Anlage 1: Leistungsbeschreibung Ergotherapie in der Fassung vom 15.04.2016
zur Rahmenempfehlung nach § 125 Abs. 1 SGB V Ergotherapie in der Fassung vom 15.04.2016

Leistungsbeschreibung Ergotherapie
mit den
Maßnahmen der Ergotherapie

Präambel

Die Leistungsbeschreibung Ergotherapie wurde komplett überarbeitet. Sie orientiert sich nun durchgehend am bio-psycho-sozialen Modell der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit( ICF).

Die Heilmittel-Richtlinie in der derzeit gültigen Fassung (vom 20.Januar 2011/ 19.Mai 2011) nimmt bereits Bezug auf die ICF. So heißt es in § 3 (5): „Die Indikation für die Verordnung von Heilmitteln ergibt sich nicht aus der Diagnose allein, sondern nur dann, wenn unter der Gesamtbetrachtung der funktionellen/ strukturellen Schädigungen, der Beeinträchtigungen der Aktivitäten (Fähigkeitsstörungen) unter Berücksichtigung der individuellen Kontextfaktoren in Bezug auf Person und Umwelt eine Heilmittelanwendung notwendig ist.“

Auch der Heilmittelkatalog ordnet den Diagnosegruppen die relevanten funktionellen/ strukturellen Schädigungen zu und bei Maßnahmen der Ergotherapie unter dem Begriff der „ Leitsymptomatik“ die Beeinträchtigungen der Aktivitäten.

Die vorliegende Überarbeitung der Leistungsbeschreibung Ergotherapie stellt nun umfassend die Indikation, die therapeutischen Wirkungen und Ziele auf Basis der ICF dar. Dabei wird der Blick auch auf mögliche Beeinträchtigungen der Teilhabe erweitert. Der Begriff „Teilhabe“ umfasst hier ausschließlich die ICF-gemäße Nomenklatur der „Aktivitäten und Teilhabe“. Eine über den Leistungsbereich des SGB V hinausgehende Beeinträchtigung der Teilhabe, beispielsweise solche die das SGB II, III, VI oder VII betreffen, sind hiervon ausgenommen.

Diese bio-psycho-soziale Betrachtungsweise bedeutet weder eine Leistungserweiterung, noch eine Änderung in Bezug auf erforderliche leistungsrechtliche Abgrenzungen zu anderen Trägern, insbesondere wenn pädagogische, heilpädagogische oder sonderpädagogische Maßnahmen geboten sind. (siehe § 6 Abs. 1 HeilM-RL Verordnungsausschlüsse) Die Verordnung und Erbringung ergotherapeutischer Maßnahmen erfolgt nach Maßgabe der Heilmittel-Richtlinie.

1. Grundsätze

Die Leistungsbeschreibung berücksichtigt die Richtlinie nach § 92 Abs.1 Satz 2 Nr. 6 SGB V (Heilmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses); Änderungen in der Richtlinie mit Folgewirkungen für die Leistungsbeschreibung erfordern deren Anpassung.

Die Leistungsbeschreibung orientiert sich an der Gliederung in der Heilmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses.

Die Leistungsbeschreibung umfasst die verordnungsfähigen Maßnahmen der Ergotherapie gemäß der Heilmittel-Richtlinie. Dabei werden die wesentlichen Indikationen, Therapieziele, Methoden und Verfahren für die einzelnen Maßnahmen beispielhaft benannt.

Den Maßnahmen der Ergotherapie sind die Positionsnummern des Bundeseinheitlichen Heilmittelpositionsnummernverzeichnisses zugeordnet.

2. Umfang der Leistung
Die unter 10. aufgeführten Leistungen (Maßnahmen der Ergotherapie) umfassen:

  • die Durchführung der Befunderhebung (3.);
  • das Aufstellen des individuellen Behandlungsplans (4.);
  • die Durchführung der ergotherapeutischen Maßnahmen (5.);
  • die Regelbehandlungszeit (6.);
  • die Vor- und Nachbereitung des Therapieplatzes und der Therapiemittel (7.);
  • die Verlaufsdokumentation sowie ggf. die Mitteilung an die verordnende Ärztin/den verordnenden Arzt (8.);
  • die Beratung der Patientin/des Patienten und ihrer/seiner Bezugspersonen (9.a);
  • die Beratung zur Integration in das häusliche und soziale Umfeld (9.b).

Ergotherapeutische Diagnostik

Die Durchführung und Auswertung der ergotherapeutischen Diagnostik findet schwerpunktmäßig im Rahmen der ersten Behandlungen einer neuen Patientin oder eines neuen Patienten statt. Sie bildet, auf der Grundlage der ärztlichen Verordnung, die Voraussetzung, die Therapieziele zu definieren und einen Therapieplan zu erstellen. Nach Bedarf werden Screening- und/oder differenzierte Assessmentmethoden (Beobachtungs-, Befragungs- und Testverfahren) eingesetzt.

Im Verlauf der Therapie kann eine erneute ergotherapeutische Diagnostik zur Überprüfung der Therapieziele und/oder zur Anpassung des Therapieplanes erforderlich sein.

Eine ergotherapeutische Gruppentherapie kann erst erfolgen, wenn dieser eine ergotherapeutische Diagnostik im Rahmen einer Einzeltherapie vorausging, bei der auch die Zuordnung zur entsprechenden Gruppe erfolgt. Nach bereits erfolgter Einzeltherapie werden Gruppentherapien ohne nochmalige ergotherapeutische Diagnostik durchgeführt.

