Rahmenempfehlungen zur ambulanten onkologischen Rehabilitation vom 22. Januar 2004

 

Inhaltsverzeichnis

1. Allgemeines 

2. Indikationsstellung / Medizinische Voraussetzungen

2.1 Vorbedingung / Diagnosen 

2.2 Anforderungen an die medizinische Diagnostik vor Einleitung der Rehabilitation 

2.3 Körperfunktionen und Körperstrukturen

2.4 Aktivitäten

2.5 Teilhabe

2.6 Kontextfaktoren 

2.7 Individuelle Voraussetzungen

3. Rehabilitationsziele

3.1 Rehabilitationsziele bezogen auf Körperfunktionen und Körperstrukturen 

3.2 Rehabilitationsziele bezogen auf Aktivitäten 

3.3 Rehabilitationsziele bezogen auf Teilhabe 

3.4 Rehabilitationsziele bezogen auf Kontextfaktoren

4. Behandlungsfrequenz und Rehabilitationsdauer

5. Ausschlusskriterien 

6. Anforderungen an die ambulante Rehabilitationseinrichtung 

6.1 Rehabilitationskonzept 

6.2 Ärztliche Leitung und Verantwortung

6.3 Ärztliche Aufgaben 

6.4 Rehabilitationsdiagnostik

6.5 Rehabilitationsplan 

6.6 Behandlungselemente

7. Personelle Ausstattung 

7.1 Rehabilitationsteam und Qualifikation 

7.2 Personalbemessung

8. Räumliche Ausstattung 

9. Apparative Ausstattung 

10. Verlängerungskriterien

11. Beendigung der Maßnahme


1. Allgemeines

Ambulante Leistungen zur onkologischen Rehabilitation sind dadurch gekennzeichnet, dass durch die Nähe zum Wohnort flexibler auf die Bedürfnisse des Rehabilitanden eingegangen werden kann. Bezugspersonen, behandelnde Ärzte oder Probleme am Arbeitsplatz können in das Rehabilitationskonzept einbezogen und Selbsthilfeaktivitäten vor Ort genutzt werden. An die ambulanten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sind inhaltlich und konzeptionell die gleichen qualitativen Anforderungen zu stellen wie an die Leistungen der stationären onkologischen Rehabilitation. Ambulante Leistungen werden von Rehabilitationskliniken oder Rehabilitationszentren erbracht.

Die ambulante onkologische Rehabilitation verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, wobei somatische, psychische, soziale und berufliche Hilfen je nach individueller Bedürftigkeit gewichtet und durchgeführt werden. Sowohl kurativ behandelte tumorfreie als auch Rehabilitanden mit noch vorhandener Tumoraktivität können bei bestehenden Beeinträchtigungen der Aktivitäten und der Teilhabe rehabilitativer Maßnahmen bedürfen.

Am Beginn der ambulanten onkologischen Rehabilitation steht grundsätzlich eine funktionsorientierte Diagnostik, auf deren Grundlage die Rehabilitationsziele und die Effektivitätsparameter (Ergebnisqualität) bestimmt werden und die Planung sowie die Durchführung der Rehabilitation erfolgt. Die hierfür notwendigen Strukturen (Strukturqualität) sind in Abhängigkeit der notwendigen Maßnahmen (Prozessqualität) zur Verfügung zu stellen.

2. Indikationsstellung / Medizinische Voraussetzungen

Die ambulante onkologische Rehabilitation ist indiziert, wenn

− als Folge der malignen Erkrankung und/oder der Therapie Beeinträchtigungen der Teilhabe drohen bzw. bereits manifest sind 

− Rehabilitationsfähigkeit besteht 

− eine positive Rehabilitationsprognose gestellt werden kann 

− die individuellen Voraussetzungen erfüllt sind.

Die vorstehenden Begriffe sind im Allgemeinen Teil definiert.

Die Eigenheit der onkologischen Erkrankung erfordert es, der Rehabilitationsfähigkeit besondere Bedeutung beizumessen. Der Rehabilitand muss belastbar, motiviert und aufgrund seiner psychischen und geistigen Fähigkeiten in der Lage sein, aktiv am Rehabilitationsprozess teilzunehmen. Therapieelemente, die möglichst frühzeitig die Rehabilitationsfähigkeit herstellen, sind während der kurativen Phasen einzubeziehen. Die Primärtherapie muss abgeschlossen sein.

Die sozialmedizinische Indikationsstellung für eine ambulante onkologische Rehabilitation hat also nicht allein eine onkologische Diagnose zur Voraussetzung, sondern ergibt sich erst aus der zusammenfassenden Analyse und Bewertung der unter Ziffer 2.3 bis 2.6 beschriebenen Schädigungen, Beeinträchtigungen der Aktivitäten und Beeinträchtigungen der Teilhabe unter Berücksichtigung der Kontextfaktoren.

2.1 Vorbedingung / Diagnosen

Vorbedingung für die ambulante onkologische Rehabilitation ist das Vorliegen mindestens einer malignen Geschwulst- oder Systemerkrankung, z.B.

− der Lippe, der Mundhöhle und des Pharynx 

− der Verdauungsorgane 

− der Atmungsorgane und sonstiger intrathorakaler Organe 

− des Knochens und des Gelenkknorpels 

− ein Melanom oder sonstige Neubildungen der Haut 

− des mesothelialen Gewebes und des Weichteilgewebes − der Brustdrüse − der weiblichen Genitalorgane 

− der männlichen Genitalorgane 

− der Harnorgane 

− des Auges, des Gehirns und sonstiger Teile des Zentralnervensystems 

− der Schilddrüse und sonstiger endokriner Drüsen − Tumoren ungenau bezeichneter, sekundärer und nicht näher bezeichneter Lokalisationen 

− des blutbildenden und lymphatischen Systems 

− von Primärtumoren an mehreren Lokalisationen.

Hat eine operative Therapie oder Strahlentherapie stattgefunden, so muss die Behandlung abgeschlossen sein.

Adjuvante und/oder additive Therapien, wozu neben Immuntherapie auch Chemotherapien gehören, können die Rehabilitation begleiten. Wird durch sie allerdings die Durchführung einer Rehabilitationsleistung in ihrer Effektivität beeinträchtigt, ist die Rehabilitation zeitlich zu verschieben, da zu diesem Zeitpunkt keine Rehabilitationsfähigkeit besteht.

