Empfehlungen zur Neurologischen Rehabilitation von Patienten mit schweren und 
schwersten Hirnschädigungen in den Phasen B und C 
vom 2. November 1995

Vorwort

In der Rehabilitation von Patienten mit schweren und schwersten Hirnschädigungen bestehen in der Phase zwischen der Erstversorgung im Akutkrankenhaus und der umfassenden Therapie in der Rehabilitationsklinik erhebliche Versorgungslücken sowie Koordinierungsbedarf bei den beteiligten Rehabilitationsträgern und in diesem Zusammenhang auch Schnittstellenprobleme.

Voraussetzung für den Aufbau einer bedarfsdeckenden Versorgungsstruktur und die Festlegung der Leistungszuständigkeiten sind einheitliche Definitionen der Patientengruppen und des neurologischen Rehabilitationsprozesses.

Dementsprechend haben die Spitzenverbände der Krankenversicherung, Rentenversicherung und Unfallversicherung unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung und Beratung durch ärztliche Sachverständige diese Empfehlungen erarbeitet. Die Zuordnung der Phase B zur Krankenhausbehandlung und der Phase C zur stationären Behandlung in einer Rehabilitationseinrichtung bildet die Grundlage für die Bestimmung der Leistungszuständigkeiten und die Zuweisung der Strukturverantwortung für die Schaffung der erforderlichen Betten. Mit den Empfehlungen wird ein nahtloses Verfahren in der frührehabilitativen Phase der neurologischen Rehabilitation gewährleistet.

In einem weiteren Schritt werden auch für die anderen Phasen der neurologischen Rehabilitation entsprechende trägerübergreifende Empfehlungen erarbeitet.

Vorstand und Geschäftsführer danken allen an der Erarbeitung der Empfehlungen Beteiligten, insbesondere den Mitgliedern der „Arbeitsgruppe Neurologische Rehabilitation“ unter Vorsitz von Herrn Dr. F. Mehrhoff.

Geschäftsführer

B. Steinke - H. Kirsten

Vorbemerkungen

Der Grundsatz der frühzeitigen Einleitung der gebotenen Maßnahmen zur Rehabilitation bedeutet, daß Rehabilitation als Behandlungsauftrag bereits während der Akutbehandlung einsetzen muß. Wenn rehabilitative Bemühungen zu spät einsetzen, sind die Rehabilitationschancen häufig verschlechtert und der Rehabilitationsprozeß wird insgesamt verzögert.

Das Stufenkonzept der Rehabilitation, d. h. die sukzessive Steigerung der Anforderungen an den Patienten, begründet zugleich den Anspruch auf den frühestmöglichen Übergang von der Akutbehandlung in die Rehabilitation. Dies war und ist auch das Anliegen, das die beteiligten Trägergruppen mit dem Begriff Frührehabilitation verfolgt haben. Es hat sich jedoch gezeigt, daß dieser Begriff zu eng ist und dem unterschiedlichen Verlauf bzw. der Krankheitsentwicklung bei neurologischen Patienten nicht gerecht wird. Anstelle des Begriffs Frührehabilitation werden daher in den nachstehenden Empfehlungen für diesen Behandlungsabschnitt die Begriffe Phase B und Phase C verwendet.

Im Bereich der neurologischen Rehabilitation bestehen in der Phase zwischen der Erstversorgung im Akutkrankenhaus und der Behandlung in der Rehabilitationsklinik erhebliche Versorgungslücken*) sowie Koordinierungsbedarf bei den beteiligten Rehabilitationsträgern und in diesem Zusammenhang auch Schnittstellenprobleme.**)

Um für diesen Bereich eigene Rehabilitationskonzepte beschreiben und die Leistungszuständigkeiten festlegen zu können, werden einheitliche Definitionen des neurologischen Rehabilitationsprozesses sowie der Patientengruppen benötigt.

Die Spitzenverbände der Krankenversicherung, Rentenversicherung und Unfallversicherung haben daher auf der Ebene der BAR in Abstimmung mit Ländervertretern, den relevanten medizinischen Fachgesellschaften sowie mit ärztlichen Sachverständigen die nachstehenden Empfehlungen erarbeitet.

