Rahmenempfehlungen zur ambulanten geriatrischen Rehabilitation vom 01.01.2004

 

Inhaltsverzeichnis

1. Präambel 

2. Einführung/ Begriffsbestimmung 

2.1 Geriatrische Rehabilitation 
2.2 Der geriatrische Patient 
2.3 Die geriatrietypische Multimorbidität 
2.4 Indikationskriterien der geriatrischen Rehabilitation 
2.4.1 Rehabilitationsbedürftigkeit
2.4.1.1 Schädigungen/Funktionsstörungen 
2.4.1.2 Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen
2.4.1.3 Kontextfaktoren 
2.4.2 Rehabilitationsfähigkeit 
2.4.3 Rehabilitationsziele 
2.4.4 Rehabilitationsprognose 
2.4.5 Individuelle Voraussetzungen 
2.4.6 Ausschlusskriterien 
2.4.7 Indikationsstellung 

3. Medizinische Diagnostik vor Einleitung der Rehabilitation 

4. Leistungsbewilligung

5. Behandlungsfrequenz und Rehabilitationsdauer

6. Kriterien für die Verlängerung ambulanter geriatrischer Rehabilitation 

7. Beendigung der ambulanten geriatrischen Rehabilitation 

8. Anforderungen an die ambulante Rehabilitationseinrichtung 

8.1 Rehabilitationskonzept 
8.2 Ärztliche Leitung und Verantwortung 
8.3 Ärztliche Aufgaben 
8.4 Rehabilitationsdiagnostik 
8.5 Rehabilitationsplan 
8.6 Behandlungselemente 
8.6.1 Verzahnung der Therapieformen 
8.6.2 Medikamentöse Behandlung 
8.6.3 Physiotherapie (Krankengymnastik) 
8.6.4 Ergotherapie 
8.6.5 Logopädie 
8.6.6 Rehabilitative geriatrische Pflege 
8.6.7 Physikalische Therapie 
8.6.8 Neuropsychologie 
8.6.9 Sozialarbeit 
8.6.10 Ernährungsberatung 
8.7 Kooperation 
8.8 Personelle Ausstattung 
8.8.1 Rehabilitationsteam und Qualifikation
8.8.2 Personalbemessung 
8.9 Räumliche Ausstattung 
8.10 Apparative Ausstattung 

9. Entlassungsbericht 

10. Dokumentation 

11. Qualitätssicherung 

11.1 Strukturqualität 
11.2 Prozessqualität 
11.3 Ergebnisqualität 


1. Präambel

Der alte Mensch hat einen Anspruch auf ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben. Die medizinische Rehabilitation ist - neben der Akutversorgung und der Pflege - ein wichtiger Bestandteil der geriatrischen Versorgung. Medizinische Rehabilitation kann auch beim alten Menschen hinsichtlich der Alltagskompetenz erfolgreich sein. Ihr Ziel ist, eine Behinderung einschließlich Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Neben der indikationsspezifischen Rehabilitation hat sich in Deutschland die geriatrische Rehabilitation etabliert. 

Eine leistungsfähige und auf den individuellen Bedarf des alten Menschen abgestimmte Rehabilitation erfordert eine weitere Flexibilisierung des Versorgungsangebotes. Es ist daher geboten, im Bereich der geriatrischen Rehabilitation neben stationären auch ambulante Rehabilitationsangebote zu schaffen, die eine effiziente Versorgung unter Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten sichern. 

Ebenso wie die stationäre geht die ambulante geriatrische Rehabilitation 1) von einem ganzheitlichen Ansatz aus, der die physischen, psychischen und sozialen Aspekte der Rehabilitation umfasst. Gleichermaßen gelten die Grundsätze der Finalität, Komplexität, der Interdisziplinarität und der Individualität. 

Im Unterschied zur indikationsspezifischen Rehabilitation ist in der Regel die GKV Rehabilitationsträger für die geriatrische Rehabilitation. Vor diesem Hintergrund geben die Spitzenverbände der Krankenkassen,

  • der AOK-Bundesverband,
  • der Bundesverband der Betriebskrankenkassen,
  • der IKK-Bundesverband,
  • der Bundesverband der landwirtschaftlichen Krankenkassen,
  • die Bundesknappschaft,
  • die See-Krankenkasse,
  • der Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V.,
  • der AEV – Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V.,

gemeinsam unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen die nachfolgenden Empfehlungen. Die auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenorganisationen der Leistungserbringer sowie die Verbände und Interessenvertretungen behinderter Menschen wurden im Rahmen einer schriftlichen Anhörung beteiligt. Die Stellungnahmen wurden berücksichtigt. Die Rahmenempfehlungen wurden auf der Grundlage der "Rahmenempfehlungen zur ambulanten Rehabilitation der BAR 2) - Allgemeiner Teil" vom 20. Oktober 2000 erarbeitet und bilden die Basis für zielorientierte Leistungen sowie für die Anforderungen an ambulante geriatrische Rehabilitationseinrichtungen.

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1) Der Begriff ambulante medizinische Rehabilitation umfasst auch teilstationäre medizinische Rehabilitation.
2)  Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, Frankfurt/M, Spitzenverbände von GKV, VDR, Landw. Alterskassen, BG,
Bundesverband Unfallkassen, KBV

 

 

2. Einführung/Begriffsbestimmung

2.1 Geriatrische Rehabilitation

Die gesundheitliche Gesamtsituation alter Menschen wird häufig durch das gleichzeitige Vorkommen mehrerer Krankheiten und deren Folgen, altersbedingter Veränderungen sowie gesundheitlich relevanter Lebensumstände und Lebensgewohnheiten geprägt. Besonders festzustellen sind bei diesen Patienten - neben einer allgemein verminderten körperlichen Belastungsfähigkeit - die Abnahme der kognitiven Leistungen, eine psychische und soziale Verunsicherung und eine Antriebsminderung. Hieraus folgt eine eingeschränkte Rehabilitationsfähigkeit. Zudem ist das Rehabilitationsziel vor allem auf alltagsrelevante Fähigkeiten abzustellen und an das Lebensalter sowie die Lebenssituation des alten Menschen anzupassen. Diese Besonderheiten erfordern speziell auf die Situation der alten und in besonderem Maße hilfsbedürftigen Menschen abgestimmte komplexe Behandlungs- bzw. Rehabilitationsangebote. 

Die Rehabilitation in geriatrischen Rehabilitationseinrichtungen erfolgt nach einer speziellen "Fachphilosophie", an deren Beginn ein multidimensionales geriatrisches Assessment 3) als diagnostischer Prozess steht. Dieses dient dem Ziel, medizinische und psychosoziale Probleme und Ressourcen bei alten Menschen systematisch und umfassend zu objektivieren und zu quantifizieren. Darauf aufbauend wird unter Einbezug von Rehabilitanden und deren Angehörigen ein umfassender Rehabilitationsplan entwickelt. Auch die besondere Art und Weise der Zusammenarbeit der an der Rehabilitation beteiligten Berufsgruppen in ärztlich geleiteten interdisziplinären Rehabilitationsteams ist charakteristisch für die geriatrische Rehabilitation.