2.2 Anforderungen an die medizinische Diagnostik vor Einleitung der Rehabilitation

Vor Beginn der Rehabilitation sollte die onkologische Diagnostik einschließlich des Rezidivausschlusses, des Stagings und der Tumoraktivität abgeschlossen sein; ebenso sollte eine adäquate Diagnostik der Begleiterkrankungen erfolgt sein. Es müssen jedoch grundsätzlich die Voraussetzungen zur Durchführung einer Diagnostik vorhanden sein, um auch im Verlauf des Rehabilitationsverfahrens bei Bedarf zeitnah eine diagnostische Abklärung herbeizuführen. Dies kann im ambulanten Bereich bevorzugt durch ein Kooperationsnetz verschiedener Fachdisziplinen erfolgen.

Der Arzt in der ambulanten Rehabilitationseinrichtung muss über die Ergebnisse der Voruntersuchungen informiert sein. Er muss auch wissen, ob und wieweit der Rehabilitand über sein Tumor-leiden und die sich daraus ergebenden Konsequenzen aufgeklärt ist.

Neben der klinischen Untersuchung sollten je nach Tumoraktivität und Ausmaß der Schädigungen alle erforderlichen Untersuchungen in den letzten drei Monaten durchgeführt sein und deren Ergebnisse sowie Befunde der Rehabilitationseinrichtung schriftlich vorliegen.

2.3 Körperfunktionen und Körperstrukturen

Je nach onkologischer Erkrankung, nach befallenem Organ und nach durchgeführter Tumortherapie ist mit unterschiedlichen Schädigungen zu rechnen. Diese können auch zeitlich verzögert noch lange nach Abschluss der Therapie auftreten. Da sowohl Rehabilitanden ohne als auch mit Tumoraktivität rehabilitationsbedürftig sein können, sind sowohl tumorbedingte als auch therapiebedingte Schädigungen zu berücksichtigen.

Bei den Auswirkungen des Tumorleidens stehen auf somatischer Ebene häufig Schmerzen und spezielle Ernäherungsprobleme im Vordergrund, auf psychischer Ebene Probleme der Krankheitsbewältigung, Angst und Depression und auf sozialer Ebene berufliche Integrationsprobleme und das Risiko der Pflegebedürftigkeit. Die therapiebedingten Auswirkungen können sehr unterschiedlich ausgeprägt sein, je nach durchgeführter Operation, Strahlen-, Chemo-, Hormon- oder Immuntherapie.

Bei Rehabilitanden mit

− gastrointestinalem Tumor (Oesophaguskarzinom, Magenkarzinom, Pankreaskarzinom, Colon- und Rektumkarzinom) sind es vorrangig die Passagestörungen mit ihren Auswirkungen auf die Ernährung und körperliche Leistungsfähigkeit

− gynäkologischem Tumor (Mammakarzinom, Ovarialkarzinom, Tubenkarzinom, Endometriumkarzinom, Zervixkarzinom, Vaginalkarzinom, Vulvakarzinom) sind es neben den operationsbedingten Schädigungen wie Lymphödem und Einschränkungen der Schulter-Arm-Beweglichkeit, die Störungen der Sexualfunktionen und der Psyche

− Bronchialkarzinom stehen die Schädigungen mit Einschränkung der Lungenfunktion und die Angst vor allem vor Luftnot und Erstickung im Vordergrund

− hämatoonkologischer Systemerkrankung (akute und chronische Leukämie, malignes Lymphom) sind es häufig die Störungen des Immunsystems

− urogenitalem Tumor (Prostatakarzinom, Blasenkarzinom, Hodenkarzinom) sind es häufig die Auswirkungen der Therapie auf die Sexualfunktion und die Kontinenz.

2.4 Aktivitäten

Die durch die onkologische Erkrankung bzw. Therapie bedingten Schädigungen führen häufig zu nachfolgenden Beeinträchtigungen der Aktivitäten, insbesondere

− im Bereich der Fortbewegung, Beweglichkeit (z.B. Gehen, Treppensteigen, Bergangehen, schnelles Laufen)

− im Bereich der körperlichen Belastbarkeit (z.B. Arbeitsbelastung, Ausdauer, Haushaltsversorgung, Selbstversorgung, Tragen von Gegenständen)

− im Bereich Verhalten und Kommunikation (z.B. Familie, Beruf, Freizeit)

− in der Ausübung der Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL): Waschen, An-/Ausziehen, Körperpflege, Haushaltsführung, Einkauf, Nahrungszubereitung, Ernährung, Toilettenbenutzung u.a.

− in den Krankheitsbewältigungs- bzw. Kompensationsstrategien (z.B. durch erzwungene Immobilität, schmerzbedingte Störungen des Antriebs, der Emotion, rasche Ermüdbarkeit somatischer und psychischer Kräfte, Probleme in der Akzeptanz der Erkrankung und/oder der therapiebedingten Ausfälle, Probleme im selbstständigen und sachgerechten Umgang mit Hilfsmitteln).

2.5 Teilhabe

Beeinträchtigungen der Teilhabe können aus den Schädigungen und den Beeinträchtigungen der Aktivitäten resultieren:

− im Bereich der physischen/psychischen/sozialen/beruflichen Unabhängigkeit 

− im Bereich zwischenmenschlicher Beziehungen 

− in der Mobilität 

− in der wirtschaftlichen Eigenständigkeit 

− in der sozialen Integration/Reintegration 

− in der Orientierung 

− in der Beschäftigung (z.B. Schulbesuch, Arbeits- oder Erwerbsfähigkeit, Haushaltsführung, Freizeitaktivitäten) 

− in der sozialen Interaktion z.B. durch Störungen der Sprach- bzw. Schluckfunktionen bei Tumoren im Kopf-/Halsbereich (Nasopharynx, Hypopharynx- und Larynxkarzinome).

2.6 Kontextfaktoren

Kontextfaktoren stellen den gesamten Lebenshintergrund einer Person dar. Sie umfassen alle Umweltfaktoren und personbezogene Faktoren, die für die Gesundheit einer Person von Bedeutung sind. Die Kontextfaktoren stehen in Wechselwirkung mit allen Komponenten der ICF (Körperfunktionen und Körperstrukturen, Aktivitäten und Teilhabe).

Umweltfaktoren beziehen sich auf die materielle, soziale und einstellungsbezogene Umwelt, in der die Menschen ihr Leben gestalten.

Personbezogene Faktoren sind die Attribute oder Eigenschaften der Person, z.B. Alter, Geschlecht, Bildung und Ausbildung, Erfahrung, Persönlichkeit und Charakter, andere Gesundheitsprobleme, Fitness, Lebensstil, Gewohnheiten, Erziehung, Bewältigungsstile, Beruf sowie vergangene oder gegenwärtige Erlebnisse. Personbezogene Faktoren sind nicht in der ICF klassifiziert.