Grundlage dieser Empfehlungen bildet die „Phaseneinteilung in der neurologischen Rehabilitation“, die von der Arbeitsgruppe Neurologische Rehabilitation des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger erarbeitet wurde***) und folgende Einteilung trifft:

A) Akutbehandlungsphase

B) Behandlungs-/Rehabilitationsphase, in der noch

intensivmedizinische Behandlungsmöglichkeiten vorgehalten werden müssen

C) Behandlungs-/Rehabilitationsphase, in der die Patienten bereits in der Therapie mitarbeiten können, sie aber noch kurativmedizinisch und mit hohem pflegerischen Aufwand betreut werden müssen

D) Rehabilitationsphase nach Abschluß der Frühmobilisation (Medizinische Rehabilitation im bisherigen Sinne)

E) Behandlungs-/Rehabilitationsphase nach Abschluß einer intensiven medizinischen Rehabilitation – nachgehende Rehabilitationsleistungen und beruflicheRehabilitation

F) Behandlungs-/Rehabilitationsphase, in der dauerhaft unterstützende, betreuende und/oder zustandserhaltende Leistungen erforderlich sind.

Angesichts der oben angesprochenen Versorgungslücken haben sich die genannten Spitzenverbände zunächst auf Empfehlungen zur neurologischen Rehabilitation in den Phasen B und C verständigt. Die Empfehlungen werden um Vorgaben zur personellen und sachlichen Ausstattung der Einrichtungen in den Phasen B und C ergänzt.

Im Interesse eines nahtlosen Reha-Verfahrens sollten die Betten für die Phasen B, C und D möglichst in einer Einrichtung oder im unmittelbaren Verbund errichtet werden. Für die Betten der Phase B tragen die Länder, die Krankenversicherung und die Unfallversicherung, für die Betten der Phase C die Rentenversicherung, die Krankenversicherung und die Unfallversicherung die Strukturverantwortung.

Die Empfehlungen sollen die Grundlage bilden für den Aufbau einer bedarfsdeckenden Versorgungsstruktur als Voraussetzung für den rechtzeitigen Übergang aus der Akutbehandlung (Phase A) in die Behandlungs-/Rehabilitations-phasen B und C, auch zur Vermeidung der Fehlbelegung von Betten zur Akutbehandlung.

In einem weiteren Schritt werden auch für die übrigen in der Phaseneinteilung definierten Behandlungsphasen entsprechende Empfehlungen zur Koordinierung des Rehabilitationsverfahrens erarbeitet.

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*) Vgl. auch Vierter Bericht der Bundesregierung über die Lage der Behinderten und die Entwicklung der Rehabilitation, Ziffer 3.25 – Drucksache 13/9514

**) Im Zuständigkeitsbereich der Unfallversicherung bestehen die genannten Schnittstellenprobleme in diesem Umfang nicht, da sie Leistungsträger für alle Phasen der Behandlung und Rehabilitation ist.

***) Siehe hierzu Grafik, Anlage 1

1. Zielgruppen

Die weiteren Ausführungen beziehen sich auf die Behandlung von erwachsenen*) Patienten mit neurologischen Akutereignissen, insbesondere zerebralen Gefäßerkrankungen (v. a. Schlaganfall), Schädigungen durch akuten Sauerstoffmangel (hypoxische Hirnschädigungen, z. B. bei Herz-Kreislauf-Stillstand), traumatischen Ereignissen (Unfallfolgen), entzündlichen Prozessen (z. B. Encephalitis oder Polyradikulitis) oder Tumorerkrankungen des ZNS, die einer langfristig angelegten, intensiven medizinischen Behandlung/Rehabilitation bedürfen.

Für die daraus resultierenden Fähigkeitsstörungen und damit für die rehabilitativen Aufgaben ist die Ursache der zugrundeliegenden Schädigung weniger entscheidend. Vielmehr unterscheiden sich die neurologischen Ausfallsmuster und Funktionsstörungen vor allem nach dem betroffenen Areal und dem Ausmaß der Schädigung.