2.2 Der geriatrische Patient

Nicht jeder ältere Patient ist ein geriatrischer Patient. Im Sinne dieser Rahmenempfehlungen wird von einem geriatrischen Patienten ausgegangen, wenn die beiden nachfolgend genannten (Identifikations-) Kriterien erfüllt sind:

  • geriatrietypische Multimorbidität

und

  • höheres Lebensalter (in der Regel 70 Jahre oder älter; Abweichungen von diesem strikten Kriterium sind möglich, bedürfen jedoch einer Begründung).

2.3 Die geriatrietypische Multimorbidität

Geriatrietypische Multimorbidität ist die Kombination von Multimorbidität und geriatrietypischen Befunden bzw. Sachverhalten. Multimorbidität wird wie folgt definiert:

Ein Patient ist multimorbide, wenn er multiple strukturelle oder funktionelle Schädigungen (nach ICIDH/ICF) 4) bei mindestens zwei behandlungsbedürftigen Erkrankungen aufweist.

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3) Assessment: Abschätzung, Bestimmung(en), Zusammentragen von Informationen, „Taxieren“ anhand standardisierter
Schemata, um das Ausmaß, die Bedeutung vorhandener bzw. verlorener Fähigkeiten einschätzen zu können (siehe 8.4).
4) ICF = Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (WHO, 2001), Fortschreibung der
ICIDH = Internationale Klassifikation der Schädigungen, Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen (WHO, 1980)

Behandlungsbedürftig im Sinne dieser Rahmenempfehlungen heißt, dass die aus diesen Erkrankungen entstehenden medizinischen Probleme während der Rehabilitationsleistung engmaschig ärztlich überwacht und bei der Therapie berücksichtigt werden müssen. Dies muss ggf. integrativ erfolgen, d.h. über die Grenzen des eigenen Fachgebiets hinweg. Die integrative Versorgung sollte vorrangig durch einen entsprechend qualifizierten Geriater sichergestellt werden, ggf. sind Ärzte anderer Fachgebiete (z.B. Orthopädie, Urologie) hinzuzuziehen. 

Das Geriatrietypische der Multimorbidität ist eine Kombination der nachfolgend genannten Merkmalkomplexe a) und b), ggf. in Kombination mit c):

a) Vorhandensein von Schädigungen und Fähigkeitsstörungen (in variabler Kombination) im Sinne eines geriatrischen Syndroms, d.h.

  • Immobilität,
  • Sturzneigung und Schwindel,
  • kognitive Defizite,
  • Inkontinenz (Harninkontinenz, selten Stuhlinkontinenz),
  • Dekubitalulzera,
  • Fehl- und Mangelernährung,
  • Störungen im Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt,
  • Depression, Angststörung,
  • chronische Schmerzen,
  • Sensibilitätsstörungen,
  • herabgesetzte körperliche Belastbarkeit/Gebrechlichkeit,
  • starke Sehbehinderung,
  • ausgeprägte Schwerhörigkeit.

Für das geriatrische Syndrom relevante Sachverhalte - außerhalb der Systematik der Schädigungen und Fähigkeitsstörungen nach ICIDH/ICF - sind:

  • Mehrfachmedikation,
  • herabgesetzte Medikamententoleranz,
  • häufige Krankenhausbehandlung (Drehtüreffekt). 

Typische antragsrelevante Hauptdiagnosen beim geriatrischen Patienten sind:

  • Zustand nach Schlaganfall,
  • Zustand nach hüftgelenksnahen Frakturen,
  • Zustand nach operativer Versorgung mit Totalendoprothesen von Hüfte oder Knie,
  • Zustand nach Gliedmaßenamputation bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit oder diabetischem Gefäßleiden.

Ebenso finden sich bei geriatrischen Patienten weitere neurologische, kardiopulmonale und muskuloskeletale Erkrankungen wie auch Tumor- und Stoffwechselerkrankungen als Hauptdiagnosen. 

In der geriatrietypischen Befundkonstellation finden sich beim Patienten weitere Diagnosen, die aber - wie beispielsweise ein gut eingestellter Bluthochdruck oder Diabetes mellitus - nicht zwangsläufig aktuell behandlungs- oder engmaschig überwachungsbedürftig sind.

Typische Beispiele sind: M. Parkinson, Parkinson-Syndrom, arterielle Hypertonie, koronare Herzkrankheit mit/ohne Zustand nach Herzinfarkt, Herzinsuffizienz unterschiedlicher Genese, degenerative Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates arterielle Verschlusskrankheit, Diabetes mellitus, chronisch-obstruktive Lungenerkrankung, Demenz, Depression.

Die häufig gleichzeitig vorliegenden Folgen von somatischen und psychischen Schädigungen und Fähigkeitsstörungen, die einen wesentlichen ursächlichen Faktor für Hilfs- und Pflegebedürftigkeit darstellen, sind besonders zu beachten.

b) Relativ hohes Risiko - gegenüber nichtgeriatrischen Patienten - der Einschränkung der Selbstständigkeit im Alltag bis hin zur Pflegedürftigkeit.

c) Relativ hohes Risiko - gegenüber nichtgeriatrischen Patienten - von Krankheitskomplikationen (Thrombosen, interkurrente Infektionen, Frakturen, verzögerte Rekonvaleszenz u.a.)

2.4 Indikationskriterien der geriatrischen Rehabilitation

Nicht jeder geriatrische Patient benötigt eine geriatrische Rehabilitation. Erfüllt der geriatrische Patient die nachfolgend genannten Indikationskriterien (2.4.1 - 2.4.4), kann eine geriatrische Rehabilitation in Betracht kommen. 

2.4.1 Rehabilitationsbedürftigkeit

Rehabilitationsbedürftigkeit besteht, wenn als Folge einer Schädigung (Definitionen im Folgenden) bei Vorliegen von voraussichtlich nicht nur vorübergehenden Fähigkeitsstörungen oder drohenden oder bereits manifesten Beeinträchtigungen über die kurative Versorgung hinaus eine medizinische Rehabilitation erforderlich ist.

2.4.1.1 Schädigungen/Funktionsstörungen

Eine Schädigung ist ein beliebiger Verlust oder eine Normabweichung in der psychischen, physiologischen oder anatomischen Struktur oder Funktion. Hierzu zählen beim geriatrischen Patienten z.B. die in 2.3 a) genannten Hauptdiagnosen mit den dort aufgeführten Schädigungen, also z.B. 

  • nach Schlaganfall:

in der Steuerung der Muskelaktivität,
in der Orientierung zur eigenen Person,
in der Wahrnehmung;

  • nach hüftnaher Fraktur:

in der Gehfähigkeit.

2.4.1.2 Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen

Aus den oben genannten Schädigungen können Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen resultieren. Eine Fähigkeitsstörung5) ist jede Einschränkung oder jeder Verlust der Fähigkeit (als Folge einer Schädigung), Aktivitäten in der Art und Weise oder in dem Umfang auszuführen, die für einen Menschen als "normal" (für seinen persönlichen Lebenskontext typisch) angesehen werden.

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5)  Wir verweisen auf den Ersatz durch den Begriff „Beeinträchtigung der Aktivität“ in der ICF.

