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Erster Tag: Die Forschung läuft auf Hochtouren
Tag eins der Veranstaltung stand ganz im Rahmen der Forschung. Insgesamt 13 ReferentInnen stellten die aktuelle Forschungslage zum Thema dar und berichteten über ihre teilweise noch unveröffentlichten Forschungsergebnisse.
Dabei wurde immer wieder deutlich, wie schwierig sich Forschung und Behandlungsempfehlungen aufgrund einer unzureichenden Definition der Erkrankung darstellen. Zwar weist ein Teil der Betroffenen messbare strukturelle Organschäden auf, ein Großteil der Post-Covid Syndrome zeigt sich allerdings unspezifisch und damit (bisher) nur subjektiv messbar. Mehr als 200 beschriebenen Symptomen werden mittlerweile i der Literatur angegeben. Nahezu jeder Vortrag betonte die Wichtigkeit, diese Symptome in Zukunft in gewissen Clustern zu klassifizieren.
Dr. Joachim Schultze betonte wie auch seine KollegInnen mehrfach: „Long Covid ist eine somatische Erkrankung!“ Aus der eigenen Forschung ist dem Professor für klinische Einzelzell-Genomik bewusst, dass übliche Labor-Analysen bei Long-Covid keinerlei Auffälligkeit zeigen. Die Folgen seien vor allem eine Stigmatisierung der Erkrankung als rein psychischer Natur. Durch Einzelzell-Transkription, einem modernen Verfahren, in dem das Erbgut hunderttausender Zellen analysiert und verglichen werden kann, konnte die Bonner Forschungsgruppe nachweisen: Es stimmt was nicht bei der DNA-Transkription betroffener Immunzellen. Sie reagierten unspezifischer und aggressiver. Die große Herausforderung sei nun, diese Befunde auch mit einfachen, praxistauglichen Diagnosemitteln zu stellen. Die Forschung hierzu läuft.
In der Clue-Studie von Catherine Widmann wurde erfasst, wie Betroffene die Therapie erleben und welche Bedürfnisse diese äußern. Lediglich 25 Prozent der an Long-Covid Erkrankten gaben dabei an, Physiotherapie erhalten zu haben, nur neun Prozent bestätigten in der Studie, an einer Rehabilitationsmaßnahme teilgenommen zu haben. Dabei äußerten nahezu allen PatientInnen sehr zufrieden mit der Physiotherapie beziehungsweise der Reha gewesen zu sein.
Dass dies nicht nur am „Erlebnis Reha“ liege, sondern den Menschen auch wissenschaftlich erwiesen geholfen werden kann, erklärte Dr. Rainer Glöckl und lieferte dazu Tipps für eine effektive Rehabilitation. Der Leiter des Forschungsinstituts Pneumologische Rehabilitation betonte dabei, dass zu Beginn der Therapie unbedingt ermittelt werden müsse, ob bestehende funktionelle Schwächen aus einer Dekonditionierung aufgrund der Erkrankung (beispielsweise lange Liegezeit) resultierten oder ob ein chronisches Fatigue Syndrom vorliege.
Bei Letzterem sei es nämlich nachweislich sogar schädlich, PatientInnen auszubelasten. Ein 15- bis 20-minütiges Training auf dem Fahrrad-Ergometer mit einer Belastung von 50 Prozent der maximalen Wattzahl hält Göckl aus seinen Erfahrungen aus der Schön Klinik im Berchtesgadener Land durchaus für möglich, ebenso wie ein Krafttraining mit einer Intensität von dreimal 15 Wiederholungen mit einer subjektiven Belastung auf der modifizierten Borg-Skala von drei bis vier.
Bei PatientInnen ohne chronisches Fatigue Syndrom empfiehlt Glöckl ein Ergometertraining bei 75 Prozent der maximalen Wattzahl und ein Krafttraining von dreimal 15 Wiederholungen bis zur Ermüdung. Er betont hierbei, dass dies aus Erfahrungswissen resultiere, Forschung zur optimalen Trainingsdosierung fehle bislang.