Die Patienten können unter Lähmungen, Sprachstörungen, Konzentrations-, Aufmerksamkeits-, Wahrnehmungs- und Gedächtnisstörungen bis hin zu psychopathologischen Veränderungen leiden. Das Ziel der neurologischen Rehabilitation bei diesen Patienten ist es, eine größtmögliche physische und psychische Unabhängigkeit zu erzielen und sie weitestgehend ins Alltagsleben und, so weit wie möglich, in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern.

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*) Für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen sind in den Empfehlungen Adaptationen notwendig, 
die in einem späteren Schritt beschrieben werden.

2. Einteilungsüberlegungen

Ausgehend von vorliegenden Ausarbeitungen sowie von den Stellungnahmen ärztlicher Sachverständiger der Arbeitsgemeinschaft Neurologisch-Neurochirurgische Frührehabilitation der Bundesarbeitsgemeinschaft medizinisch-beruflicher Rehabilitations- Zentren werden im folgenden die Behandlungs/-Rehabilitationsphasen B und C, die sich durch unterschiedliche Schwerpunktsetzungen und Aufgaben praktikabel voneinander abgrenzen lassen, aus rehabilitativer Sicht beschrieben.

Jede Bestimmung von Behandlungs-/Rehabilitationsphasen geschieht anhand mehrerer Kriterien. Da der Verlauf bzw. die Krankheitsentwicklung bei neurologischen Patienten jedoch nicht in allen relevanten Dimensionen gleichsinnig verläuft, wird man nicht in allen Fällen eine eindeutige Zuordnung treffen können und beträchtliche Überschneidungen akzeptieren müssen, bei denen im Einzelfall im Sinne des Patienten entschieden werden sollte.

Die Feststellung des funktionellen Zugewinns ist bislang nicht operationalisiert. Der Zugewinn bzw. die Stagnation sollte möglichst objektiv bzw. intersubjektiv anhand von überprüfbaren Kriterien erfaßt, beschrieben und dokumentiert werden, z. B. mit Hilfe von neurophysiologischen Parametern oder einer geeigneten Beurteilungsskala. Allerdings ist festzustellen, daß derzeit keine Skala existiert, die die funktionellen Aspekte der Patienten in diesen Phasen der Rehabilitation in ihrem ganzen Spektrum erfaßt.

Generell besteht in der Phase B und der Phase C das Problem, daß Patienten mit unterschiedlichen Krankheitsbildern und unterschiedlichen Funktionsstörungen behandelt werden, die von Patient zu Patient in unterschiedlicher Weise kombiniert sind und jeweils einen veränderlichen Schweregrad (von sehr schwer bis leicht) aufweisen. Für die Erfassung von Störungen des Bewußtseins, einer der wichtigsten Funktionen, wurde von der Arbeitsgemeinschaft Neurologisch-Neurochirurgische Frührehabilitation die Koma-Remissions-Skala (KRS) entwickelt. Sie eignet sich prinzipiell, die Patienten in der Phase B in differenzierter Weise hinsichtlich der Bewußtseinsstörungen zu erfassen, Veränderungen zu beschreiben und Verbesserungen bzw. eine Stagnation zu dokumentieren. Sie wird bereits in breitem Umfang erfolgreich eingesetzt.

Auf Grund dieser Situation wird empfohlen, neben der Verwendung der Koma-Remissions-Skala für den Aspekt der Bewußtseinsstörung zunächst die funktionellen Veränderungen (Fortschritt, Stagnation, Verschlechterung) frei formuliert zu beschreiben und im Einzelfall, falls notwendig, mit Video zu dokumentieren. In einer Übergangsphase sollten vorhandene Skalen überprüft und gegebenenfalls angepaßt werden. Wenn dies nicht möglich ist, sollte eine neue Skala speziell für die Phasen B und C zur Erfassung der funktionellen Aspekte entwickelt werden.