 

Eine Beeinträchtigung 6) ist eine sich aus einer Schädigung oder Fähigkeitsstörung ergebende Benachteiligung einer betroffenen Person, die die Erfüllung einer Rolle einschränkt oder verhindert, die (abhängig von Geschlecht, Lebensalter sowie sozialen und kulturellen Faktoren) für diese Person normal ist. Die für eine geriatrische Rehabilitation bedeutsamen Fähigkeitsstörungen müssen, unter Beachtung der sozialen Kontextfaktoren (z.B. häusliches Wohnumfeld), für den Patienten alltagsrelevant sein, d.h. sie führen zur Beeinträchtigung seiner Selbstständigkeit und seiner Gestaltungsmöglichkeiten in den Bereichen, die zu den menschlichen Grundbedürfnissen gehören. Diese sind vor allem: 

  • Fähigkeitsstörungen in der Fortbewegung und körperlichen Beweglichkeit, die zur sozialen Isolation und zur Beeinträchtigung der Selbstversorgung führen können,

  • Fähigkeitsstörungen in der Geschicklichkeit und als mangelnde visuelle Kontrolle von
    Aktivitäten, die z.B. zu Beeinträchtigungen der Beschäftigung/Haushaltsführung führen können,

  • Fähigkeitsstörungen in der Selbstversorgung (z.B. Ernährung, Körperpflege, Exkretion), die zur Abhängigkeit von fremder Hilfe (Pflegebedürftigkeit) führen können,

  • Fähigkeitsstörungen in der Kommunikation (z.B. Sprachverständnis, Sprachvermögen), die zu Beeinträchtigungen der sozialen Integration führen können,

  • Fähigkeitsstörungen des Hörens und Sehens, die zu Beeinträchtigungen der örtlichen/ räumlichen Orientierung führen können,

  • Fähigkeitsstörungen in der Strukturierung des Tagesablaufes, die zu Beeinträchtigungen in unterschiedlichen Bereichen führen können,

  • Fähigkeitsstörungen im Verhalten, z.B. als Folge einer vorübergehenden Verwirrtheit, die zu Störungen in der Orientierung und zu Störungen hinsichtlich der sozialen Integration führen können.

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6) Wir verweisen auf den Ersatz durch den Begriff „Beeinträchtigung der Partizipation (Teilhabe)“ in der ICF.

 

2.4.1.3 Kontextfaktoren

Kontextfaktoren stellen den gesamten Lebenshintergrund einer Person dar. Sie umfassen alle Umweltfaktoren und personenbezogene Faktoren, die eine Bedeutung für eine Person mit einer bestimmten körperlichen, geistigen und seelischen Verfassung haben. 

  • Umweltfaktoren beziehen sich auf die physikalische, soziale und einstellungsbezogene Umwelt, in der die Menschen ihr Leben gestalten. Dazu zählen Erzeugnisse und Technologien, natürliche und von Menschen veränderte Umwelt, Unterstützung und Beziehungen, Einstellungen, Werte und Überzeugungen, Dienstleistungen und Politikbereiche einschließlich Organisation und Struktur.

  • Personenbezogene Faktoren sind die Eigenschaften der Person, z.B. Alter, Geschlecht, Bildung und Ausbildung, Erfahrung, Persönlichkeit und Charakter, andere Gesundheitsprobleme, "Fitness", Lebensstil, Gewohnheiten, Erziehung, Bewältigungsstile, Beruf 7) sowie frühere und gegenwärtige Erlebnisse.

  • Kontextfaktoren stehen in Wechselwirkung mit den Krankheiten und ihren Folgen (nach ICIDH/ICF) 8) Positive Kontextfaktoren können sich günstig auf Schädigungen, Fähigkeitsstörungen oder Beeinträchtigungen und somit auf den Rehabilitationsverlauf auswirken. Daher gilt es, diese möglichst früh zu erkennen und ihre rehabilitationsfördernde Wirkung zu nutzen

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7) gemeint in der Geriatrie: früherer Beruf
8) Die Kontextfaktoren nach ICF, die eine wesentliche inhaltliche Bereicherung des Krankheitsfolgenmodells 
der ICIDH darstellen, wurden zusätzlich berücksichtigt. (siehe Fußnote 4)

 

(Ressourcenkonzept der Rehabilitation). Dagegen können sich negative Kontextfaktoren nachteilig auf den Rehabilitationsverlauf auswirken. 

Inhalt und Ziel von Rehabilitationsmaßnahmen ist es also auch, die Wirkung der Kontextfaktoren zu erfassen, zu nutzen und/oder zu modifizieren, indem die Umweltbedingungen an verbleibende Fähigkeitsstörungen/Beeinträchtigungen des Rehabilitanden angepasst werden - soweit dies zur Bewältigung relevanter Alltagsaktivitäten erforderlich und möglich ist. 

Auch die geriatrische Rehabilitation verfolgt das Ziel, weitere somatische und psychische Folgeschäden nach Möglichkeit zu vermeiden. Der Rehabilitand soll unterstützt werden, mit nicht veränderbaren negativen Kontextfaktoren krankheits- und behinderungsgerecht
umzugehen. Er soll sinnvolle Bewältigungsstrategien für die Krankheitsfolgen finden und angeleitet werden, damit zu leben ("Coping").

Zu den Faktoren der physikalischen oder sozialen Umwelt, die den Rehabilitationserfolg positiv oder negativ beeinflussen können, zählen beispielsweise: 

  • persönliche Unterstützung und Assistenz durch Bezugspersonen,

  • soziale oder wirtschaftliche Einrichtungen zur weiteren rehabilitativen Versorgung und Angebote der Nachsorge (z.B. Senioren-/Selbsthilfegruppen),

  • natürliche Umwelt,

  • Gestaltung von Wohngebäuden, Geschäftsgebäuden, öffentlichen Gebäuden, dabei auch:

  • Hilfstechnologie/Hilfsmittel zur Unterstützung bei der Ausübung von Aktivitäten inkl.

  • Ausstattung mit Mobilitätshilfen,

  • Produkte zum persönlichen Gebrauch im täglichen Leben,

  • Produkte für Kommunikation,

  • Maßnahmen der Wohnungsanpassung.

2.4.2 Rehabilitationsfähigkeit

Der Begriff der Rehabilitationsfähigkeit bezieht sich auf die somatische und psychische Verfassung des Rehabilitanden (Motivation/Motivierbarkeit und Belastbarkeit) für die Teilnahme an einer geeigneten Rehabilitation. 

Geriatrische Patienten verfügen im Unterschied zu denen, für die eine indikationsspezifische Rehabilitation in Betracht kommt, über eine herabgesetzte körperliche, psychische oder geistige Belastbarkeit und zeichnen sich durch größere Hilfsbedürftigkeit aus. Damit auch diese Patienten die erforderlichen, auf ihre speziellen Bedürfnisse zugeschnittenen medizinischen Rehabilitationsleistungen erhalten können, sind die nachfolgend genannten niedrigschwelligeren (Einschluss-) Kriterien sowie spezifische (Ausschluss-) Kriterien für die Indikationsstellung einer geriatrischen Rehabilitation zu berücksichtigen.

