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Dieses zu verstehen, ist für Therapeuten äußerst interessant. Denn aus dem Krankheitsverständnis des Patienten resultiert die Überzeugung, selbstwirksam für die Gesundheit zuständig sein zu können. Oder aber der Krankheit ausgeliefert zu sein und auf eine Lösung zu hoffen, die eventuell so nicht existiert und damit in einer Sackgasse zu landen.
16 Schmerzgeschichten
Eine Forschergruppe um Dr. Beatriz de Oliveira aus Perth interviewte 16 Patienten mit Schmerzen in der Leiste, der lateralen Hüfte oder der Gluteal-Region.
Zehn Probanden machten sportliche Überlastung oder veränderte, falsche Bewegungsmuster als die Ursache ihres Hüftschmerzes aus. Acht Probanden setzten den Hüftschmerz mit ihren vorangegangenen Rückenschmerzepisoden in Verbindung. Häufig wurden von den Probanden mehrere Gründe für die Hüftschmerzen genannt. Beispielsweise sagte eine Probandin, dass ihre Hüftschmerzen aus dem häufigen Heben ihrer Kinder, Muskelverlust wegen einer Krebstherapie und einer Beinlängendifferenz, die von ihrem Chiropraktiker festgestellt wurde, resultierten.
In der Untersuchung wurde klar, dass Patienten klar zwischen Laien- und Expertenverständnis unterschieden. Die persönlichen Erklärungen für die Symptomatik stimmten nicht immer mit der Expertenmeinung überein. Die Probanden favorisierten ihre Laienmeinung, wenn diese mehr Sinn in ihrer Schmerzhistorie ergab. Andererseits glaubten die Patienten der Expertenaussage mehr, wenn diese eine Lösung des Problems versprach.
Alle Probanden hatten sich bildgebenden Verfahren unterzogen. Die meisten von ihnen waren sich sicher, dass die Befunde in der Bildgebung ihre Symptomatik erklären könnten. Die Ergebnisse der Bildgebung waren so eindrücklich, dass die Probanden diese in Fachsprache wiedergeben konnten. Dieses mechanische Denken führte dazu, dass die Patienten optimistisch äußerten, dass der Schaden einfach repariert werden könne, beispielsweise durch Operationen, Stammzellentherapie oder einem hüftstabilisierenden Training. Die Frage, von wem die Patienten die biomechanischen Erklärungsmodelle erlernt hatten, konnte klar beantwortet werden: Es waren Ärzte und Therapeuten, die ein Verständnis von Schmerz vermittelten, welches der aktuellen Evidenzlage im Wesentlichen widerspricht.
Das biomechanische Verständnis von Schmerz hatte drastische Auswirkungen auf den Alltag der Patienten. Aufgrund der Idee, der Körper würde sich wie eine Maschine verhalten, versuchten sie weiteren Schaden durch Schonung zu vermeiden. Probanden berichteten, dass sie keine Kniebeugen mehr durchführen würden, ihren Gang veränderten oder sich mit den Armen hochzogen, um ihre Hüfte nicht mehr zu belasten. Patienten, bei denen bereits Therapien fehlschlugen, die ihnen eine unverzügliche Lösung des Problems versprachen, waren erst recht überzeugt davon, dass eine Hüft-Prothese unvermeidbar sei.
Konsequenzen für die Therapie
Die Autoren stellen fest, dass die Betrachtung des Schmerzes der Patienten im Widerspruch zum Erleben des Schmerzes stand. Durch den Schmerz veränderte sich der Alltag der Patienten erheblich. Viele Probanden beklagten nicht durchschlafen zu können und ihre Aktivität einzuschränken. Dies wiederum gefährdete die physische und psychische Gesundheit der Patienten. Sie befanden sich im Teufelskreis aus Schmerz, Stress und Vermeidung, der häufig bei persistierenden Schmerzen in der Literatur zu finden ist.
Aktuelle Leitlinien empfehlen das Assessment biopsychosozialer Faktoren in der Therapie. Unter anderem spielen Schmerzüberzeugungen, Ängste und die Auswirkungen auf das Sozialleben eine erhebliche Rolle im Erleben von Schmerz.