Für die Erfassung der Selbständigkeit in den Aktivitäten des täglichen Lebens und des Schweregrades der allgemeinen Abhängigkeit gibt es verschiedene Erhebungsinstrumente. Derzeit werden eine modifizierte Form der Barthel-Skala*) und der Funktionale Selbständigkeitsindex (Functional Independence Measure) – FIM)**erprobt. Mit ihrer Hilfe kann der kurativ-medizinische und rehabilitative Pflege- und Betreuungsaufwand für einen Patienten angegeben werden.

Um sicherzustellen, daß die weiterbehandelnden Einrichtungen die relevanten Befunde der zuweisenden Kliniken sowie die Rehabilitationsträger die wesentlichen Informationen für ihre Entscheidungen erhalten, wird die Entwicklung eines einheitlichen Befund- bzw. Dokumentationsbogens empfohlen, mit dessen Hilfe die beteiligten Kliniken in vergleichbarer Weise die entscheidenden Charakteristika des Patienten, seiner Funktionsstörungen und deren Verlauf erheben.

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*) Vgl. Der Frühreha-Barthelindex (FRB) eine frührehabilitationsorientierte Erweiterung des Barthelindex, Die Rehabilitation, 1995, Heft 2, Thieme Verlag Stuttgart, New York

**) Vgl. Messung des funktionalen Selbständigkeit in der Rehabilitation mit dem Funktionalen Selbständigkeitsindex (FIM), Die Rehabilitation 1995, Heft 1, Thieme Verlag Stuttgart, New York

3. Phaseneinteilung

3. 1 Phase B – Behandlungs-/Rehabilitationsphase, in der noch intensivmedizinische Behandlungsmöglichkeiten vorgehalten werden müssen

3.1.1 Patienten-Charakteristika (Eingangskriterien)

– bewußtlose bzw. qualitativ oder quantitativ schwer bewußtseinsgestörte Patienten (darunter auch solche mit einem sog. „apallischen Syndrom“) mit schwersten Hirnschädigungen als Folge von Schädelhirntraumen, zerebralen Durchblutungsstörungen, Hirnblutungen, Sauerstoffmangel (insbesondere mit Zustand nach Reanimation), Entzündungen, Tumoren, Vergiftungen, u.a.; neben der Bewußtseinsstörung können weitere schwerste Hirnfunktionsstörungen bestehen

– Patienten mit anderen schweren neurologischen Störungen (z. B. Locked-in, Guillain-Barré, hoher Querschnitt), die noch intensivbehandlungspflichtig sind

– bei den Patienten mit Schädelhirntrauma liegen häufig noch andere Verletzungen vor (polytraumatisierte Patienten)

– primäre Akutversorgung abgeschlossen

– aktuell keine operative Intervention (neurochirurgisch oder allgemein-/unfall-chirurgisch, orthopädisch) erforderlich

– keine Sepsis, keine floride Osteomyelitis

– intracranielle Druckverhältnisse stabil

– Herzkreislauf- und Atmungsfunktionen im Liegen stabil

– nicht mehr (kontrolliert) beatmungspflichtig*)

– nicht fähig zur kooperativen Mitarbeit

– vollständig von pflegerischer Hilfe abhängig

– in der Regel Sonden-Ernährung erforderlich

– in der Regel können Ausscheidungsfunktionen nicht kontrolliert werden

– u. U. erhebliche Selbst- und/oder Fremdgefährdung bei Dyskontrollsyndrom,Verwirrtheitszuständen oder anderen schweren psychischen Störungen

– bestehende Begleiterkrankungen dürfen eine Mobilisierung nicht verhindern.

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*) Ausnahmen hiervon sind möglich bei Patienten, die mental nicht eingeschränkt sind, deren Atemantrieb aber gestört ist. Für diese Patienten müssen Einzelfallösungen gefunden werden.