Geriatrische Rehabilitationsfähigkeit ist gegeben, wenn alle nachfolgenden (Einschluss-) Kriterien erfüllt sind:

  • Die vitalen Parameter sind stabil,

  • die bestehenden Begleiterkrankungen, Schädigungen und typischen Komplikationen können vom ärztlichen, pflegerischen und therapeutischen Personal der geriatrischen Einrichtung behandelt werden und

  • die Stabilität des Kreislaufs sowie die allgemeine psychische und physische Belastbarkeit des Patienten erlauben es, dass er mehrmals täglich aktiv an rehabilitativen Maßnahmen teilnehmen kann.

Die geriatrische Rehabilitationsfähigkeit ist nicht gegeben, wenn mindestens eines der nachfolgend genannten (Ausschluss-) Kriterien erfüllt ist:

  • Fehlende Zustimmung des Patienten zur Rehabilitation,

  • fehlende oder nicht ausreichende Belastbarkeit, wenn dadurch die aktive Teilnahme an der Rehabilitation verhindert wird (z.B. nach Frakturen und nach Gelenkoperationen),

  • Begleiterkrankungen bzw. Komplikationen (z.B. Desorientiertheit, Weglauftendenz, erhebliche Störung der Hörfähigkeit 9), erhebliche Störung der Sehfähigkeit, Lage und Größe eines Dekubitus, Probleme am Amputationsstumpf, schwere psychische Störungen wie schwere Depression oder akute Wahnsymptomatik, Stuhlinkontinenz), wenn sie eine aktive Teilnahme an der Rehabilitation verhindern.

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9) Soweit diese mit erheblichen Kommunikationsproblemen einhergeht und im Einzelfall nicht durch den Einsatz
  von Gebärdensprachdolmetschern oder sonstigen Kommunikationshilfen minimiert werden kann
.

 

2.4.3 Rehabilitationsziele

Das Rehabilitationsziel besteht darin, möglichst frühzeitig alltagsrelevante Fähigkeitsstörungen zu beseitigen, zu vermindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten oder drohende oder bereits manifeste Beeinträchtigungen zu vermeiden, zu beseitigen, zu vermindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten.

Unter kritischer Würdigung des individuellen Grades von Rehabilitationsfähigkeit und positiver Rehabilitationsprognose (siehe unten) wird das alltagsrelevante Rehabilitationsziel/ werden die alltagsrelevanten Rehabilitationsziele aus den Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen abgeleitet, die den Patienten in der selbstständigen Bewältigung und Gestaltung der Lebensbereiche beeinträchtigen, die als Grundbedürfnisse menschlichen Daseins beschrieben werden. 

Der unter Berücksichtigung der individuellen Kontextfaktoren anzustrebende Grad der Selbstständigkeit ergibt sich aus der Alltagskompetenz in den Grundbedürfnissen, die der Patient vor Auftreten der Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen hatte, die die aktuelle Rehabilitationsbedürftigkeit begründen.

Das Rehabilitationsziel der Geriatrie ist die dauerhafte Wiedergewinnung, Verbesserung oder Erhaltung der Selbstständigkeit bei den alltäglichen Verrichtungen, damit z.B. ein langfristiges Verbleiben in der gewünschten Umgebung möglich wird. Angestrebt wird dies u.a. durch

  • Verbesserung der Mobilität,

  • Verbesserung der sozialen Integration,

  • Vermeidung/Verminderung der Abhängigkeit von Pflegepersonen. 

Alltagsrelevant können in diesem Zusammenhang z.B. sein:

  • Erreichen der Stehfähigkeit,

  • Erreichen des Bett-Rollstuhl-Transfers,

  • Verbesserung der Rollstuhlfähigkeit,

  • Erreichen des Toilettenganges/persönliche Hygiene,

  • Selbstständige Nahrungsaufnahme,

  • Selbstständiges An- und Auskleiden,

  • Gehfähigkeit über mehrere Treppenstufen, 

  • Gehfähigkeit innerhalb und außerhalb der Wohnung,

  • Tagesstrukturierung.

2.4.4 Rehabilitationsprognose

Die Rehabilitationsprognose ist eine medizinisch begründete Wahrscheinlichkeitsaussage

  • auf der Basis der Erkrankung, des bisherigen Verlaufs, des Kompensationspotentials/ der Rückbildungsfähigkeit unter Beachtung und Förderung der persönlichen Ressourcen (Rehabilitationspotential) über die Erreichbarkeit eines festgelegten Rehabilitationsziels

  • durch eine geeignete Rehabilitationsmaßnahme

  • in einem angemessenen Zeitraum.

Die positive Rehabilitationsprognose ist anzunehmen, wenn mindestens eines der nachfolgend genannten Kriterien zutrifft:

  • Beseitigung/alltagsrelevante Verminderung der Fähigkeitsstörungen durch Verbesserung der Selbsthilfefähigkeit sind erreichbar.

  • Kompensationsstrategien zur Alltagsbewältigung sind mit Aussicht auf nachhaltigen Erfolg anzuwenden (trainierbar).

  • Adaptionsmöglichkeiten sind vorhanden und nutzbar.

 

2.4.5 Individuelle Voraussetzungen

Neben den medizinischen Voraussetzungen muss die für eine ambulante Rehabilitation erforderliche Mobilität bestehen. Die Rehabilitationseinrichtung muss in einer zumutbaren Fahrzeit erreichbar sein. Die häusliche sowie sonstige medizinische Versorgung (siehe 8.6.2) des Rehabilitanden  muss während der ambulanten Rehabilitationsmaßnahme sichergestellt sein.

2.4.6 Ausschlusskriterien

Eine ambulante geriatrische Rehabilitation kommt zusätzlich zu den unter 2.4.2 genannten Ausschlusskriterien nicht in Betracht, wenn

  • ausschließlich kurative oder pflegerische Maßnahmen angezeigt sind, z.B.:

  • Behandlung durch Hausarzt/Facharzt,

  • Verordnung von Heil- und Hilfsmitteln,

  • aktivierende Pflege,

  • häusliche Einzelfallberatung/Pflegekurse,

  • eine Krankenhausbehandlung erforderlich ist,

  • eine stationäre geriatrische Rehabilitation notwendig ist, weil die individuellen Voraussetzungen (siehe 2.4.5) nicht vorliegen,

  • pflegerische Betreuung und ständige ärztliche Überwachung notwendig sind, die Notwendigkeit einer zeitweisen Entlastung und Distanzierung vom sozialen Umfeld besteht,

  • eine indikationsspezifische Rehabilitation angezeigt ist.

2.4.7 Indikationsstellung

Zur Erfassung der gesundheitlichen Gesamtsituation alter Menschen genügt es also nicht, lediglich ICD-Diagnosen festzustellen und zu dokumentieren. Notwendig ist vielmehr die Erfassung von Krankheitsauswirkungen, die die Alltagskompetenz des alten Menschen in seinem individuellen psychosozialen Kontext einschränken. 

Die ICIDH/ICF (siehe Fußnote 4) ist in ihrer Grundstruktur geeignet, als konzeptioneller Rahmen für eine ganzheitliche Beschreibung des Gesundheitszustandes des alten Menschen zu dienen. 

