist, welche die eigenen Bewältigungsmöglichkeiten überfordert

− eine ausreichende Compliance bei der Einnahme von Medikamenten und eine konstruktive Mitarbeit nur durch stationäre Anleitung und Beaufsichtigung sichergestellt werden können

− die Symptomatik oder Verhaltensstörung so ausgeprägt sind, dass eine engmaschige Betreuung, Behandlung und die kontinuierliche Verfügbarkeit von Kriseninterventionsmöglichkeiten unverzichtbar sind (z.B. bei bulimischer oder anorektischer Symptomatik, hochfrequenten Panikattacken, Selbstverletzungen, dissoziativen Zuständen) [zu prüfen ist, ob eine stationäre Krankenhausbehandlung oder Rehabilitation indiziert ist]

− die Fremdkontrolle von schädlichen Verhaltensweisen (z.B. Substanzmissbrauch, Spiel- oder Kaufsucht) notwendig ist und Defizite im Bereich der Impulskontrolle einen durchgängig haltgewährenden und steuernden Rahmen erforderlich machen [zu prüfen ist, ob eine stationäre Krankenhausbehandlung oder Rehabilitation indiziert ist].

6. Anforderungen an die ambulante Rehabilitationseinrichtung

6.1 Rehabilitationskonzept

Jede ambulante Rehabilitationseinrichtung erstellt ein strukturiertes Rehabilitationskonzept evtl. unter Berücksichtigung von indikativen Schwerpunkten. Dies beschreibt das verfolgte Rehabilitationsverständnis, die angebotene rehabilitative Diagnostik und Behandlung sowie die personelle, räumliche und apparative Ausstattung der Einrichtung und Angaben zur voraussichtlichen Behandlungsdauer.

Konzeptionell von besonderer Bedeutung für die ambulante Rehabilitation bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen ist die Schaffung eines therapeutischen Milieus. Die Behandlung erfolgt neben den erforderlichen Einzelbehandlungen und -beratungen in Gruppen, der dabei ein besonderer Stellenwert zukommt.

6.2 Ärztliche Leitung und Verantwortung

Um den umfassenden und interdisziplinären Rehabilitationsansatz durch ein eng koopierendes Rehabilitationsteam umsetzen zu können, müssen die Behandlungsmaßnahmen und sonstigen Leistungen der ambulanten Rehabilitation in der Regel in einer Einrichtung durchgeführt werden (Prinzip der „Einheit des Ortes“). Ausnahmen können z.B. für bestimmte diagnostische Maßnahmen sinnvoll sein, die seltener veranlasst werden müssen. Aus Wirtschaftlichkeitsgründen und um der häufig anzutreffenden Komorbidität gerecht werden zu können, empfiehlt sich die Anbindung an eine ambulante Rehabilitationseinrichtung mit weiteren Indikationen oder an eine stationäre Rehabilitationseinrichtung.

Für den Fall, dass in einer Einrichtung unterschiedliche Leistungsbereiche erbracht werden (z.B. neben ambulanter Rehabilitation auch vertragsärztliche Leistungen), muss für den Bereich der ambulanten Rehabilitation eine räumliche und organisatorische Trennung von den übrigen Leistungsbereichen gegeben sein.

Bei der räumlichen und organisatorischen Ausgestaltung der ambulanten Rehabilitation ist auf eine sinnvolle Zuordnung der Funktionsräume, Überschaubarkeit für den Rehabilitanden sowie eine insgesamt „reha-motivations-fördernde“ Atmosphäre zu achten. Hierzu gehören auch Möglichkeiten zum Austausch und zum Rückzug.

6.3 Ärztliche Leitung und Verantwortung

Die ambulante Rehabilitation bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen steht unter ständiger Leitung und Verantwortung

− eines Facharztes/einer Fachärztin2 für Psychotherapeutische Medizin oder 

− eines Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie.

Der leitende Arzt muss über mindestens zweijährige vollzeitige (bei Teilzeit entsprechende) rehabilitative und sozialmedizinische Erfahrungen verfügen und die Zusatzbezeichnung Sozialmedizin und/oder Rehabilitationswesen erworben haben. Der leitende Arzt hat neben der eigenen gebietsbezogenen und sozialmedizinischen Fortbildung auch die ständige Fortbildung seiner Mitarbeiter zu gewährleisten.