Kontextfaktoren können einen positiven, fördernden Einfluss (Förderfaktoren) auf alle Komponenten der funktionalen Gesundheit und somit auf den Rehabilitationsverlauf haben. Daher gilt es, diese möglichst früh zu erkennen und ihre rehabilitationsfördernde Wirkung zu nutzen (Ressourcenkonzept der Rehabilitation).

Kontextfaktoren können auch einen negativen, hemmenden Einfluss (Barrieren) auf die Komponenten der funktionalen Gesundheit haben. Einige solcher negativ wirkenden Kontextfaktoren bedeuten sogar Gesundheits- bzw. Krankheitsrisiken, wobei die Wirkungsmechanismen nicht immer hinreichend geklärt sind.

Im Rahmen der negativ wirkenden Kontextfaktoren ist das etablierte Risikofaktorenkonzept der Rehabilitationsmedizin (z.B. Übergewicht, Rauchen, Alkohol) zu beachten.

Positiv und negativ wirkende Kontextfaktoren sind deshalb bei der Indikationsstellung für ambulante medizinische Rehabilitation, bei deren Durchführung und bei der sozialmedizinischen Beurteilung zu berücksichtigen. Auf diese Weise werden die individuelle Lebenssituation und der Bewältigungsstil des Rehabilitanden sowie die Einflussmöglichkeiten auf das soziale Netzwerk und die sozialen Unterstützungsformen (Social support) einbezogen.

Das berufliche Umfeld ist nicht nur aus Gründen der körperlichen und psychischen Leistungsfähigkeit zu beachten, sondern auch wegen berufsbedingter kanzerogener Expositionsfaktoren.

Grundlage für die Beurteilung berufsbedingter Tumoren bildet die Berufskrankheitenverordnung.

Die nachfolgende Tabelle stellt lediglich einen Auszug aus der Liste der Berufskrankheiten dar.

Arbeitsstoff Tumorlokalisation Gewerbezweig/ Tätigkeitsbereich Listen-Nr.
Chrom Lunge, Nasenhöhle, Na- Chromatherstellung 1103
sennebenhöhle
Arsen Lunge, Haut Land- und Forstwirtschaft 1108
Aromatiche Harnblase Farb- und Anilinherstellung 1301
Amine
Benzol Leukämie Gummi-Industrie 1303
Asbest Lunge, Kehlkopf, Mesotheliom des Rippenfells, des Bauchfells, des Asbestgewinnung und – verarbeitung 4104/4105
Herzbeutels
Nickel Lunge, Nasenhöhle, Nasennebenhöhle Akkumulatorenherstellung 4109
Buchen- und Eichenholzstäube Nasenhöhle, Nasennebenhöhle Holzbearbeitung und Holzverarbeitung 4203

Die Relevanz von Kontextfaktoren bei onkologischen Erkrankungen ist unterschiedlich je nach onkologischer Erkrankung und durchgeführter Therapie. Beispielhaft seien die relevanten Kontextfaktoren für die häufigsten onkologischen Erkrankungen genannt:

− Polymorbidität oder Vorliegen weiterer Behinderungen 

− psychosozialer Faktoren (z.B. Stress) 

− soziale Einbindung (Beruf, soziale Sicherung, Familienmitglieder, Freunde, Bekannte, Selbsthilfegruppen) 

− soziale Akzeptanz (im beruflichen und privaten Bereich, insbesondere bei Rehabilitation oder

beruflicher Wiedereingliederung trotz Stoma) 

− soziale Einrichtungen (z.B. System der sozialen Sicherung) 

− Wohnverhältnisse (z.B. welche Etage, Aufzug vorhanden, getrennte Schlafräume, Größe/Trennung von Bad und Toilette), besonders bei Rehabilitanden mit Bronchialkarzinom, hämatologischen Systemerkrankungen, Rektumkarzinom mit künstlichem Darmausgang 

− Begleiterscheinungen (z.B. Silikose, COPD, Emphysem, bei Bronchialkarzinom) 

− Witterungsverhältnisse (z.B. Einwirkung von Kälte, Nässe, Zugluft sowie Luftverunreinigung, besonders bei Patienten mit Bronchialkarzinom, hämatoonkologischen Systemerkrankungen und Prostatakarzinom) 

− Sexualität bei urologischen Tumorpatienten, Patientinnen mit gynäkologischem Tumor und/oder Mammakarzinom, Rektumkarzinompatienten.

2.7 Individuelle Voraussetzungen

Neben den medizinischen Voraussetzungen muss der Rehabilitand für eine ambulante Rehabilitation 

− über die zur Inanspruchnahme der Rehabilitation erforderliche Mobilität und physische und psychische Belastbarkeit verfügen und 

− die ambulante Rehabilitationseinrichtung in einer zumutbaren Fahrzeit erreichen können.

Die häusliche Versorgung des Rehabilitanden sowie seine sonstige medizinische Versorgung müssen sichergestellt sein.

3. Rehabilitationsziele Ziele der medizinischen Rehabilitation sind, die drohenden oder bereits manifesten Beeinträchtigungen der Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gesellschaft durch frühzeitige Einleitung der gebotenen Rehabilitationsmaßnahmen abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Der Rehabilitand soll durch die Rehabilitation (wieder) befähigt werden, eine Erwerbstätigkeit und/oder bestimmte Aktivitäten des täglichen Lebens möglichst in der Art und in dem Ausmaß auszuüben, die für diesen Menschen als „normal“ (für seinen persönlichen Lebenskontext typisch) erachtet werden.

Ziele in diesem Sinne sind z.B.

− Wiederherstellung und Erhaltung der Erwerbsfähigkeit 

− Planung und Einleitung weiterer Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben (z.B. Arbeitsplatzanpassung, Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes) 

− Kompensation (Ersatzstrategien) bei Organverlust 

− Adaptation / Krankheitsverarbeitung 

− Sicherung der Nachsorge.

3.1 Rehabilitationsziele bezogen auf Körperfunktionen und Körperstrukturen

Ziele sind die Abwendung, Beseitigung, Minderung, Verhütung der Verschlimmerung oder Milderung der Folgen von Schädigungen bei onkologischen Erkrankungen wie unter Ziffer 2.3 beschrieben.

3.2 Rehabilitationsziele bezogen auf Aktivitäten

Ziele sind die Abwendung, Beseitigung, Minderung, Verhütung der Verschlimmerung oder Milderung der Folgen einer Zunahme der unter Ziffer 2.4 genannten Beeinträchtigungen der Aktivitäten wie

− Verbesserung / Erhalt der Selbstständigkeit, Selbstversorgung 

− Verbesserung der Fortbewegung / Beweglichkeit (z.B. Treppen steigen) 

− Verbesserung der Ausdauer 

− Vermeidung / Beseitigung / Verminderung von Beeinträchtigungen der Aktivitäten des täglichen Lebens 

− Verbesserung des sachgerechten Umgangs mit Hilfsmitteln 

− Optimierung der Krankheitsbewältigung (Coping) 

− Verbesserung der Fähigkeit zur Freizeitgestaltung / zu sportlichen Aktivitäten.

