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In jedem Augenblick nehmen unsere Sinnesorgane ungeheure Mengen von Eindrücken wahr. Unser Gehirn sortiert diesen Ansturm von Sinnesreizen fortlaufend - sei es, um ein Bild zu betrachten, einen Warnruf zu hören, einen Raum zu durchqueren oder ein Tongefäß zu formen. Besonders gut ist das beim Sehen zu erkennen, denn das Auge sieht nur in einem kleinen Teilbereich unseres Gesichtsfelds wirklich scharf. Blitzschnelle Bewegungen der Augenmuskeln, die sogenannten Sakkaden, richten daher den Blick auf verschiedene Punkte, die interessant erscheinen. Das Gehirn setzt daraus ein geschlossenes Bild zusammen. Sakkaden treten drei- bis fünfmal in der Sekunde auf, viel schneller als unser Herzschlag. So richtet sich der Blick bei der Wahrnehmung eines Gesichts beispielsweise rasch hintereinander auf Augen, Nase, Mund, Kinn und Stirn, um die Puzzleteile zu liefern, aus denen das Gehirn das ganze Gesicht zusammenfügt.
Manchmal aber fokussieren wir uns ganz auf einen Punkt wie beim Einfädeln einer Nähnadel. Dazu bedarf es äußerster Konzentration der Augen auf das Nadelöhr. Man sollte meinen, dass der Blick bei solchen Gelegenheiten fest auf einen sehr kleinen Punkt im Raum gerichtet ist. Forscher aus der Arbeitsgruppe von Dr. Ziad Hafed (CIN) kamen aus der Analyse von Daten, die in Zusammenarbeit mit dem Team von Professor Peter Thier (HIH) erhoben worden waren, indes zu einem anderen Ergebnis: Statt alle Augenbewegungen zu unterdrücken, macht das Gehirn starken Gebrauch von kaum wahrnehmbar winzigen Augenbewegungen, die nur Bruchteile eines Grades messen. Hafed und sein Team fanden gar heraus, dass diese sogenannten Mikro-Sakkaden die Aufmerksamkeit auf Sinnesreize in der Umgebung lenken - ohne bewusst wahrgenommen zu werden. Das Gehirn ist sich jedoch der Umgebung bewusst. Die Forscher gehen davon aus, dass wir über diesen Mechanismus auch bei konzentriertem Blick auf alles reagieren können, was in unserem erweiterten Gesichtsfeld geschieht.
Anders als bei den normalen Sakkaden wird der Blick bei den Mikro-Augenbewegungen nicht auf einen neuen Gegenstand oder Teile davon gerichtet. Die Blickrichtung wird lediglich leicht nachjustiert, sodass der Effekt beinahe vernachlässigbar erscheint. Unmittelbar vor dem Einsetzen einer jeden Mikro-Sakkade wiesen Hafed und sein Team jedoch einen Anstieg von Nervenaktivität nach - ein Hinweis auf gesteigerte Aufmerksamkeit. Mikro-Augenbewegungen folgen einem erkennbaren, schnellen Rhythmus, und heben auch Punkte hervor, die vom Fokus des Blicks weit entfernt sind. Dieser Mechanismus erlaubt es unserem Gehirn, ein "Auge" auf die Umgebung zu haben, selbst wenn die eigentlichen Augen beschäftigt sind. So behalten wir unsere Umwelt im Blick, werden vor Gefahren gewarnt und können unsere aktive Wahrnehmung schnell auf alles richten, was geschieht.
Die Ergebnisse von Hafed und seinem Team könnten eine Tür zu künftigen technischen Anwendungen öffnen: Wenn beispielsweise das Benutzer-Interface eines Computers die Mikro-Sakkaden eines Anwenders per Kamera verfolgen könnte, wäre der Computer in der Lage vorherzuberechnen, wann das Gehirn für neue Reize besonders empfänglich ist. Ein derart "smartes" Benutzer-Interface könnte daher auf die Millisekunde genau optimieren, wann und wo visuelle Informationen eingeblendet werden sollten, um Benutzerfreundlichkeit und Arbeitseffizienz zu steigern.
NUR / physio.de
GehirnSehenStudie
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