3.1.2 Behandlungs-/Rehabilitationsziele

– Besserung des Bewußtseinszustandes und Herstellen der Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit

– beginnende Mobilisierung

– Minderung des Ausmaßes von Schädigungen des ZNS und PNS

– Vermeidung sekundärer Komplikationen

– Klärung des Rehabilitationspotentials

– Planung und Einleitung der weiteren Versorgung.

3.1.3 Behandlungs-/Rehabilitationsaufgaben und -leistungen

Kurativmedizinische Aufgaben

  • Fortführung der in Phase A begonnenen kurativmedizinischen Maßnahmen (inklusive ggf. erforderlicher intensivmedizinischer Behandlung, außer kontrollierter Beatmung)

– medizinische Diagnostik der ZNS-/PNS-Schädigungen und ihrer Ursachen sowie der Grund- /Begleiterkrankungen und weiterer Verletzungen (ätiologische und Funktionsdiagnostik)
– kurativmedizinische Behandlung der neurologischen Schädigung sowie der Grund-/Begleiterkrankungen und weiterer Verletzungen (die Beherrschung lebensbedrohlicher und eventuell bei der Mobilisierung auftretender Komplikationen muß möglich sein)
– permanente Überwachung des Krankheitsverlaufs, insbesondere Neuro-Monitoring und Intensivpflege
  • Einleitung sekundärprophylaktischer Maßnahmen.

Rehabilitationsbezogene Aufgaben

  • Funktionsdiagnostik auf der Impairment- und Disability-Ebene*)

  • Erfassung der Rückbildungstendenzen bei Funktionsstörungen (rehabilitationsspezifische Verlaufsdiagnostik)

  • aktivierende Pflege und gezielte funktionelle Behandlung

– zur Verhinderung von Sekundärschäden im Bereich der Bewegungsorgane

– Förderung von Motorik und Sensorik

– kontrolliert stimulierende Behandlung mit dem Ziel der Kontaktaufnahme über verschiedene sensorische Zugänge, Kommunikations-/Interaktions-behandlung und Sprachtherapie

– orofaciale Therapie (Kau-, Schluck- und Eßtraining) und Sprechtherapie

– Selbständigkeitstraining (auf basaler Ebene)

  • Beratung, Anleitung und Betreuung von Angehörigen

  • Klärung der Notwendigkeit und Einleitung von weiterführenden Rehabilitationsleistungen (aufgrund systematischer Verlaufsbeobachtung).

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*) Vgl. ICIDH International Classification of Impairments, Disabilities and Handicaps, Ullstein Mosby Verlag, Berlin/Wiesbaden 1995

3.1.4 Therapiedichte

– Intensivpflege/-überwachung unter Einschluß von vier bis sechs Stunden Rehabilitationspflege (hier als aktivierende Pflege) täglich

– mehrfach täglich Visite

– Funktionstherapie insgesamt mehrere Stunden am Tag, häufig durch mehrere Therapeuten gleichzeitig.

3.1.5 Behandlungs-/Rehabilitationszeitraum

– in der Regel bis zu sechs Monaten, bei besonderer medizinischer Indikation und Prognose auch länger; wenn bei ungestörtem Therapieverlauf über mindestens acht Wochen kein funktioneller Zugewinn feststellbar ist, ist die Beendigung der Phase B angezeigt. Im begründeten Einzelfall kann die Behandlung auch über einen längeren Zeitraum unter Berücksichtigung der bisherigen Behandlungsdauer fortgesetzt werden. Bei Kindern kann ein wesentlich längerer Zeitraum als acht Wochen erforderlich sein.
– bei Patienten mit unterbrochenen Behandlungszeiträumen (z. B. bei der Wiederaufnahme aus dem Pflegebereich) wird in der Regel von einer achtwöchigen Beobachtungsphase zur Klärung des Rehabilitationspotentials ausgegangen.

3.1.6 Anschließende Behandlungs-/Rehabilitationsphase

– je nach Verlauf entweder Phase C oder zustandserhaltende Dauerpflege (F)
– ggf. Intervallbehandlung, d. h. nach Zwischenaufenthalt zu Hause Wiederaufnahme in Phase B oder C.