3.3 Rehabilitationsziele bezogen auf Teilhabe

Ziele sind, drohende oder bereits manifeste Beeinträchtigungen der Teilhabe abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, deren Zunahme zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern, wie unter Ziffer 2.5 beschrieben, z.B. eine Verbesserung der: 

− Teilhabe in bedeutenden Lebensbereichen z.B.

- im Bereich von Arbeit und Beschäftigung

- im Bereich der Selbstversorgung

- im Bereich des häuslichen Lebens (z.B. Haushaltsführung)

- im Bereich des sozialen Lebens (z.B. Freizeitaktivitäten) 

− sozialen Integration / Reintegration (z.B. im Bereich Erwerbsleben) 

− sozialen Kompetenz 

− physischen Unabhängigkeit 

− psychischen Unabhängigkeit 

− Mobilität.

Bezugspersonen sind nach Möglichkeit einzubeziehen, sofern dies zur Erreichung der Rehabilitationsziele erforderlich ist.

3.4 Rehabilitationsziele bezogen auf Kontextfaktoren

Art und Ausmaß der funktionalen Problematik1 können durch Kontextfaktoren (Umweltfaktoren und personbezogene Faktoren) verstärkt oder vermindert werden, so dass diese bei der Bestimmung der Rehabilitationsziele zu berücksichtigen sind. Hierzu können u.a. Arbeitsplatzbegehungen, Wohnraumbesichtigungen und Gespräche mit dem Arbeitgeber bzw. den Bezugspersonen erforderlich sein, mit dem Ziel, die Umweltbedingungen an verbleibende Beeinträchtigungen der Aktivitäten des Rehabilitanden anzupassen (Adaptation), z.B. durch:

− Planung und Einleitung weiterer Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben (z.B. Arbeitsplatzanpassung, Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes) 

− Planung und Einleitung berufsfördernder Maßnahmen, Umschulungen, Rentenantragstellung 

− Anleitung zur gesundheitsbewussten Ernähung und Motivation zur Lebensstiländerung, einschließlich Abbau von Risikoverhalten 

− Anleitung zur Verminderung bzw. Beseitigung von Bewegungsmangel − Anleitung zu Stressabbau / Stressbewältigung 

− Hilfe bei der Findung von Bewältigungsstrategien 

− Gestaltung der häuslichen Umgebung 

− Einleitung und Anpassung an Sport- und Freizeitaktivitäten.

Es ist auch Aufgabe der Rehabilitation, somatische und psychische Auswirkungen der onkologischen Erkrankung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Der Rehabilitand ist anzuleiten, mit Krankheitsauswirkungen zu leben (Coping) und negativ wirkende Kontextfaktoren zu vermeiden, zu beseitigen bzw. deren Wirkungen zu vermindern.

Rehabilitationsziele in diesem Sinne sind:

− Verbesserung des Informationsstandes über die Krankheit

− Entwicklung von Strategien zum Abbau von Risikoverhalten (z.B. Rauchen, Alkoholmissbrauch, Fehlernährung, Bewegungsmangel, inadäquates Freizeitverhalten, körperliche und psychische Überforderung) 

− Erlernen und Anwendung von Entspannungstechniken 

− Schulung der Körperwahrnehmung.

__________________________
1
Die funktionale Problematik kennzeichnet den aktuellen Status der funktionalen Befunde und Symptome 
auf den Ebenen der Körperfunktionen und Körperstrukturen, der Aktivitäten und der Teilhabe.

4. Behandlungsfrequenz und Rehabilitationsdauer

Je nach Art der Tumorerkrankung, Schweregrad der Schädigungen, Beeinträchtigungen der Aktivitäten sowie der Teilhabe und den sich daraus ergebenden Rehabilitationszielen gestalten sich die individuell erforderliche Rehabilitationsdauer und Therapiedichte. In der Regel ist eine Therapiezeit von täglich mindestens vier bis maximal sechs Stunden an fünf bis sechs Tagen in der Woche einzuhalten. Auf die individuelle Belastbarkeit des Rehabilitanden ist dabei Rücksicht zu nehmen.

Unter dem Gesichtspunkt einer Flexibilisierung des zeitlichen Ablaufs der ambulanten onkologischen Rehabilitation bei gleichwertigem Rehabilitationsprogramm können die unterschiedlichen Rehabilitationskomponenten zum Erreichen des Rehabilitationszieles ggf. über einen längeren Zeitraum gestreckt erbracht werden.

5. Ausschlusskriterien

Es gelten die in Ziffer 8 Allgemeiner Teil festgelegten Ausschlusskriterien.

Grundsätzliche Vorausbedingungen für eine ambulante onkologische Rehabilitationsmaßnahme ist eine onkologische Erkrankung wie unter Ziffer 2.1 ausgeführt und das Vorliegen von Rehabilitationsbedürftigkeit, Rehabilitationsfähigkeit und positiver Rehabilitationsprognose. Dabei ist die Rehabilitationsprognose nicht gleichzusetzen mit der Krankheitsprognose.

Mangelnde Kooperation und Compliance sowie eine terminale inkurable Tumorerkrankung schließen eine Rehabilitationsmaßnahme aus.

6. Anforderungen an die ambulante Rehabilitationseinrichtung

6.1 Rehabilitationskonzept

Jede ambulante Einrichtung zur onkologischen Rehabilitation erstellt ein strukturiertes Rehabilitationskonzept, das die erforderliche rehabilitative Diagnostik und Behandlung sowie die personelle, räumliche und apparative Ausstattung der Einrichtung, die Zusammenarbeit mit kurativen Institutionen und Disziplinen sowie Angaben zur voraussichtlichen Behandlungsdauer und zur Nachbetreuung enthält.

Bei den stark divergierenden Schädigungen und Beeinträchtigungen der Aktivitäten bei onkologischen Krankheiten empfiehlt es sich bei ambulanten Rehabilitationseinrichtungen indikative Schwerpunkte zu setzen, die eigene Schulungsinhalte erfordern.

6.2 Ärztliche Leitung und Verantwortung

Die ambulante Rehabilitationseinrichtung muss unter Leitung und Verantwortung eines Facharztes/einer Fachärztin2 für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie und nachweisbaren Rehabilitationskenntnissen stehen. Der leitendende Arzt muss über mindestens zweijährige vollzeitige rehabilitative und sozialmedizinische Erfahrungen verfügen und sollte die Zusatzbezeichnung Rehabilitationswesen oder Sozialmedizin führen. Die indikationsspezifischen Anforderungen der Arbeitsmedizin, soweit erforderlich, sowie die Anleitung und Weiterbildung der ärztlichen Mitarbeiter sind zu gewährleisten.