4. Individueller Therapieplan

Auf der Grundlage der ärztlichen Verordnung mit Angabe der Diagnose, der Leitsymptomatik und der Therapieziele sowie der Analyse des ergotherapeutischen Bedarfs und der ergotherapeutischen Diagnostik wird der individuelle Therapieplan erstellt. Bei der Erstellung des Therapieplans wird die Patientin/der Patient und – wenn erforderlich – deren/dessen Bezugspersonen so weit wie möglich einbezogen.

5. Durchführung der Therapie

Auf der Grundlage des individuellen Therapieplans wird die jeweilige Maßnahme der Ergotherapie durchgeführt. Dabei sind die individuellen Bedürfnisse und die jeweilige Reaktionslage der Patientin oder des Patienten besonders hinsichtlich der Interventionsmethoden sowie der Dauer, Intensität und des Umfangs der Therapie zu berücksichtigen.

6. Regeltherapiezeit

Die Zeitangaben der jeweiligen Maßnahmen der Ergotherapie sind Richtwerte und beziehen sich auf die Durchführung der Therapie mit der Patientin bzw. dem Patienten sowie der anderen unter 2. (Umfang der Leistung) genannten Leistungen. Dabei darf die Therapiedauer mit der Patientin bzw. dem Patienten die Mindestdauer des Richtwertes nur aus medizinischen Gründen unterschreiten.

7. Vor- und Nachbereitung

Die Vor- und Nachbereitung des Therapieplatzes und der Therapiemittel ist für die Maßnahmen der Ergotherapie unabdingbar. Denn nur die individuelle Anpassung an die funktionelle/strukturelle Schädigung und die Beeinträchtigungen der Aktivitäten (HeilM-Katalog - Fähigkeitsstörungen) der Patientin bzw. des Patienten sowie die Berücksichtigung relevanter Kontextfaktoren gewährleistet den sinnvollen Einsatz der Methoden und Verfahren der Ergotherapie.

Verlaufsdokumentation/Mitteilung an den verordnenden Arzt

Entsprechend § 14 Abs. 3 dieser Rahmenempfehlungen wird im Interesse einer effektiven und effizienten Ergotherapie eine Verlaufsdokumentation geführt. Sie erfolgt je Therapieeinheit und umfasst die im Einzelnen erbrachte Leistung, deren therapeutische Wirkung auf die funktionellen/ strukturellen Schädigungen und Aktivitäten der Patientin bzw. des Patienten sowie ggf. Besonderheiten bei der Durchführung.

Sofern die behandelnde Vertragsärztin bzw. der behandelnde Vertragsarzt dies auf der Verordnung kenntlich gemacht hat, unterrichtet die therapeutische Fachkraft diesen gemäß § 16 Abs. 6 HeilM-RL nach Ende der Therapieserie schriftlich über den Therapieverlauf. Eine prognostische Einschätzung hinsichtlich der Erreichung des Therapieziels sowie ggf. aus dem Behandlungsverlauf resultierende Vorschläge zur Änderung des Therapieplans sind abzugeben, sofern die therapeutische Fachkraft die Fortsetzung der Therapie für erforderlich hält. Die Erstellung eines ausführlichen Berichts ist nicht Bestandteil der therapeutischen Leistung.

9. Beratung

9.1 Information, Beratung und Schulung
Die Information, Beratung und Schulung der Patientin bzw. des Patienten und/oder ihrer bzw. seiner Bezugspersonen über die Ziele, die Wirkungen und den Therapieverlauf sind unverzichtbare Bestandteile der Maßnahmen der Ergotherapie. Hierzu gehören auch die ergotherapeutische Anleitung zum eigenverantwortlichen gesundheitsgerechten Verhalten durch häusliche Übungsprogramme und die Begleitung der eigenständigen Umsetzung von vereinbarten Veränderungen durch die Patientinnen und Patienten im häuslichen bzw. sozialen Umfeld. Die notwendige isolierte Beratung der Bezugspersonen im Rahmen einer Verordnung ist im Einzelfall als Therapieeinheit zu erbringen.

9.2 Beratung zur Integration in das häusliche und soziale Umfeld
Die Beratung zur Integration in das häusliche und soziale Umfeld erfolgt im Rahmen einer ergotherapeutischen Einzeltherapie. Diese Beratung ist erforderlich, wenn als Leitsymptomatik Beeinträchtigungen in Bezug auf die Selbstversorgung und Alltagsbewältigung, in der zwischenmenschlichen Interaktion oder im Verhalten vorliegen, die zu Schwierigkeiten im häuslichen und sozialen Umfeld führen.

Sie dient dazu, die Patientin bzw. den Patienten und ggf. seine (betreuenden) Bezugspersonen zu befähigen, die in der laufenden Therapie erarbeiteten Fähigkeiten in den Alltag zu transferieren, damit sie/er die Grundbedürfnisse des täglichen Lebens eigenverantwortlich erfüllen kann.

Im Rahmen dieser Maßnahme erfolgt die Analyse des häuslichen und sozialen Umfeldes der Patientin bzw. des Patienten, die Beratung und ggf. die Erstellung von Empfehlungen für eine aus medizinischer Sicht notwendige Adaptation des Umfeldes an die vorhandenen Beeinträchtigungen und relevanten, insbesondere als Barrieren wirkende Kontextfaktoren der Patientin bzw. des Patienten. Über die Beratung ist die verordnende Ärztin bzw. der verordnende Arzt zu informieren.

10. Maßnahmen der Ergotherapie