Der leitende Arzt ist für die Umsetzung des umfassenden Rehabilitationskonzepts im Rah-men der Vorgaben der Leistungsträger bezogen auf den einzelnen Rehabilitanden verantwortlich. Dabei ist den o.g. Krankheitsdimensionen, den darauf bezogenen Rehabilitationszielen sowie der langfristigen Rehabilitationsprognose und den nach der Rehabilitation ggf. einzuleitenden Maßnahmen Rechnung zu tragen. Er leitet das interdiziplinäre Rehabilitationsteam, stellt regelmäßige (mind. 1 mal pro Woche) Teambesprechungen sicher und verantwortet den Entlassungsbericht, insbesondere die sozialmedizinische Beurteilung (vgl. Allgemeiner Teil, 9.5 Ärztliche Leitung und Verantwortung).

Der leitende Arzt oder sein benannter ständiger Vertreter müssen während der Öffnungszeiten der Einrichtung präsent und verfügbar sein. Der Vertreter des leitenden Arztes muss über eine vergleichbare Qualifikation verfügen wie der leitende Arzt der Einrichtung.

Die Kompetenz im Gebiet der Psychiatrie/Psychotherapie ist ebenso sicherzustellen wie im Gebiet der Psychotherapeutischen Medizin.

Ist die Rehabilitationseinrichtung an eine Praxis angebunden, muss eine räumliche und organisatorische Trennung gegeben sein.

Für die Betreuung außerhalb der Rehabilitation muss der Hausarzt entsprechend informiert werden. Die während der ambulanten Rehabilitation gewonnenen medizinischen Daten müssen anderen berechtigten Personen/Stellen unter Berücksichtigung des Datenschutzes bei Bedarf zugänglich sein.

__________________
2 Im Folgenden wird auf die weibliche Form der Berufsbezeichnung verzichtet.

6.4 Aufgaben der ärztlichen und / oder psychologischen (Psycho-) Therapeuten

Zu den Aufgaben beider Berufsgruppen gehören:

− Aufnahme-, Zwischen- und Abschlussuntersuchungen

− Durchführung bzw. Veranlassung und Auswertung der Rehabilitationsdiagnostik mit Konkretisierung des Behandlungsbedarfs

− die Einschätzung psychopathologischer Befunde, insbesondere im Hinblick auf Suizidalität (ggf. unter Beiziehung entsprechender fachärztlicher Kompetenz)

− Abstimmung des Rehabilitationsziels sowie des Rehabilitationsplans mit dem Rehabilitanden und dem Rehabilitationsteam

− Durchführung der einzel- und gruppenpsychotherapeutischen Maßnahmen, ggf. inklusive Paar- bzw. Familiengesprächen

− Information und Beratung des Rehabilitanden unter Einbeziehung der Bezugspersonen

− Mitwirkung beim Entlassungsbericht mit sozialmedizinischer Beurteilung

− Empfehlungen für die Weiterbehandlung unter Einbeziehung der Berichte der Rehabilitationsteam-Mitglieder

− Kooperation mit vor- und nachbehandelnden Ärzten, (Psycho-) Therapeuten, Beratungsstellen und den in der Nachsorge eingebundenen sozialen Diensten sowie Selbsthilfegruppen

− Dokumentation der therapeutischen Leistungen und Durchführung der notwendigen Qualitätssicherungsmaßnahmen.

In der spezifischen Verantwortung der ärztlichen Mitarbeiter liegen hierbei:

− die körperliche Aufnahme- und ggf. Abschlussuntersuchung

− die Erhebung der medizinisch relevanten Anamnesedaten

− die Sichtung medizinischer Vorbefunde, ggf. die Veranlassung weiterer diagnostischer bzw. differentialdiagnostischer Maßnahmen

− Erstellung und Anpassung des Rehabilitationsplans

− die Verordnung von Medikamenten (inklusive Aufklärung der Rehabilitanden über Wirkung und Nebenwirkungen), insbesondere die Verantwortung für die Psychopharmakatherapie

− die enge Abstimmung hierüber mit dem behandelnden (Haus-)Arzt; Kooperation mit Konsiliarärzten und Konsiliardiensten

− ggf. Verordnung von Heil- und Hilfsmitteln und/oder diätetischer Maßnahmen

− kollegiale Beratung der psychologischen Bezugstherapeuten zu den medizinischen Aspekten der von ihnen betreuten Rehabilitanden

− Erstellung des Entlassungsberichtes mit sozialmedizinischer Beurteilung.