Je nach Indikationsspektrum der Einrichtung müssen – in fester vertraglicher Bindung zumindest auf Konsiliarbasis – zusätzlich folgende Ärzte zur Verfügung stehen:

− bei Mamma- oder anderen gynäkologischen Tumoren ein Arzt für Gynäkologie 

− bei Tumoren des Gastrointestinaltrakts ein Arzt für Innere Medizin, Schwerpunkt Gastroenterologie 

− bei HNO-Tumoren ein Arzt für HNO-Heilkunde 

− bei ZNS-Tumoren ein Arzt für Neurologie

− bei urogenitalen Tumoren ein Arzt für Urologie.

Der leitende Arzt oder sein benannter Vertreter müssen während der Therapiezeiten in der Einrichtung präsent und verfügbar sein. Im Übrigen muss während der gesamten Öffnungszeit adäquate ärztliche Präsenz gewährleistet sein.

Der Vertreter des leitenden Arztes muss über eine vergleichbare Qualifikation verfügen wie der leitende Arzt der Einrichtung.

Ist die Rehabilitationseinrichtung an einer kurativmedizinischen ausgerichteten onkologischen Klinik / Gemeinschaftspraxis / Praxisgemeinschaft angesiedelt, muss eine räumliche und organisatorische Trennung gegeben sein.

__________________________
2
Im Folgenden wird auf die weibliche Form der Berufsbezeichnung verzichtet.

6.3 Ärztliche Aufgaben

Der leitende Arzt ist für die Umsetzung eines ganzheitlichen und umfassenden Rehabilitationskonzepts, entsprechend den Zielen des jeweiligen Rehabilitationsträgers und bezogen auf den einzelnen Rehabilitanden verantwortlich. Dabei ist den o.g. Krankheitsdimensionen, den darauf bezogenen Rehabilitationszielen sowie der langfristigen Rehabilitationsprognose und den nach der Rehabilitation ggf. einzuleitenden Maßnahmen Rechnung zu tragen.

Zu den ärztlichen Aufgaben gehören:

− Aufnahme-, Zwischen- und Abschlussuntersuchungen 

− Durchführung bzw. Veranlassung und Auswertung der Rehabilitationsdiagnostik mit Konkretisierung des Behandlungsbedarfs 

− Erstellung und Anpassung des Rehabilitationsplans 

− Abstimmung des Rehabilitationszieles sowie des Rehabilitationsplans mit den Rehabilitanden und dem Rehabilitationsteam

− Durchführung aller für die ambulante Rehabilitation erforderlichen ärztlich- therapeutischen Maßnahmen

− Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln 

− Versorgung mit Hilfsmitteln 

− Durchführung von Visiten in den Behandlungsräumen und Sprechstundenangebot für den Rehabilitanden 

− Koordination, Anpassung und Verlaufskontrolle der Therapiemaßnahmen 

− Leitung des Rehabilitationsteams und der Teambesprechungen (mind. 1 mal pro Woche) 

− Information und Beratung des Rehabilitanden unter Einbeziehung der Bezugspersonen 

− Erstellung des ärztlichen Entlassungsberichts mit sozialmedizinischer Beurteilung,

Empfehlungen für die Weiterbehandlung unter Einbeziehung der Befundberichte des nicht-ärztlichen Rehabilitationsteams 

− Kooperation mit vor- und weiterbehandelnden Ärzten, Konsiliarärzten und Konsiliardiensten und den in der Nachsorge eingebundenen Diensten sowie Selbsthilfegruppen 

− Qualitätssicherung und Sicherstellung der Dokumentation.

6.4 Rehabilitationsdiagnostik

Bei der Rehabilitationsdiagnostik handelt es sich im Wesentlichen um eine Funktionsdiagnostik. Die Diagnostik hat zu Beginn der Leistung den individuellen Rehabilitationsbedarf festzustellen, woraus die Rehabilitationsziele zu bestimmen und die zur Erreichung dieser Ziele geeigneten Leistungsinhalte nach Art, Umfang und Intensität festzulegen sind. Am Ende der Maßnahme hat die Rehabilitationsdiagnostik u.a. festzustellen, ob und in welchem Umfang die zu Beginn der Maßnahme festgelegten Rehabilitationsziele erreicht wurden.

Die Befunde der Vorfelddiagnostik sind zu berücksichtigen. Die Schädigungen, Beeinträchtigungen der Aktivitäten und drohende bzw. manifeste Beeinträchtigungen der Teilhabe sowie die relevanten Kontextfaktoren sind zu beschreiben und zu bewerten; zeitnahe Befunde sind zu berücksichtigen.

Die Diagnostik umfasst obligatorisch:

− eine aktuelle Statusbestimmung des Tumorleidens, sofern es für die Rehabilitation erforderlich ist

− medizinische, berufliche und soziale Anamnese 

− eingehende körperliche allgemeine Untersuchung 

− Prüfung der Indikation für eine psychologische Beratung.

Die Diagnostik umfasst fakultativ:

− Ruhe-EKG 

− Sonographie 

− Bestimmung weiterer Laborparameter, soweit nicht vorhanden 

− bildgebende Verfahren, wie z.B. Computertomographien oder NMR-Tomographie 

− endoskopische Untersuchungen 

− Lungenfunktion, Langzeit-EKG, Langzeit-Blutdruck.

Bei Bedarf müssen weitere konsiliarische Untersuchungen sichergestellt sein.

6.5 Rehabilitationsplan

Anhand der Ergebnisse der Rehabilitationsdiagnostik werden für jeden Rehabilitanden ein individueller Rehabilitationsplan erstellt und das individuelle Rehabilitationsziel bzw. -teilziel definiert.

Regelmäßige Besprechungen des onkologischen Rehabilitationsteams geben Auskunft über den Verlauf. Der Rehabilitationsplan ist dem Verlauf anzupassen. Änderungen im Bereich der Körperfunktionen und Körperstrukturen, der Aktivitäten und der Teilhabe sind in regelmäßigen Abständen unter Nutzung der angemessenen Untersuchungsmethoden ebenso wie die sich hieraus ergebenden Konsequenzen für den weiteren Rehabilitationsprozess zu dokumentieren.