Auch beim alten Menschen hängen Wirksamkeit und Effizienz von Rehabilitationsleistungen wesentlich davon ab, ob deren medizinische Notwendigkeit frühzeitig und fachlich fundiert festgestellt werden kann. Diesem Zweck dienen vor allem Assessment-Instrumentarien als Basis für medizinische, pflegerische und leistungsrechtliche Entscheidungen. 

Ein bewährtes Assessment-Instrumentarium zur Feststellung der Rehabilitationsbedürftigkeit und der -fähigkeit und zur Formulierung realistischer Rehabilitationsziele beim alten Menschen ist das evaluierte geriatrische Assessment.

Die ambulante geriatrische Rehabilitation ist indiziert, wenn

  • Rehabilitationsbedürftigkeit besteht,

  • geriatrische Rehabilitationsfähigkeit besteht,

  • eine positive Rehabilitationsprognose auf der Grundlage eines realistischen alltagsrelevanten Rehabilitationsziels besteht,

  • keine Ausschlusskriterien vorliegen und

  • die individuellen Voraussetzungen für diese Art der Rehabilitation erfüllt sind.

Die sozialmedizinische Indikation zu einer ambulanten geriatrischen Rehabilitation hat also nicht allein eine medizinische Diagnose zur Voraussetzung, sondern ergibt sich erst aus der zusammenfassenden Analyse und Bewertung der oben beschriebenen Schädigungen, Fähigkeitsstörungen, Beeinträchtigungen und Kontextfaktoren sowie der individuellen Voraussetzungen.

 

 

3. Medizinische Diagnostik vor Einleitung der Rehabilitation

Die medizinische Diagnostik der Grundkrankheit einschließlich evtl. vorliegender Begleiterkrankungen sollte soweit abgeschlossen sein, dass die Indikation für die geeignete Rehabilitationsform gestellt, d.h. beurteilt werden kann, ob Ausschlusskriterien für ein ambulantes Rehabilitationsprogramm vorliegen. Aktuelle relevante Befunde (einschließlich vorliegende Assessment-Befunde, z.B. Barthel, FIM) sind der Rehabilitationseinrichtung zur Verfügung zu stellen und von dieser bei der Rehabilitationsdiagnostik und Aufstellung des Rehabilitationsplans zu berücksichtigen. Doppeluntersuchungen sind zu vermeiden.

 

 

4. Leistungsbewilligung

Ambulante Rehabilitationsmaßnahmen müssen vor Beginn durch den zuständigen Rehabilitationsträger bewilligt werden. Dabei bestimmt der Rehabilitationsträger unter Berücksichtigung der medizinischen Erfordernisse des Einzelfalles sowie berechtigter Wünsche des Patienten Art, Dauer, Umfang, Beginn und die Rehabilitationseinrichtung. Dies schließt die Entscheidung darüber ein, ob eine geriatrische oder indikationsspezifische ambulante Rehabilitation durchgeführt wird. § 12 SGB V ist zu berücksichtigen.

 

 

5. Behandlungsfrequenz und Rehabilitationsdauer

Je nach Art, Anzahl und Ausmaß der Schädigungen, Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen und in Abhängigkeit von den Rehabilitationszielen sind die individuell erforderliche Dichte und Dauer der Therapie festzulegen und im Verlauf anzupassen. In der Regel ist neben den ärztlichen und pflegerischen Leistungen eine aktive Teilnahme des Rehabilitanden an täglich mindestens drei bis vier nichtärztlichen therapeutischen Maßnahmen von jeweils 30 Minuten an fünf (bis sechs) Tagen in der Woche einzuhalten. Erforderliche Ruhepausen sind zusätzlich zu berücksichtigen. 

Unter dem Gesichtspunkt einer Flexibilisierung des zeitlichen Ablaufs der ambulanten geriatrischen Rehabilitation bei gleichwertigem Rehabilitationsprogramm können die unterschiedlichen Rehabilitationskomponenten zum Erreichen des Rehabilitationszieles ggf. über einen längeren Zeitraum gestreckt erbracht werden, wenn es die individuelle Situation des Rehabilitanden erfordert. 

Die Zahl der Behandlungstage beträgt im Regelfall bis zu 20 Tagen.

 

 

6. Kriterien für die Verlängerung ambulanter geriatrischer Rehabilitation

Unter dem Gesichtspunkt einer individualisierten und ergebnisorientierten Rehabilitation ist auch im ambulanten Bereich nach vorheriger Genehmigung durch den Rehabilitations- träger in begründeten Fällen eine Verlängerung möglich, und zwar bei Verzögerung im Erreichen des Rehabilitationsziels, bei weiter bestehender positiver Rehabilitationsprognose und gegebener Rehabilitationsfähigkeit. 

Die medizinische Notwendigkeit zur Verlängerung einer ambulanten geriatrischen Rehabilitationsleistung ergibt sich aus denselben Kriterien, die für die Einleitung solcher Leistungen maßgebend sind.

Im Verlängerungsantrag ist der bisherige Rehabilitationsverlauf nachvollziehbar zu beschreiben. Es ist zu begründen, warum das primär formulierte alltagsrelevante Rehabilitationsziel bislang durch die genannten Therapien nicht erreicht werden konnte und warum das Rehabilitationsteam davon ausgeht, dass das Rehabilitationsziel im beantragten Zeitraum sehr wahrscheinlich erreicht werden kann. Die weiter notwendigen Behandlungseinheiten sind aufzuführen.

 

 

7. Beendigung der ambulanten geriatrischen Rehabilitation

Die ambulante geriatrische Rehabilitationsmaßnahme ist zu beenden, wenn sich während dieser die unter 2.4.2 oder 2.4.6 genannten Ausschlusskriterien zeigen, wenn das Rehabilitationsziel erreicht ist oder die Indikationskriterien für die Rehabilitation nicht mehr erfüllt sind.

 

 

8. Anforderungen an die ambulante Rehabilitationseinrichtung

8.1 Rehabilitationskonzept

Jede ambulante geriatrische Rehabilitationseinrichtung muss ein strukturiertes Rehabilitationskonzept evtl. unter Berücksichtigung von Behandlungsschwerpunkten erstellen, das die erforderliche rehabilitative Diagnostik und Behandlung sowie die personelle, räumliche und apparative Ausstattung der Einrichtung und Angaben zu Behandlungsstandards (Musterpläne) für verschiedene typische geriatrische Rehabilitandengruppen enthält. Im Konzept muss klar erkennbar sein, dass die eingangs dargestellten medizinischen Grundlagen bezüglich geriatrischer Syndrome, geriatrischer Rehabilitation und die ICIDH/IC F Begrifflichkeiten maßgeblich sind. Das Konzept muss auf die einzusetzenden Maßnahmen und Behandlungselemente eingehen (siehe 8.6). Es berücksichtigt das Lernverhalten des geriatrischen Rehabilitanden, die in der Regel verminderte Belastbarkeit und die verlangsamte Wiedererlangung körperlicher, geistiger und seelischer Funktionen sowie alltagsrelevanter Fähigkeiten. 