Anhand dieser Informationen lässt sich eine individuelle Patientenedukation formulieren. Insbesondere sollten modifizierbare Risikofaktoren wie Überzeugungen, Aktivität, Schlaf und Gewicht herausgestellt und Strategien entwickelt werden, diesen zu begegnen. Langzeiterfolge bei Patienten mit Hüftschmerzen durch diese Intervention sind gut erforscht. Belastung auf Gelenke ist klar positiv zu beurteilen und wirkt sich positiv auf das Schmerzgeschehen aus.
Falls eine Bildgebung gemacht wurde, ist es wichtig den Patienten mit klarer Sprache zu begegnen. Die Formulierungen sollten niemals bedrohlich wirken und in den epidemiologischen Kontext gesetzt werden, also die normale Prävalenz im Alter, sowie die Prävalenz bei schmerzfreien Personen erläutert werden.
Während der Therapie können die Therapeuten mit gezielter Kommunikation versuchen, das Krankheitserleben in einen anderen Kontext zu setzen und damit die Patienten aus der Sackgasse Schmerz zu ziehen. Um das zu erreichen, begannen die Probanden aus der Untersuchung eine Woche später eine Cognitive Functional Therapy (CFT).
Beispiele für alternative Formulierungen, um das Erleben in einen positiven Kontext zu setzen:
Zur Einordnung der Befunde in der Bildgebung:
„Hüftarthrosen sind auch bei asymptomatischen Menschen in der Bildgebung weit verbreitet. Das heißt, andere Faktoren spielen ebenfalls eine große Rolle bei Hüftschmerzen. Schmerz wird beispielsweise durch Schlafqualität, Müdigkeit, die Stimmung oder auch Kraft und Aktivitätslevel beeinflusst. Diese Faktoren können Sie selber beeinflussen. Wenn Sie möchten, können wir einen Plan aufstellen, um diese Faktoren zu beeinflussen.“
Als Antwort auf die Idee, dass die Hüfte „instabil“ sei:
„Hüftgelenke sind äußerst stabile Strukturen. Der Erhalt von Kraft und Beweglichkeit ist gut für die Gelenkgesundheit. Zu versuchen die Hüfte mit erhöhter Muskelspannung zu schützen ist nicht notwendig und könnte sich sogar ungünstig auf den Schmerz auswirken.“
Wenn Patienten sich viel von einer Kortison-Injektion versprechen:
„Zwar können Kortison-Injektionen kurzfristig bei manchen Personen die Schmerzen lindern, allerdings halten diese Effekte nicht langfristig an. Insbesondere wiederholte Kortison-Injektionen können sogar zu einer Progression der Arthrose führen. Wenn Sie die Faktoren, die Ihre Hüftschmerzen beeinflussen verstehen lernen, selbstbewusst beginnen das Gelenk aufzubelasten, aktiv werden und ihr Gewicht reduzieren, sind die Effekte auf lange Sicht gesehen vielversprechender.“
Hier finden Sie die Studie inklusive einer Tabelle für Formulierungshilfen in der Therapie (auf Englisch).
Daniel Bombien / physio.de
SchmerzenStudieFortbildungLeitlinieCFT
Danke und Gruß
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unter diesem Artikel findest Du das Buch von Butler als Buchempfehlung mit dem dazugehörigen Link: https://www.physio.de/community/news/content/99/10101
Liebe Grüße aus der Redaktion
Friedrich Merz
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Friedrich Merz schrieb:
Hallo mia73,
unter diesem Artikel findest Du das Buch von Butler als Buchempfehlung mit dem dazugehörigen Link: https://www.physio.de/community/news/content/99/10101
Liebe Grüße aus der Redaktion
Friedrich Merz
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mia73 schrieb:
Kann mir zu diesem Thema jemand ein Fachbuch empfehlen?
Danke und Gruß
es ist zwar teuer (und die Illustrationen drinnen m.E. so hässlich, daß sie Schmerzen auslösen können) aber "Schmerzen verstehen" von David Butler lohnt sich für dieses Thema.
Liebe Grüße, Eva
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mia73 schrieb:
danke
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Eva D. schrieb:
Hallo Mia,
es ist zwar teuer (und die Illustrationen drinnen m.E. so hässlich, daß sie Schmerzen auslösen können) aber "Schmerzen verstehen" von David Butler lohnt sich für dieses Thema.
Liebe Grüße, Eva
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Eva D. schrieb:
Also die Autoren sind Butler und Moseley um genau zu sein...
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