3.1.7 Leistungsrechtliche Zuordnung

Die Phase B ist leistungsrechtlich der Krankenhausbehandlung gem. § 39 SGB V bzw. der stationären Behandlung in einem Krankenhaus gem. § 559 RVO zuzuordnen. Die Zuständigkeit der Rehabilitationsträger richtet sich im Einzelfall nach den für sie geltenden gesetzlichen Vorschriften.

3.2 Phase C – Behandlungs-/Rehabilitationsphase, in der die Patienten bereits in der Therapie mitarbeiten können, sie aber noch kurativmedizinisch und mit hohem pflegerischen Aufwand betreut werden müssen

3.2.1 Patienten-Charakteristika (Eingangskriterien)*)

– Patient ist überwiegend bewußtseinsklar, kommt einfachen Aufforderungen nach, seine Handlungsfähigkeit reicht aus, um an mehreren Therapiemaßnahmen täglich von je etwa 30 Minuten Dauer aktiv mitzuarbeiten

– Patient ist kommunikations- und interaktionsfähig (ggf. unter Verwendung von Hilfsmitteln)

– Patient ist teilmobilisiert (z. B. längere Zeit kontinuierlich zwei bis vier Stunden im Rollstuhl verbringend)

– für alltägliche Verrichtungen weitgehend auf pflegerische Hilfe angewiesen

– bedarf keiner intensivmedizinischen Überwachung/Therapie, da praktisch keine Gefahr für lebensbedrohliche Komplikationen mehr besteht (vital-vege-tative Stabilität)

– nicht mehr beatmungspflichtig

– bestehende Begleiterkrankungen dürfen eine Mobilisierung nicht verhindern

– keine konkrete Selbst- und Fremdgefährdung (z. B. durch Weglauftendenz, aggressive Durchbrüche) und keine schweren Störungen des Sozialverhaltens. Kleingruppenfähigkeit (drei bis fünf Patienten) muß vorliegen und darf nicht durch schwere Verhaltensstörungen gefährdet werden. Diese sollten nicht nur kurzfristig beeinflußbar sein.

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*) Die Eingangskriterien der Phase C stellen gleichzeitig die Ausgangskriterien der Phase B dar. Ergibt sich bei der individuellen Bewertung unter Verwendung von Bewertungsinstrumenten und der Bewertung nach den Eingangskriterien eine Diskrepanz, ist die Bewertung nach den Eingangskriterien maßgebend.

3.2.2 Behandlungs-/Rehabilitationsziele

– Selbständigkeit bei den Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL)

– Wiederherstellung grundlegender Funktionen des Nervensystems: Antrieb, Affekt, Motivation, Orientierung, einfache Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistungen, Kommunikation, sensomotorische und koordinative Funktionen bis hin zur vollen Handlungsfähigkeit

– Klärung des Rehabilitationspotentials und der Langzeitperspektive

– Festlegung eines Langzeit-Therapieplans

– Planung und Einleitung der weiteren Versorgung.

3.2.3 Behandlungs-/Rehabilitationsaufgaben und -leistungen

Kurativmedizinische Aufgaben

– definitive Diagnosestellung und therapeutische Versorgung der Grund- und Begleitkrankheiten, soweit sie bisher noch nicht erfolgt ist und/oder fortgeführt werden muß

– allgemeine und spezielle Pflege (keine Intensivpflege)

– engmaschige Überwachung des Krankheitsverlaufs

– Einleitung sekundärprophylaktischer Maßnahmen.