Im Gegensatz dazu konnte seine Forschungsgruppe die Auswirkung von Inspirationstraining auf die häufig auftretende Belastungsdyspnoe erfassen. Hier konnten positive Effekte auf die Lungenfunktion verzeichnet werden. In den Studien der Forschungsgruppe wurde außerdem deutlich, dass von Dyspnoe Betroffene nicht immer eine eingeschränkte Lungenfunktion aufweisen müssen. In Studien konnten ForscherInnen zeigen, dass bei einfachen Belastungen zum Teil eine Atemfrequenz von 50 Atemzügen die Minute vorlag. Zum Vergleich: der Normbereich liegt bei 25 bis 30 Atemzügen die Minute. 50 Atemzügen in der Minute finden sich zum Beispiel bei PatientInnen mit einer Lungenfibrose. Durch Atem- und Achtsamkeitsübungen ließe sich dieses Problem beheben, sagt Glöckl.
Zweiter Tag mit Betroffenen im Mittelpunkt
Tag zwei der Veranstaltung stand vor allem im Fokus der Betroffenen. Zwar fanden auch Fachvorträge statt, diese wiederholten allerdings immer wieder das Fazit der Vorredner: Keine Definition der Erkankung, viele Entitäten, kein Nachweis und trotzdem ernst zu nehmen. Spätestens nach 16 Stunden Vorträgen wird dies jedem Zuhörer klar gewesen sein.
Interessant für Betroffene war vor allem die Vorstellung der Selbsthilfegruppen LongCovid Deutschland und des BAG SELBSTHILFE e. V. Hier handelt es sich definitiv um zwei Adressen, die auch PhysiotherautInnen zur Hand haben sollten, um Betroffene weiterzuleiten. Die Gruppen bieten sowohl Ansprechpartner und Selbsthilfegruppen, sind aber auch politisches Sprachrohr der Long- und Post-Covid-Erkrankten. Denn das wurde in den Vorträgen und den zahlreichen Wortmeldungen deutlich: Die Erkrankten sind frustriert und haben häufig das Gefühl, nicht gehört zu werden. Auch mangelnde Kenntnisse der BehandlerInnen über die Erkrankung stellen häufig Hürden für die Betroffenen dar. ÄrztInnen und TherapeutInnen etwa, die nicht wüssten, welche Gefahren von einer zu hohen Belastung von PatientInnen mit einem chronischen Fatigue-Syndrom ausgingen, könnten Betroffene in einen „Crash“ also in eine mindestens Tage, manchmal sogar Wochen oder Monate andauernde Bettlägerigkeit befördern.
Fazit
Am Ende des Kongresses bleiben wenige, aber wichtige neue Erkenntnisse, sowie das Gefühl, dass Kongresse gemeinsam mit Betroffenen eine wirklich gute Idee sind, um die Medizin ein bisschen weiterzubringen. Leider schien die Veranstaltung nicht genug beworben worden zu sein. Im Hörsaal des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen fanden sich nicht einmal 20 TeilnehmerInnen ein. Online via Zoom waren noch einmal 90 Menschen zugeschaltet. Bei einem so wichtigen Thema und einem kostenlosen Kongress leider weniger als man erwarten würde. Vielleicht wiederholt sich das Format irgendwann einmal. Hoffentlich mit neuen Erkenntnissen, die Betroffene neue Hoffnung schöpfen lassen.
Wir schließen den Bericht mit der wichtigsten Aussage des Kongresses: Die Prävalenz von Long-Covid sinkt. Die ForscherInnen äußerten mehrfach, dass sie damit rechnen, dass die Erkrankung ähnlich vorher bekannter post-viraler Syndrome bei vielen Betroffenen mit der Zeit ausheilt.
Daniel Bombien / physio.de
CoronaKongressBerichtFatigueTherapie
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