6.6 Behandlungselemente

Zu den wesentlichen Behandlungselementen der ambulanten onkologischen Rehabilitation gehören (in alphabetischer Reihenfolge):

Beratung und Schulung

Die gezielte Information und Beratung der Rehabilitanden ist eine zentrale Aufgabe in der onkologischen Rehabilitation. Sie bilden eine wichtige Grundlage für das Krankheitsverständnis und damit die Voraussetzung für die Akzeptanz der notwendigen Behandlungs- und Krankheitsbewältigungsstrategien. Im Einzelnen gehören zur Beratung/Schulung in der onkologischen Rehabilitation beispielsweise folgende Elemente:

− Schulung von Rehabilitanden mit Stoma (Colostoma-, Ileostoma-, Urostoma-, Trachestomaversorgung) mit Erlernen der Stomaversorgung und -pflege 

− Schulung in der Ösophagussprache nach Laryngektomie 

− Schulung mit Umgang mit Fisteln 

− Prothesenberatung (z.B. nach Mammaamputation) 

− Gehschule (z.B. nach Extremitätenamputation) 

− Beratung bzgl. Sinn und Unsinn von sog. „biologischen und alternativen“ Krebstherapien sowie prophylaktischen Maßnahmen (z.B. „Krebsdiät“) 

− Beratung und Anleitung der Bezugspersonen.

Ernährungsberatung

Die Ernährungs-/Diätberatung sollte auf dem anerkannten medizinischen Erkenntnisstand basieren. Sie sollte den Lebenspartner einbeziehen. In der Onkologie wird sie vorrangig dazu eingesetzt, die individuellen Funktionsdefizite beseitigen zu helfen, z.B. bei Rehabilitanden nach Resektion im Bereich des Magen- und Darmtraktes, mit Gewichtsabnahme oder mit Inappetenz (z.B. in Folge von Chemo- oder Strahlentherapie).

Sie kann aber auch im Sinne einer Prävention angezeigt sein, z.B. bei Rehabilitanden mit Colostoma, um durch eine Gewichtsreduktion das Risiko einer Bauchwandhernie reduzieren zu helfen.

Im Rahmen des Gesundheitstrainings soll auch über besondere Diätformen aufgeklärt werden.

Sexualberatung

Störungen des sexuellen Erlebens und Verhaltens treten als Begleit- oder Folgeerkrankung vieler Krebserkrankungen auf und bedeuten für die betroffenen Menschen oft eine erhebliche Einbuße an Lebensqualität, Selbstwertgefühl und Zufriedenheit in der Partnerbeziehung.

Eine Einbeziehung des Lebenspartners in die Beratung ist anzustreben.

Prothetische Beratung / Hilfsmittel

Die prothetische Beratung muss fachgerecht und individuell erfolgen. Die Rehabilitationseinrichtung hat bei entsprechender Indikation eine fachgerechte Beratung sicherzustellen.

Soziale Beratung und Hilfestellung

Sie umfasst insbesondere
- Hilfen zur Reintegration in Beruf und Alltag
- Beratung im Hinblick auf Sozialleistungen
- Beratung und Hilfen zur Verhinderung von Pflegebedürftigkeit bzw. Hilfen zur weiteren sozialen Versorgung (ggf. einschließlich Pflege)
- Informationen zur Vermittlung von Selbsthilfeorganisationen/Gruppen, Rehabilitationssport, Tumornachsorge sowie anderen weiterführenden Beratungs- und Hilfsmöglichkeiten am Wohnort oder in der Umgebung.

Berufliche Beratung und Hilfen

Jeder Rehabilitand im erwerbsfähigen Alter ist über die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, insbesondere die berufliche Wiedereingliederung zu beraten, welcher Träger für deren Zuständigkeit in Betracht kommt, wann eine berufliche Neuorientierung sinnvoll und durchführbar sein kann und wo detaillierte Informationen erhältlich sind. Hierzu ist ggf. ein Rehabilitationsberater/Berufshelfer zu beteiligen.

Ergotherapie

Ergotherapie dient im Rahmen der ambulanten onkologischen Rehabilitation vorwiegend der psychischen Stabilisierung z.B. durch Kunst- oder Gestaltungstherapie. Zusätzlich ist die Ergotherapie aber auch – je nach Indikation und Notwendigkeit – für das Training mit Hilfsmitteln, zur ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung sowie zum Training der Aktivitäten des täglichen Lebens und der Feinmotorik zuständig.

Gesundheitstraining

Das Gesundheitstraining schließt die Vermittlung krankheitsbezogener Informationen, Motivierung und Erhöhung von Eigenaktivität, Vermittlung und Einübung von Kompensationsmöglichkeiten, Strategien zur Krankheitsverarbeitung sowie die Erweiterung von Selbstverantwortung und Selbstmanagement ein. Dies gilt auch für die Zeit nach der Rehabilitation. Damit soll dem Rehabilitanden ein höheres Maß an Selbstbestimmung für seine Gesundheit ermöglicht und ein wesentlicher Beitrag zur Stärkung seiner Gesundheit und Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden.

Das Gesundheitstraining sollte nach Möglichkeit in Gruppen erfolgen, wobei Rehabilitanden mit der gleichen Tumorerkrankung bzw. ähnlichen Schädigungen und Beeinträchtigungen der Aktivitäten ihre Erfahrungen und Vorstellungen untereinander austauschen können. Am Gesundheitstraining sind alle in der ambulanten onkologischen Rehabilitation tätigen Berufsgruppen zu beteiligen. Grundsätzlich sollten auch Angehörige und Bezugspersonen die Möglichkeit zur Teilnahme am Gesundheitstraining haben. Im Einzelnen umfasst die Gesundheitsbildung in der ambulanten onkologischen Rehabilitation folgende Elemente:

− Information über krankheits- bzw. funktionsbezogene Prozesse und negativ wirkender Kontextfaktoren und Vermittlung geeigneter Kompensationsstrategien 

− Vermittlung gesundheitsorientierter Lebensführung (z.B. Nichtraucher-Training, Stressbewältigungstraining) 

− Erlernen und Einüben angemessener Strategien zur Krankheits- und Schmerzbewältigung 

− Training zur Verbesserung der sozialen Kompetenz (einschließlich Selbstsicherheitstraining).

Inkontinenzbehandlung und Stomaversorgung

Harn- und Stuhlinkontinenz sind nicht nur z.B. bei Rehabilitanden mit Stoma, bei Rehabilitanden mit kontinenzerhaltend operiertem Rektumkarzinom oder prostatektomierten Prostatakarzinompatienten häufig, sondern können in Anbetracht des oft fortgeschrittenen Alters auch als Begleitproblematik auftreten. Entsprechend der Ursache kann die organisch bedingte oder funktionelle Inkontinenz durch gezielte Behandlungselemente beseitigt oder zumindest gelindert werden. Hierzu gehört auch das Erlernen der Beckenbodengymnastik.