Ist die Rehabilitationseinrichtung an eine andere Einrichtung (z.B. Praxis, Rehabilitationsklinik, Krankenhaus) angebunden, muss eine räumliche, organisatorische und wirtschaftliche Trennung gegeben sein. Dies ist im Konzept darzustellen. 

Die gemeinsame Nutzung von Therapieeinrichtungen ist möglich.

 

8.2 Ärztliche Leitung und Verantwortung

Die ambulante geriatrische Rehabilitationseinrichtung sollte unter ständiger Leitung und Verantwortung eines Internisten mit der fakultativen Weiterbildung "Klinische Geriatrie" stehen. 

In Ausnahmefällen kann die ambulante geriatrische Rehabilitationseinrichtung auch unter der ärztlichen Leitung eines Neurologen oder Allgemeinmediziners mit der fakultativen Weiterbildung "Klinische Geriatrie" stehen. 

In jedem Fall muss während der Öffnungszeiten ein Arzt mit internistischer und geriatrischer Fachkompetenz in der Einrichtung präsent und verfügbar sein. 

Der Vertreter des Leiters der Einrichtung muss Facharzt für Innere Medizin, Neurologie oder Allgemeinmedizin mit der fakultativen Weiterbildung "Klinische Geriatrie" sein. 

Der ärztliche Leiter oder sein Stellvertreter müssen während der Öffnungszeiten präsent und verfügbar sein. 

Ist fachärztliche Kompetenz, z.B. orthopädische, nicht verfügbar, muss im Bedarfsfall eine konsiliarische Zusammenarbeit mit einem entsprechenden Facharzt durch Kooperationsverträge sichergestellt sein.

 

8.3 Ärztliche Aufgaben

Der leitende Arzt ist für die Umsetzung und kontinuierliche Überwachung des Rehabilitationskonzepts im Rahmen der Trägervorgaben bezogen auf den einzelnen Rehabilitanden verantwortlich. Dabei ist den oben genannten Krankheitsdimensionen, den darauf bezogenen Rehabilitationszielen sowie der langfristigen Rehabilitationsprognose und den nach der Rehabilitation ggf. einzuleitenden Maßnahmen Rechnung zu tragen. 

Zu den ärztlichen Aufgaben gehören:

  • Aufnahme-, Zwischen- und Abschlussuntersuchungen,

  • Durchführung bzw. Veranlassung und Auswertung der Rehabilitationsdiagnostik einschließlich geriatrischem Assessment mit der Verpflichtung, eine Fehlallokation zu vermeiden und ggf. in Absprache mit dem Rehabilitationsträger rückgängig zu machen,

  • Erstellung und Anpassung des Rehabilitationsplans,

  • Abstimmung des Rehabilitationsziels sowie des Rehabilitationsplans mit dem Rehabilitanden, dem Rehabilitationsteam und ggf. mit den Angehörigen,

  • Durchführung aller für die ambulante Rehabilitation erforderlichen ärztlich-therapeutischen Maßnahmen einschließlich der Behandlung von kognitiven und depressiven Störungen,

  • Versorgung mit Arznei-, Verbands- und Hilfsmitteln,

  • Durchführung von Visiten in den Behandlungsräumen und Sprechstundenangebot für den Rehabilitanden,

  • Koordination, Anpassung und Verlaufskontrolle der Therapiemaßnahmen,

  • Leitung des Rehabilitationsteams und der Teambesprechungen (mind. 1 x pro Woche),

  • Information und Beratung des Rehabilitanden unter Einbeziehung der Angehörigen,

  • Erstellung von Verlängerungsanträgen,

  • Erstellung des ärztlichen Entlassungsberichts mit sozialmedizinischer Beurteilung, Empfehlungen für die Weiterbehandlung unter Einbeziehung der Befundberichte der nicht-ärztlichen Therapeuten des Rehabilitationsteams,

  • Kooperation mit vor- und nachbehandelnden Ärzten, Konsiliarärzten und Konsiliardiensten
    und den an der Nachsorge beteiligten Diensten sowie Selbsthilfegruppen,

  • Qualitätssicherung.

 

 

8.4 Rehabilitationsdiagnostik

Die Rehabilitationsdiagnostik erfolgt bei Rehabilitationsbeginn durch klinische Untersuchung einschließlich notwendiger apparativer Untersuchungsverfahren sowie durch individuell erforderliche Elemente des "geriatrischen Assessments". 

Unter geriatrischem Assessment versteht man einen multi-dimensionalen und interdisziplinären diagnostischen Prozess. Durch das Assessment werden die medizinischen, psychosozialen und funktionellen Probleme und Ressourcen des Patienten erfasst. Gleichzeitig wird durch das Assessment die Grundlage für die Formulierung alltagsrelevanter Rehabilitationsziele und des daraus abgeleiteten Rehabilitationsplans gelegt. 

Bei der Eingangsuntersuchung sind die Befunde der Vorfelddiagnostik zu berücksichtigen (siehe 3). 

Unverzichtbar sind ein aktueller Barthel- 10) oder FIM-Index. Es müssen standardisierte geriatrische Assessments aus den Bereichen Mobilität, Selbsthilfefähigkeit, Kognition, Emotion und soziale Versorgung vorliegen oder durchgeführt werden, z.B. Timed-up-andgo-/ Tinetti-Test, MMSE 11), GDS 12) und SoS 13) (nach Nikolaus). Bei Bedarf müssen weitere Assessments angewandt werden (z.B. für die Bereiche Ernährung, sprachliche Kommunikation). Wenn ein Teil dieser bzw. vergleichbarer Tests nicht durchführbar ist, bedarf dies einer medizinischen Begründung und Dokumentation.

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10) Hamburger Modifikation, Bundesarbeitsgemeinschaft Geriatrie, 12/2002
11) MMSE: Mini Mental State Examination
12) GDS: Geriatrische Depressions-Skala
13) SoS: Soziale Situation

 

Im Verlauf sind die rehabilitationsrelevanten Untersuchungen und Assessment - Verfahren wöchentlich und am Ende der Rehabilitationsmaßnahme durchzuführen und deren Ergebnisse zu dokumentieren. 

Wird eine diagnostische Klärung weiterer Erkrankungen notwendig, sind erforderlichenfalls entsprechende Fachärzte einzuschalten.

 

8.5 Rehabilitationsplan

Anhand der Ergebnisse der Rehabilitationsdiagnostik einschließlich des Assessments ist für jeden Rehabilitanden ein detaillierter individueller Rehabilitationsplan zu erstellen, der die Zielsetzungen der verschiedenen Therapiebereiche mit einschließt und sich an einer langfristigen Strategie zur Bewältigung des geriatrischen Syndroms und seiner Folgen orientiert. Der Rehabilitationsplan ist vom Arzt unter Mitwirkung der anderen Mitglieder des Rehabilitationsteams zu erstellen. Auf Anfrage ist dem verordnenden/behandelnden Vertragsarzt der aktuelle Rehabilitationsplan zur Verfügung zu stellen. 

Zur Erstellung des Rehabilitationsplans gehört auch die Berücksichtigung weiterführender Maßnahmen, d.h. auch die Beratung bei einer notwendigen Wohnungsumgestaltung, bei der Auswahl von Hilfsmitteln und bei der Gestaltung der häuslichen Versorgung. Darüber hinaus sollte ggf. Kontakt zu einer relevanten Selbsthilfegruppe hergestellt werden. 