 

6.5 Rehabilitationsdiagnostik

Die Aufgabe einer angemessenen Rehabilitationsdiagnostik besteht darin, die Einschränkungen auf den verschiedenen Ebenen und die Potentiale zu beschreiben, die Einflussfaktoren und die Wechselbeziehungen zu analysieren und diese Information für eine individuelle Rehabilitationsplanung zu nutzen.

Am Beginn, im Verlauf und am Ende der Rehabilitation ist die Rehabilitationsdiagnostik durchzuführen. Die Befunde der Vorfelddiagnostik sind zu berücksichtigen. Die Schädigungen (einschließlich psychischer Funktionen), Beeinträchtigung der Aktivitäten und drohende bzw. manifeste Beeinträchtigungen der Teilhabe sowie die relevanten Kontextfaktoren sind zu beschreiben und zu bewerten; zeitnahe Befunde sind zu berücksichtigen.

Die Diagnostik umfasst obligatorisch:

− medizinische und soziale Anamnese 

− eingehende körperliche allgemeine Untersuchung 

− psychischen bzw. psychopathologischen Befund 

− psychologische Diagnostik einschließlich einer psychometrischen Basisdiagnostik 

− Ruhe-EKG 

− Bestimmung von relevanten Laborparametern.

Fakultativ:

− spezielle technische Untersuchungen 

− spezielle psychologische Diagnostik (einschließlich Leistungsdiagnostik).

Bei Bedarf müssen konsiliarische Untersuchungen sichergestellt sein.

6.6 Rehabilitationsplan

Auf der Grundlage der Ergebnisse der Rehabilitationsdiagnostik wird unter Beteiligung des Rehabilitanden ein individueller Rehabilitationsplan erstellt und das individuelle Rehabilitationsziel bzw. -teilziel definiert.

Besprechungen des Rehabilitationsteams zum Verlauf sind regelmäßig durchzuführen. Der Rehabilitationsplan ist dem Verlauf anzupassen. Änderungen im Bereich der Körperfunktionen und Körperstrukturen (einschließlich psychischer Funktionen), der Aktivitäten sowie ggf. der Teilhabe sind in regelmäßigen Abständen unter Nutzung der relevanten Untersuchungsmethoden zu dokumentieren.

6.7 Behandlungselemente

Die Rehabilitationsplanung bzw. die Koordinierung der einzelnen Behandlungselemente erfolgen durch das interdisziplinäre Therapeutenteam unter der Verantwortung des leitenden Arztes und unter Beteiligung des Rehabilitanden.

Die wesentlichen Behandlungselemente der ambulanten Rehabilitation bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen sind:

− Psychotherapie (Einzel- und Gruppentherapie nach anerkannten Interventionsmethoden ggf. unter Einbeziehung von Angehörigen/Bezugspersonen) 

− medikamentöse Therapie 

− sozialtherapeutische Betreuung, Sozialberatung und Hilfestellung zur Reintegration in Alltag und Beruf

 − arbeitsbezogene Trainingsmaßnahmen 

− Training alltäglicher Fertigkeiten 

− Ergotherapie/fakultativ Kreativtherapie 

− Sport- und Bewegungstherapie 

− Physiotherapie 

− Entspannungsverfahren 

− Ernährungsberatung 

− Gesundheitsbildung

− Beratung und Initiierung hinsichtlich weiterführender Maßnahmen und Nachsorge (u.a. Anregung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Wohnraumumgestaltung).

An die Gestaltung von Gruppentherapien sind besondere Anforderungen zu stellen. So sollte es geschlossene und/oder offene Gruppen mit maximal zehn Teilnehmern geben. Für einzelne Störungsbilder sollen je nach Größe der Einrichtung und Schwerpunktsetzung spezielle Gruppentherapien zur Anwendung kommen.