Bei der Rehabilitation von Menschen mit Stoma ist das Erlernen der Irrigation bei Colostomie, soweit erforderlich, ggf. auch der Kontakt zu Selbsthilfegruppen eine wichtige Aufgabe.

Medikamentöse Therapien

Sie umfassen die Fortführung schon begonnener kurativer und palliativer Tumortherapien und evtl. notwendige andere medikamentöse Therapien.

Physiotherapie / Physikalische Therapie und Sporttherapie

Mit der Physiotherapie/Physikalischen Therapie werden in der ambulanten onkologischen Rehabilitation im Wesentlichen folgende Ziele angestrebt:

− die Erhaltung und Besserung der Mobilität und Beweglichkeit sowie 

− die Verhütung und Behandlung von Schädigungen und Beeinträchtigungen der Aktivitäten.

Im Einzelnen kommen in der ambulanten onkologischen Rehabilitation folgende Elemente zum Einsatz:

− Physiotherapie einschließlich Atemgymnastik (bei eingeschränkter Lungenfunktion) und Beckenbodengymnastik (z.B. bei Harninkontinenz) 

− Physikalische Maßnahmen einschließlich Lymphdrainage (Lymphödemprophylaxe und  -behandlung)

− Sport- und Bewegungstherapie 

− Kombination aus physiotherapeutischen und kognitiven Elementen z.B. bei gestörtem Körperbild (Mamma-Amputation) im Sinne eines Körperwahrnehmungstrainings.

Psychologische Hilfen / Psychologische Therapie

In der Auseinandersetzung mit der Erkrankung und der unmittelbaren Lebensbedrohung gibt es verschiedene Formen der Bewältigung (Coping). Diese muss individuell nach den Bedürfnissen des Rehabilitanden festgelegt werden.

Psychoonkologie Therapieelemente zielen darauf ab, die selbstregulatorische Kompetenz des Rehabilitanden, seine Eigenkontrolle zu erhöhen, die Krankheitsverarbeitung zu unterstützen und die Lebensqualität zu verbessern. Voraussetzung ist die Identifizierung behandlungsbedürftiger Rehabilitanden mit psychischer Komorbidität und individuell bedarfsgerechte Interventionsangebote in Gruppen- oder Einzeltherapie, Entspannungstechniken, Biofeedbackverfahren und Gestaltungs- bzw. Musiktherapie.

Schmerztherapie

Die spezielle Schmerztherapie ist wichtiger Bestandteil der ambulanten onkologischen Rehabilitation. Kenntnisse und Erfahrungen in der Anwendung einer adäquaten und differenzierten medikamentösen Schmerztherapie sind wichtig. Charakteristisch für die onkologische Rehabilitation sind zusätzliche ergänzende Maßnahmen, die Schmerzempfindung und Schmerzschwelle beeinflussen. Die Schmerztherapie in der ambulanten onkologischen Rehabilitation setzt sich zusammen aus:

− medikamentösen Maßnahmen zur speziellen Schmerztherapie (einschließlich Erlernen des Umgangs mit Schmerzpumpen) 

− physikalischen und physiotherapeutischen Verfahren zur speziellen Schmerztherapie 

− spezielle psychologische Verfahren zur Schmerztherapie (z.B. Entspannungstechniken) 

− psychologischen Unterstützungsmöglichkeiten.

Selbsthilfe

Motivation zur Eigenhilfe und Hilfe zur Selbsthilfe besitzen einen hohen Stellenwert in der ambulanten onkologischen Rehabilitation.

Die Selbsthilfegruppen erfüllen hierbei eine wesentliche Aufgabe und können differenziertes Erfahrungswissen im alltäglichen Leben mit der chronischen Krankheit vermitteln. Es soll über die Angebote der Selbsthilfegruppen informiert werden und auf Wunsch konkrete Adressen genannt bzw. Kontakte gebahnt werden, so dass der Rehabilitand nach Ende der Maßnahme über weiterführende Unterstützungs- und Hilfeangebote aufgeklärt ist.

7. Personelle Ausstattung

7.1 Rehabilitationsteam und Qualifikation

Die ambulante onkologische Rehabilitation erfordert ein interdisziplinäres Rehabilitationsteam, dessen Mitglieder über die nachstehend aufgeführte Qualifikation und Berufserfahrung3 in der Regel verfügen müssen.

__________________________
3
Bei Teilzeitkräften verlängert sich der Zeitraum der erforderlichen Berufserfahrung entsprechend.

Arzt

Für den leitenden Arzt und seinen Stellvertreter gelten die unter Ziffer 6.2 genannten Ausführungen. Die anderen Ärzte sollten sowohl onkologisch-klinische als auch rehabilitative Erfahrungen haben und über psychologische Einfühlungsvermögen sowie Teamfähigkeit verfügen. Die Anzahl der Ärzte orientiert sich nach den vorgesehenen Rehabilitandenzahlen, siehe auch Ziffer 7.2.

Physiotherapeut/Krankengymnast

− Staatliche Anerkennung als Physiotherapeut/Krankengymnast und 

− Zusatzqualifikation als Lymphtherapeut, sofern Lymphdrainage erforderlich ist, und 

− mind. 2 Jahre vollzeitige Berufserfahrung als Physiotherapeut/Krankengymnast in einer Rehabilitationseinrichtung.

Sportlehrer/Sporttherapeut

− Diplom-Sportlehrer mit medizinischer Ausrichtung (z.B. Fachrichtung Rehabilitation) oder Zusatzqualifikation Bewegungs-/Sporttherapie und 

− indikationsspezifische Zusatzqualifikation oder Weiterbildung und

− mind. 2 Jahre vollzeitige Berufserfahrung als Sportlehrer/Sporttherapeut in einer Rehabilitationseinrichtung.

Masseur und Medizinischer Bademeister

− Staatliche Anerkennung als Masseur und Medizinischer Bademeister und

− mind. 2 Jahre vollzeitige Berufserfahrung als Masseur und Medizinischer Bademeister in einer Rehabilitationseinrichtung und

− Zusatzqualifikation „Lymphdrainage“, sofern vom Indikationsspektrum erforderlich.

Diplom-Psychologe

− Diplom als Psychologe, möglichst mit Erfahrungen in Psychoonkologie und

− Zusatzqualifikation in Entspannungstechniken (z.B. Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung nach Jacobson) und

− Erfahrung in der Leitung von Gruppen und

− mind. 2 Jahre vollzeitige Berufserfahrung als Psychologe in einer Rehabilitationseinrichtung.

Ergotherapeut

− Staatliche Anerkennung als Ergotherapeut und

− mind. 2 Jahre vollzeitige Berufserfahrung als Ergotherapeut in einer Rehabilitationseinrichtung und

− Grundlagenkenntnisse in arbeitsrehabilitativen Maßnahmen, Ergonomie, Arbeitsplatzanpassung und

− einschlägige Erfahrungen in der berufsorientierten Arbeitstherapie.