Der Rehabilitationsplan berücksichtigt neben der Art und dem Schweregrad der geriatrietypischen Multimorbidität sowie der Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen auch die bisherige Lebenssituation, das bisherige soziale Umfeld und die weitere Lebensplanung. Er entspricht den berechtigten Wünschen und Rehabilitationszielen des Patienten. Daher sind der Rehabilitand und ggf. seine Bezugspersonen bei der Erstellung des Rehabilitationsplans einzubeziehen. 

Wöchentliche Besprechungen des geriatrischen Rehabilitationsteams dienen der Verlaufsbeobachtung. Der Rehabilitationsplan ist dem Verlauf anzupassen. Der relevante Inhalt dieser Besprechungen einschließlich der Änderungen im Bereich der Schädigungen, Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen ist unter Nutzung der relevanten Untersuchungsmethoden zu dokumentieren.

 

8.6 Behandlungselemente

Die ambulante geriatrische Rehabilitation behandelt Schädigungen und daraus resultierende Fähigkeitsstörungen oder Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung der Kontextfaktoren. Dazu stehen ärztliche Leistungen, medikamentöse Therapie und folgende Therapieformen, die vom gesamten Rehabilitationsteam mit unterschiedlicher Schwerpunktbildung durchgeführt werden, zur Verfügung: Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Pflege, physikalische Therapie, Neuropsychologie, Sozialarbeit und Ernährungsberatung. 

Die Inhalte der Therapieformen unterscheiden sich nicht grundsätzlich von denen in indikationsspezifischen
Rehabilitationseinrichtungen. 

Die Besonderheiten des geriatrischen Patienten bedingen aber eine umfassendere, vorsichtigere und langsam anforderungssteigernde Behandlung, deren Elemente an die Bedürfnisse des einzelnen Patienten angepasst werden müssen. Daher ist Gruppentherapie im Vergleich zu indikationsspezifischer Rehabilitation oft nicht möglich, Einzeltherapie ist vorrangig.

8.6.1 Verzahnung der Therapieformen

Die ambulante geriatrische Rehabilitation zeichnet sich durch das Ausmaß der gegenseitigen Verzahnung der einzelnen Therapieformen, einerseits wegen der Häufigkeit von Störungen der Kognition neben der generellen Multimorbidität und andererseits durch die Betonung neurophysiologischer und neuropsychologischer Therapieformen. Bei Bedarf ist das häusliche Umfeld zu prüfen 14).

Wesentliche Behandlungselemente der ambulanten geriatrischen Rehabilitation sind:

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14) siehe 2.4.1.3 Kontextfaktoren

8.6.2 Medikamentöse Behandlung

Die Multimorbidität des geriatrischen Rehabilitanden führt in aller Regel zur Vielfachmedikation. Die veränderte biologische Reaktion auf Medikamente, aber auch die geringe Compliance erhöhen die Raten der Neben-, Wechsel- und Fehlwirkungen. Eine wesentliche Aufgabe auch während der ambulanten geriatrischen Rehabilitation ist daher, die Medikation des geriatrischen Patienten kontinuierlich und in Abstimmung mit dem behandelnden Vertragsarzt individuell zu überprüfen und ggf. anzupassen. Ebenso gehören zur medikamentösen Behandlung auch das Training und die Anleitung der regelmäßigen Einnahme von Arzneimitteln im Rahmen der Tagesstrukturierung.

8.6.3 Physiotherapie (Krankengymnastik)

Aufgaben der Physiotherapie sind Rückgewinnung, Verbesserung und Erhaltung der Selbstständigkeit im Bereich der Mobilität. Bewegungsabläufe dürfen aber nicht isoliert gesehen werden, denn es besteht gerade bei geriatrischen Rehabilitanden ein enger Zusammenhang zwischen Wahrnehmung und Denken einerseits und Bewegung als Zielgröße andererseits. Schädigungen in den Bereichen der Sinnesorgane und Wahrnehmung sowie kognitive Einschränkungen liegen insbesondere beim geriatrischen Patienten häufig vor und müssen daher stärker als in der indikationsspezifischen Rehabilitation berücksichtigt werden. 

Zu beachten im Vergleich zu indikationsspezifischer ambulanter Rehabilitation ist außerdem die eingeschränkte Belastbarkeit geriatrischer Patienten infolge des Einflusses der geriatrietypischen Multimorbidität auf die Bewegungsfunktion. 

In der ambulanten geriatrischen Rehabilitation wird die Physiotherapie meist in Einzeltherapien durchgeführt. Therapiesitzungen in angemessen homogenen Gruppen sind wegen der Vielzahl der unterschiedlichen Krankheitsfolgen bei geriatrischen Rehabilitanden selten möglich.

8.6.4 Ergotherapie

Die Ergotherapie hat in der geriatrischen Rehabilitation immer einen direkten Bezug zu den ATL 15), z.B. beim Wasch- und Anziehtraining sowie Training von Aktivitäten der Haushaltsführung. 

Schwerpunkte sind die Mobilisierung und Regulierung des Muskeltonus in den Bereichen der Hand, der Schulter und des Rumpfes. Ziele sind z.B. Rückgewinnung von Rumpfkontrolle und Feinmotorik oder auch Gleichgewichtsschulung.

Weiterhin unterstützt die Ergotherapie das Training zur Minderung alltagsrelevanter Störungen der Kognition.

 Auch die Anpassung von und das Training mit Hilfsmitteln im Bereich der oberen Körperhälfte und im Bereich von ATL-Einschränkungen gehören zu den Aufgaben der Ergotherapeuten.

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15) ATL: Aktivitäten des täglichen Lebens oder ADL: Activities of daily living

8.6.5 Logopädie

Die Aufgaben der Logopädie sind Diagnostik und Behandlung der Sprech- und Sprach- sowie Ess- und Schluckstörungen. Dazu gehört auch die Kommunikation, Lesen und Schreiben, Kommunikation mit Gesten, Mimik und eventuell Kommunikationstafeln.

Wegen des spezifischen Einzelkontakts im Hinblick auf Sprache, Kommunikation und soziale Integration sind Logopäden z.B. in Vorgänge der Krankheitsverarbeitung und -bewältigung oft intensiver eingebunden als die anderen Teammitglieder und sie erhalten oft zusätzliche Informationen. 

Die Therapie im Gesichts-, Mund- und Schlundbereich, insbesondere das Schlucktraining- orofaziale Therapie - ist bei entsprechenden Ausfällen oft von vitaler Indikation wegen der Aspirationsgefahr 16), die beim abwehrgeschwächten und gebrechlichen geriatrischen Rehabilitanden häufiger zu Komplikationen, z.B. Pneumonien, führt. Zur Durchführung der orofazialen Therapie können auch speziell ausgebildete Ergotherapeuten oder Pflegekräfte einbezogen werden. 