Die ambulante Rehabilitation sollte bei der Gestaltung der Maßnahmen die lokal gegebenen Möglichkeiten durch Einbeziehung des familiären Umfelds, des Arbeitsumfelds und der Vor- und Nachbehandler nutzen. Im Bedarfsfall sind Besuche vor Ort (Wohnung, Arbeitsplatz) durchzuführen.

Die Qualität der Rehabilitationsbehandlung ist durch interne oder ggf. durch externe Supervision sicherzustellen.

7. Personelle Ausstattung

7.1 Rehabilitationsteam und Qualifikation

Dem interdisziplinären Rehabilitationsteam gehören folgende Berufsgruppen an, die eine qualifizierte Ausbildung besitzen und mehrheitlich über Berufserfahrung3 in der Rehabilitation verfügen.

Arzt

Neben dem ärztlichen Leiter und seinem Stellvertreter mit den o.g. Gebietsbezeichnungen sollen sich die weiteren Ärzte in psychotherapeutischer Weiterbildung befinden und möglichst 2 Jahre Berufserfahrung in einer Rehabilitationseinrichtung haben.

Psychologischer Psychotherapeut/Diplom-Psychologe

− mindestens ein approbierter Psychologischer Psychotherapeut sowie weitere Diplom-Psychologen in psychotherapeutischer Aus- oder Weiterbildung.

Ergotherapeut/fakultativ auch Kreativtherapeut (z. B. KTL definiert4 )

− Staatlich anerkannte Berufsausbildung 

− Grundlagenkenntnisse in arbeitsrehabilitativen Maßnahmen, Ergonomie, Arbeitsplatzanpassung und 

− Beratung zur Belastungserprobung und einschlägige Erfahrungen in der berufsorientierten Arbeitstherapie.

Sozialarbeiter/Sozialpädagoge

− Diplom/staatliche Anerkennung als Sozialarbeiter bzw. Sozialpädagoge mit mind. 2 Jahren vollzeitiger Berufserfahrung.

Sportlehrer/Sporttherapeut

− Diplom-Sportlehrer mit möglichst rehabilitationsspezifischer Qualifikation.

Physiotherapeut/Krankengymnast 

− Staatliche Anerkennung als Physiotherapeut/Krankengymnast.

Gesundheits- und Krankenpfleger/Arzthelferin

− Staatliche Ausbildung.

Diätassistent/Diplom-Oecotrophologe

− Staatlich anerkannte Berufsausbildung.

__________________________
3
Bei Teilzeitkräften verlängert sich der Zeitraum der erforderlichen Berufserfahrung entsprechend.
4
Vgl Kreativtherapie, in: Klassifikation therapeutischer Leistungen in der medizinischen Rehabilitation (KTL), Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (Hrsg.), 4. Auflage 2000.

7.2 Personalbemessung

Die personelle Ausstattung der ambulanten Rehabilitationseinrichtung orientiert sich an der Zahl der Therapieplätze und dem Rehabilitationskonzept, z.B. Frequenz und Dauer der unterschiedlichen Therapieeinheiten, der Gruppengröße, dem eventuellen Anteil an Einzeltherapien und dem zeitlichen Aufwand für Teamkonferenzen, Visiten und weitere Aufgaben von Therapeuten und Ärzten.

Für eine ambulante Rehabilitationseinrichtung mit 40 Rehabilitanden mit ganztägiger Rehabilitation wird folgender Personalschlüssel empfohlen:

Arzt 1 : 165
Psychologischer Psychotherapeut/Diplom-Psychologe 1 : 205
Ergotherapeut/fakultativ auch Kreativtherapeut 1 : 40
Sozialarbeiter/Sozialpädagoge 1 : 60 – 1 : 40
Sportlehrer/Sporttherapeut 1 : 80
Physiotherapeut/Krankengymnast 1 : 80
Gesundheits- und Krankenpfleger/Arzthelferin 1 : 40 – 1 : 20
Diätassistent/Diplom-Oecotrophologe 1 : 80

Bei kleineren ambulanten Rehabilitationseinrichtungen ist der Anteil an der therapeutischen Versorgung durch die Ärztliche Leitung in der Regel zur Hälfte anzurechnen.

