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Was tatsächlich häufig funktioniert, denn schon im Namen der glücklich machenden Endorphine ist zu lesen, welche Substanzen ausgeschüttet werden, wenn wir uns körperlich ertüchtigen: Endogene Morphine, also körpereigene Opioide.
Trainingsinduzierte Hypoalgesie (THA)
Der schmerzlindernde Effekt nach physischer Aktivität wird auch als „Trainingsinduzierte Hypoalgesie“ (THA) bezeichnet. Das Vorhandensein dieses Effektes ist in unzähligen Studien bereits bewiesen worden, wobei eindeutige Aussagen über die genauen Prozesse, die mit einer THA einhergehen noch nicht eindeutig getroffen werden können. Fest steht, dass Menschen nach einem Training weniger Schmerzen empfinden als vorher. Eine Beteiligung endorphingesteuerter, schmerzmodulatorischer Areale im zentralen Nervensystem gilt als wahrscheinlich. Verabreichen Ärzte trainierten Läufern nach einer aeroben Trainingseinheit den Opiathemmer Naloxon, verschwindet der THA-Effekt und ein Schmerzreiz wird im Gegensatz zur Placebogruppe als ähnlich intensiv wahrgenommen, wie vor dem Training.
Leider scheint der Effekt der THA nur sehr kurzfristig zu sein. Die Schmertoleranz der Probanden, nahm in einigen Studien eine Stunde nach der Durchführung ihres Trainingsprogrammes wieder ab.
Es existieren nur wenige Studien, die die THA bei chronischen Schmerzpatienten untersuchen. Teilweise werden hier ähnliche Effekte wie bei Sportlern gezeigt, allerdings sind die Ergebnisse bisher nicht immer eindeutig und teilweise widersprüchlich.
Die meisten derzeitig veröffentlichten Studien über die THA fokussieren sich auf schmerzfreie Probanden. Die Messungen in den wenigen Studien an chronischen Schmerzpatienten wurden immer unmittelbar nach der Trainingseinheit durchgeführt. Ob ein regelmäßiges aerobes Training sich auch dauerhaft auf die Schmerzmodulation von Patienten auswirkt, wurde bisher nicht untersucht. Dabei ist genau dieser Punkt in der Behandlung von chronischen Schmerzpatienten hochinteressant. Bisherige Untersuchungen legen den Schluss nahe, dass eine gestörte absteigende Schmerzmodulation mitunter eine Ursache für chronische Schmerzen darstellen kann.
Strampeln für die Schmerzlinderung
Eine US-Amerikanische Forschungsgruppe um Stephen Bruehl veröffentlichte in der Dezemberausgabe des „Pain“-Journals eine Untersuchung an 82 unsportlichen Probanden mit chronischen Rückenschmerzen, die an einem sechswöchigen aeroben Trainingsprogramm teilnahmen.
Unmittelbar vor dem ersten Training und zehn Tage nach der letzten Einheit unterzogen sich die Probanden einer Testung ihres Endorphin-Systems. Hierzu wurde ein stetig steigender Hitzereiz am Unterarm appliziert, den die Patienten bei Erreichen ihrer Toleranzschwelle unterbrechen konnten. Mehrere Testungen wurden durchgeführt: Entweder wurde ein Placebo aus einer Kochsalzlösung verabreicht oder das Endorphin-System der Probanden wurde mittels Naloxon unterdrückt. Die Untersucher und die Probanden wussten dabei nicht, welches Mittel verabreicht wurde.
Das Trainingsprogramm bestand aus drei Trainingseinheiten in der Woche, wobei die Einheiten aus jeweils
- • einem fünfminütigen Aufwärmprogramm,
auf einem Fahrradergometer bestanden.• dreißig Minuten aerobem Training und
• einem fünfminütigem Cool-Down
Mittels Karvonen-Formel wurde die optimale Herzfrequenz für das Ausdauertraining der Probanden ermittelt. Da für die Untersuchung bewusst unsportliche Probanden rekrutiert wurden, fanden die Trainingseinheiten in den ersten beiden Untersuchungswochen in moderaten Intensitäten bei zwischen 40 bis 55 Prozent der empfohlenen Herzfrequenz statt. Im Laufe der sechs Wochen wurde diese dann auf bis zu 85 Prozent gesteigert. Um die Trainingsintensität sicherzustellen, wurden alle fünf Minuten die Herzfrequenz der Probanden, sowie das subjektive Belastungsempfinden auf einer Borg-Skala ermittelt. Die Kontrollgruppe sollte ihren üblichen alltäglichen Beschäftigungen nachgehen.
Ein weiterer Baustein im Wissen über Schmerz
Während der Messungen, die dem Trainingsprogramm vorangingen, konnten die Forscher keinen signifikanten Unterschied zwischen dem empfundenen Schmerzreiz mit und ohne Naloxon-Injektion erkennen. Das Endorphin-System war an diesem Punkt also wenig aktiv, da die Hemmung der Opioidrezeptoren keine Veränderung in der Schmerzwahrnehmung auslöste.
Insbesondere Frauen zeigten nach dem sechswöchigen Trainingsprogramm einen signifikanten Anstieg ihrer THA. Die Schmerztoleranz unter Naloxon war beeinträchtigt, offensichtlich wurde das endogene Schmerzsystem über das Trainingsprogramm aktiviert. Dieser Befund korrelierte auch mit der subjektiven Rückenschmerzempfindung, die zusätzlich über Fragebögen bei den Probanden ermittelt wurde. Bei Männern konnte kein signifikanter Unterschied in der Schmerzmodulation durch Endorphine zwischen beiden Gruppen festgestellt werden. Allerdings verbesserte sich auch die männlichen Probanden hinsichtlich ihres Rückenschmerzes.
Die durch die Studie gewonnenen Erkenntnisse ergänzen ein immer noch unscharfes Bild über die trainingsinduzierte Schmerzmodulation:
Offensichtlich führt auch bei Rückenschmerzpatientinnen ein regelmäßiges aerobes Training in angemessenen Intensitäten zu einer längerfristig höheren Schmerzschwelle.
Der gemessene Unterschied zwischen den Geschlechtern deckt sich mit einer Reihe älterer Untersuchungen, die Unterschiede in der endorphinabhängigen Schmerzmodulation zwischen Männern und Frauen feststellen konnten. Dazu sei gesagt, dass die endogene Schmerzhemmung auch über andere Wege moduliert werden kann. Beispielsweise über das Endocannabinoid-System, dass in dieser Studie nicht adressiert wurde.Chronische Schmerzpatienten können also von einem generellen aeroben Trainingsprogramm profitieren. Insbesondere bei angstbehafteten Patienten kann zunächst erwogen werden, mit unspezifischen Übungen in fordernden Intensitäten, das Schmerzsystem zu „normalisieren.“ Auf diesem Fundament könnte dann eine zielgerichtete Therapie stehen. Dieses Vorgehen könnte auch Schmerzmittelmissbrauch, wie beispielsweise der Opioidkrise in den USA entgegenwirken.
Die wirkungsvollsten Morphine produziert der Mensch offensichtlich selbst.
Daniel Bombien / physio.de
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