Rehabilitationsbezogene Aufgaben

  • Funktionsdiagnostik auf der Ebene der Impairments, Disabilities und Handicaps, soweit noch nicht erfolgt, sowie eine rehabilitationsspezifische Verlaufsdiagnostik

  • aktivierende Rehabilitationspflege und gezielte funktionelle Behandlung

– zur Verhinderung von Sekundärschäden

– sensorischer und motorischer Funktionsdefizite sowie von koordinativen und autonomen Störungen (Kontinenztraining),

– orofaciale Therapie (Kau-, Schluck- und Eßtraining) und Sprechtherapie 

– Kommunikations-/Interaktionsbehandlung und Sprachtherapie

– Selbständigkeitstraining (Antrieb, Affekt, Orientierung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Kommunikation etc. bis hin zur vollen Handlungsfähigkeit)

  • weitere Förderung der Mobilität (Ziel: Selbständiges Gehen oder selbständige Fortbewegung im Rollstuhl)

  • Verordnung und ggf. Anpassung von Hilfsmitteln für den privaten Bereich

  • Unterstützung bei der Krankheitsverarbeitung

  • Beratung, Anleitung und Betreuung von Angehörigen

  • Klärung der Notwendigkeit und Einleitung von weiterführenden Rehabilitationsleistungen auf der Basis einer Rehabilitationsprognose

  • ggf. Erstellen einer ersten Rehabilitationsprognose bezüglich der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben.

3.2.4 Therapiedichte

– tägliche ärztliche Visite

– rehabilitationsbezogener Therapie-Aufwand etwa wie in Phase B

– überwiegend Einzeltherapie (allerdings auch in Kleingruppen), ggf. durch Therapeuten verschiedener Disziplinen gleichzeitig oder durch Therapeut und Pflegekraft

– Rehabilitationspflege vier bis fünf Stunden täglich (über 24 Stunden verteilt) unter Einschluß von allgemeiner und spezieller Pflege.

3.2.5 Behandlungs-/Rehabilitationszeitraum

– in der Regel achtwöchige Beobachtungsphase zur Klärung des Rehabilitationspotentials
– bis zu sechs Monaten, bei besonderer medizinischer Indikation und günstiger Prognose auch länger
– Abbruch der Phase C, wenn über mindestens acht Wochen kein funktioneller Zugewinn feststellbar ist. Im begründeten Einzelfall kann die Behandlung auch über einen längeren Zeitraum unter Berücksichtigung der bisherigen Behandlungsdauer fortgesetzt werden. Bei Kindern kann ein wesentlich längerer Zeitraum als acht Wochen erforderlich sein.

Für die Kostenbewilligung gelten die „Empfehlungen zur kriterienbezogenen Dauer der Kostenbewilligung bei stationären Rehabilitationsmaßnahmen von Patienten mit schweren und schwersten neurologischen Erkrankungen in der Phase C vom 9. November 1998“, s. Anlage 2

3.2.6 Ausgangskriterien (Patienten-Charakteristiken) der Phase C*)

– Selbständigkeit bei den Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL), insbesondere im Bereich der Selbstversorgung, wie Waschen, Anziehen, Toilettenbenutzung, Essen und Mobilität

– spezielle Pflege-Aufgaben noch erforderlich

– alltags- und berufsrelevante mentale Störungen (insbesondere kognitive Defizite) stehen oft im Vordergrund

– durchgängige Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft, Handlungs- und Lernfähigkeit.

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*) Die Ausgangskriterien der Phase C stellen gleichzeitig die Eingangskriterien der Phase D dar.

3.2.7 Anschließende Behandlung-/Rehabilitationsphase

– je nach Verlauf und weiteren Behandlungserfordernissen entweder Phase D (ggf. in teilstationärer Form), E oder F

– ggf. Intervallbehandlung, d. h. nach Zwischenaufenthalt zu Hause erneut Phase C oder D.

3.2.8 Leistungsrechtliche Zuordnung

Die Phase C ist leistungsrechtlich der stationären Behandlung in einer Rehabilitationseinrichtung gem. §§ 40 Abs. 2 SGB V, 15 SGB VI bzw. § 559 RVO zuzuordnen. Die Zuständigkeit der Rehabilitationsträger richtet sich im Einzelfall nach den für sie geltenden gesetzlichen Vorschriften.

Zu beachten ist der „Anwendungshinweis zur leistungsrechtlichen Zuordnung der Phase C“ und das dazugehörige „Neurologische Reha-Assessment und Hinweise zur Prognoseeinschätzung in der Phase C vom 22. Juni 1998“, s. Anlage 3.