Die personelle Ausstattung der weiteren Berufsgruppen richtet sich nach dem jeweiligen therapeutischen Konzept/Schwerpunkt der Einrichtung. Eine unterschiedliche Gewichtung zwischen den Berufsgruppen ist möglich. Die Teilnahme der Mitarbeiter an Teambesprechungen ist sicherzustellen.

Zusätzlich sind Verwaltungsaufgaben, Urlaubs- und Krankheitsvertretung zu gewährleisten.

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Die Relation beider Berufsgruppen zu den Rehabilitanden soll zusammengenommen 1 zu 9 nicht unterschreiten. 
Beide Berufsgruppen sollten in etwa zu gleichen Anteilen vertreten sein.

8. Räumliche Ausstattung

Die räumliche Ausstattung muss so bemessen und beschaffen sein, dass das Rehabilitationskonzept qualifiziert umgesetzt werden kann.

Es sollten angemessene Räumlichkeiten vorhanden sein:

− für Gruppentherapie 

− für Einzeltherapie 

− für Bewegungstherapie 

− für Ergotherapie/Kreativtherapie 

− Notfallversorgung und spezielle Diagnostik 

− medizinisches Untersuchungszimmer

− Sanitärbereich (in ausreichender Anzahl barrierefrei gestaltet) mit Umkleideräumen für Damen und Herren mit abschließbaren Schrankfächern 

− Lehrküche (auch extern, bei guter Erreichbarkeit und organisatorischer Gewährleistung) 

− Empfangs- und Wartebereich 

− Ruhe-, Entspannungs-, Regenerationsbereich 

− Aufenthalts- und Versorgungsbereich 

− externe Bewegungsmöglichkeiten durch Einbeziehung von Freigelände 

− Personalaufenthaltsraum 

− für Verwaltungsaufgaben.

Die Räume müssen barrierefrei zugänglich sein.

9. Apparative Ausstattung

Die apparative Ausstattung muss die Diagnostik und Therapie der speziellen Gesundheitsprobleme nach aktuellem Wissensstand sowie die Notfallversorgung gewährleisten.

Medizinische Geräte

− Ruhe-EKG 

− für Notfälle (Notfallkoffer, Defibrillator, Sauerstoffflasche).

Der Zugang zu weiterführender Diagnostik muss jederzeit gewährleistet sein.

10. Verlängerungskriterien

Unter dem Gesichtspunkt einer individualisierten und ergebnisorientierten Rehabilitation ist auch im ambulanten Bereich nach vorheriger Genehmigung durch den jeweiligen Leistungsträger in begründeten Fällen eine Verlängerung möglich bei

− Verzögerung im Erreichen des Rehabilitationsziels bei bestehender positiver Rehabilitationsprognose und gegebener Rehabilitationsfähigkeit (z.B. interkurrente Erkrankungen).

11. Beendigung der Maßnahme

Die ambulante Rehabilitation bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen ist zu beenden, wenn sich erst während der Rehabilitationsmaßnahme die unter Ziffer 5 genannten Ausschlusskriterien zeigen, oder wenn das Rehabilitationsziel erreicht ist, oder die medizinischen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.

Die ambulante Rehabilitation sollte abgebrochen werden, wenn

− die Maßnahme ohne zwingenden Grund nicht regelmäßig, pünktlich und vollständig in Anspruch genommen wird 

− die Compliance bei der Einnahme von Medikamenten und/oder aktiven Mitwirkung am Rehabilitationsprozess nicht ausreicht

− die Zielsetzung der Rehabilitation auch bei Berücksichtigung adäquater Verlängerungsmöglichkeiten nicht innerhalb der vorgesehenen/abschließend bewilligten Frist erreichbar ist

− eine interkurrente Erkrankung oder Verschlimmerung der zu rehabilitierenden Erkrankung eintritt, die eine ausreichende Teilnahme/Mitwirkung an der Rehabilitation verhindert

− nicht kurzfristig veränderbare schädliche Verhaltensweisen auftreten, die den eigenen Rehabilitationserfolg oder den der anderen Rehabilitanden gefährden.