Sozialarbeiter/Sozialpädagoge

− Diplom/staatliche Anerkennung als Sozialarbeiter bzw. Sozialpädagoge und

− mind. 2 Jahre vollzeitige Berufserfahrung als Sozialarbeiter bzw. Sozialpädagoge in einer Rehabilitationseinrichtung und

− Erfahrung in der Einzelfallhilfe und

− Aus-, Fort- und Weiterbildung im Gesundheitswesen.

Diätassistent/Ernährungsberater

− Staatliche Anerkennung als Diätassistent bzw. als Diätist und − mind. 2 Jahre vollzeitige klinische Berufserfahrung in der Diät- und Ernährungsberatung und − Erfahrungen in der Sondenernährung sind wünschenswert.

Gesundheits- und Krankenpfleger

− Staatliche Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpfleger ggf. mit indikationsspezifischer Zusatzqualifikation oder Weiterbildung und 

− bei Zytostatika-Therapie: Ausbildung und Erfahrung im Umgang sowie in der Verabreichung von Zytostatika und 

− Erfahrung in der fachlichen Beratung, Anleitung und praktischen Unterstützung von medizinischen Laien und 

− mind. 2 Jahre vollzeitige klinische Berufserfahrung als Gesundheits- und Krankenpfleger in einer medizinischen Einrichtung.

Stomatherapeut/Inkontinenzberater

Sofern vom Indikationsspektrum erforderlich – der Stomatherapeut muss eine mind. 3-monatige Ausbildung nachweisen.

Über das o.a. Team hinaus sollten bei Bedarf zur Verfügung stehen:

− Prothetikberater 

− Seelsorger/Diakon.

7.2 Personalbemessung

Die personelle Ausstattung muss die Umsetzung des Rehabilitationskonzeptes ermöglichen. Für eine ambulante Rehabilitationseinrichtung mit 40 Rehabilitanden mit ganztägiger Rehabilitation wird folgender Personalschlüssel empfohlen:

Arzt 1 : 15 – 1 : 20
Diplom-Psychologe 1 : 50 – 1 : 60
Physiotherapeut/Krankengymnast
Sportlehrer/Sporttherapeut 1 : 13 – 1 : 15
Masseur/Medizinischer Bademeister (Lymphdrainage)
Diätassistent/Ernährungsberater 1 : 50 – 1 : 80
Ergotherapeut 1 : 70 – 1 : 90
Sozialarbeiter/Sozialpädagoge 1 : 80 – 1 : 100
Gesundheits- und Krankenpfleger einschließlich Stomatherapeut 1 : 15 – 1 : 20

Indikationsabhängig sind weitere Berufsgruppen (z.B. Logopäde) einzubeziehen.

Zusätzlich sind Verwaltungsaufgaben, Laboranbindung sowie Urlaubs- und Krankheitsvertretung sicherzustellen.

8. Räumliche Ausstattung

Die räumliche Ausstattung der ambulanten Rehabilitationseinrichtung muss die Umsetzung des Rehabilitationskonzeptes ermöglichen.

Für die speziellen Gegebenheiten der ambulanten Rehabilitation bei onkologischen Erkrankungen sind Räume mit ausreichender Grundfläche und sachgerechter Ausstattung vorzusehen, insbesondere

− Nutzfläche für gerätetechnisch gestützte Diagnostik 

− Funktionsräume (z.B. für die Bädertherapie)

− Funktionsräume für die Beratungen und Diagnostik 

− Arztzimmer mit Untersuchungsraum 

− steriler Verbandsraum 

− Möglichkeit zur Notfallbehandlung 

− multifunktionaler Raum für Teambesprechungen, Gruppenschulungen usw. 

− Schulungsraum mit audiovisuellen Medien 

− Umkleideräume, Wasch- bzw. Duschplätze und WC, davon in ausreichender Anzahl mit barrierefreier Gestaltung 

− Empfangs- und Wartebereich 

− Ruhe-, Entspannungs-, Regenerationsbereich 

− Aufenthalts- und Versorgungsbereich, Speiseraum 

− Personalaufenthaltsraum 

− Sekretariat 

− Patientenannahme, Archiv.

Die Räume müssen barrierefrei zugänglich sein.

9. Apparative Ausstattung

Die apparative Ausstattung muss sich prinzipiell an der auch bei Rehabilitanden erforderlichen Basisdiagnostik und ganz besonders an den bei onkologischen Rehabilitanden relativ häufig auftretenden Gesundheitsproblemen orientieren. Deshalb müssen folgende Möglichkeiten gegeben sein, um Komplikationen rechtzeitig zu erfassen und in Krisensituationen rasch adäquat reagieren zu können:

− klinisch-chemisches Labor für Routine- und Notfalldiagnostik 

− Elektrokardiographie mit Überwachungsmöglichkeiten (Monitor) 

− Spirometrie, Ergometrie 

− Sonographische Routine- und Notfalldiagnostik 

− falls Chemotherapie begleitend stattfindet: Einrichtung für die Durchführung von Zytostatikatherapien − Möglichkeit der Verlegung zur interventionellen Diagnostik und Therapie.

Weitere apparative Diagnostik muss die Einrichtung selbst nicht vorhalten. Es muss jedoch im Rahmen einer festen Kooperation der Rehabilitationseinrichtung mit entsprechenden Partnern gewährleistet sein, dass bei medizinischer Notwendigkeit im Einzelfall die rasche Durchführung weiterer apparativ-gestützter Diagnostik bedarfsgerecht und mit geringem organisatorischen Aufwand möglich ist, wie:

− nuklearmedizinische Untersuchungen 

− Magnet-Resonanz-Tomographie 

− Computertomographie 

− Röntgen 

− Endoskopie

10. Verlängerungskriterien

Unter dem Gesichtspunkt einer individualisierten und ergebnisorientierten Rehabilitation ist auch im ambulanten Bereich nach vorheriger Genehmigung durch den jeweiligen Leistungsträger in begründeten Fällen eine Verlängerung möglich bei

− Verzögerung im Erreichen des Rehabilitationszieles bei bestehender positiver Rehabilitationsprognose und gegebener Rehabilitationsfähigkeit (z.B. interkurrente Erkrankungen).

11. Beendigung der Maßnahme

Die ambulante onkologische Rehabilitationsmaßnahme ist zu beenden, wenn sich erst während der Rehabilitationsmaßnahme die unter Ziffer 5 genannten Ausschlusskriterien zeigen, oder wenn das Rehabilitationsziel erreicht ist, oder die medizinischen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.