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16) Gefahr des Verschluckens

8.6.6 Rehabilitative geriatrische Pflege

Rehabilitative geriatrische Pflege darf sich nicht allein nach den Wünschen und Einschätzungen des Patienten richten, vielmehr hat sie fachlich begründete eigenständige Ziele, die mit denen des Patienten abzugleichen sind. 

Aufgabe der Pflege ist es auch, die anderen Teammitglieder zu unterstützen und damit dazu beizutragen, Selbstbestimmung und Selbstständigkeit des Patienten bei den Alltagsverrichtungen wieder zu ermöglichen. In die rehabilitative geriatrische Pflege sind die Angehörigen ggf. einzubeziehen. 

Pflege hat somit in der geriatrischen Rehabilitation einen höheren Stellenwert als in einer indikationsspezifischen Rehabilitation. Dies gilt auch für die ambulante geriatrische Rehabilitation, insbesondere im Hinblick auf das Ziel größtmöglicher Autonomie des Patienten hinsichtlich der ATL in einem Stadium, in dem eine stationäre Rehabilitation mit wesentlich größeren Anteilen an "passiver" Pflege nicht (mehr) erforderlich ist.

8.6.7 Physikalische Therapie

Die physikalischen Verfahren 17) dienen der Regulation des Muskeltonus und der Schmerzbekämpfung. Sie sind auch effektive Mittel zur Verbesserung von Stimmung, Motivation und Lebensmut. Einen wesentlichen Stellenwert haben Lymphdrainage und Narbenbehandlung. Bei der Schmerzbekämpfung kann die physikalische Therapie die medikamentöse Behandlung reduzieren. Wegen reduzierter Kompensationsbreite und verminderter eigener Reaktionsmöglichkeiten geriatrischer Rehabilitanden sind diese Maßnahmen bei entsprechendem Bedarf bedeutsamer als bei jüngeren Patienten bei indikationsspezifischer Rehabilitation.

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17) z.B. Massagen, Anwendung von Kälte und Wärme, Bäder, Strom, Ultraschall, Lymphdrainage

8.6.8 Neuropsychologie

Die neuropsychologische Untersuchung liefert ein differenziertes Leistungsprofil der kognitiven Fähigkeiten im Bereich Intelligenz, Gedächtnis, Konzentration, Raumverarbeitung und Planungsvermögen. 

Sie ermöglicht z.B.:

  • eine Abgrenzung zwischen normaler und pathologischer Hirnalterung,

  • eine diagnostische Präzisierung von Hirnleistungsstörungen insbesondere mit psychometrischen Testverfahren (auch zur Erkennung von Demenzen/Depressionen).

Die Neuropsychologie trainiert die verbliebenen Fähigkeiten insbesondere in Zusammenarbeit mit der Ergotherapie, ggf. auch mit der Logopädie.

Der Neuropsychologe ist auch Behandler bzw. Mitbehandler von kognitiven sowie depressiven Störungen und übernimmt Aufgaben der psychologischen Unterstützung (z.B. bei der Krankheitsbewältigung).

8.6.9 Sozialarbeit

Der Sozialdienst berät Patienten und Angehörige, unterstützt die Rehabilitanden bei der Krankheitsverarbeitung und bereitet die Entlassung vor. Weitere Aufgaben sind 

  • Beratung und Vermittlung häuslicher Hilfen,

  • Heimberatung und -vermittlung,

  • Beratung über Sozialhilfeleistungen/Leistungen der Pflegeversicherung,

  • Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen des Gesundheits- und sozialen Versorgungssystems,

  • Hausbesuche,

  • Kostenregelungen.

8.6.10 Ernährungsberatung

Die Ernährungsberatung beinhaltet Schulungen über Ernährungsfragen für Angehörige und Rehabilitanden und Beratungen bei Fehl- und Mangelernährung, ggf. im Sinne von Prävention und bei Sonderkostformen, z.B. auch bei Schluckstörungen.

 

8.7 Kooperation

Die ambulante geriatrische Rehabilitationseinrichtung kooperiert mit dem Hausarzt und den anderen an der Versorgung der Rehabilitanden Beteiligten (z.B. Akutkrankenhäuser, Rehabilitationskliniken, Sozialstationen, Pflegedienste, Selbsthilfegruppen). 

Durch zweckmäßige Organisations- und Kooperationsformen ist sicherzustellen, dass die ambulante Rehabilitation als integrativer Bestandteil der regionalen Versorgungsstruktur zur möglichst raschen und dauerhaften (Wieder-) Eingliederung der Rehabilitanden in das soziale Umfeld beiträgt.

 

8.8 Personelle Ausstattung

8.8.1 Rehabilitationsteam und Qualifikation

Der ganzheitliche Ansatz ambulanter geriatrischer Rehabilitation setzt ein interdisziplinäres Team rehabilitativ geschulter Therapeuten und Fachkräfte unter ärztlicher Leitung und Verantwortung voraus.

Zu den Aufgaben im Rahmen der Teamarbeit zählen insbesondere:

  • Durchführung des geriatrischen Assessments,

  • Festlegung des individuellen Rehabilitationszieles und dessen Anpassung,

  • Erstellung des Rehabilitationsplans und dessen Anpassung,

  • Koordination und Überwachung der Therapie,

  • Fallbesprechungen (mindestens wöchentlich),

  • Versorgung, Beratung und Anpassung sowie Training bezüglich der Hilfsmittel und technischen Hilfen unter Berücksichtigung des häuslichen Umfelds und im Bedarfsfall Wohnungsbegehung,

  • Beratung und Schulung von Patienten und Angehörigen,

  • Organisation der Weiterversorgung/Nachsorge (insbesondere durch Sozialarbeiter),

  • Erstellung eines umfassenden Abschlussberichts.

Diesem interdisziplinären Rehabilitationsteam gehören neben dem Arzt die im Folgenden aufgeführten Berufsgruppen mit den genannten erforderlichen Qualifikationen und staatlichen Anerkennungen an. Im Team sind Therapeuten mit nachgewiesener Bobath- oder vergleichbarer Qualifikation vorzuhalten. Zumindest hauptverantwortliche bzw. leitende Therapeuten müssen über eine mindestens zweijährige vollzeitige Berufserfahrung in einer geriatrischen Einrichtung verfügen oder eine vollzeitige Berufserfahrung von mindestens 12 Monaten in einer geriatrischen Einrichtung und 12 Monaten in einer neurologischen Rehabilitationseinrichtung besitzen. Für alle Berufsgruppen gilt gemeinsam die Anforderung der regelmäßigen Fort- und Weiterbildung.

  • Pflegefachkraft

  • Erfahrung in fachlicher Beratung, Anleitung und Unterstützung medizinischer Laien.

  • Leitung: nach Möglichkeit geriatrische Fachpflegekraft.

  • Ergotherapeut

  • Physiotherapeut

  • Masseur und medizinischer Bademeister

  • Logopäde einschließlich nachgewiesener Erfahrung in Diagnostik und Therapie von Kau- und Schluckstörungen

  • Neuropsychologe:

  • Diplom als Psychologe und

  • Anerkennung als klinischer Neuropsychologe durch Fachgesellschaften oder

  • Kenntnisse und Erfahrung im Bereich der klinischen Neuropsychologie durch mind. 2 Jahre vollzeitige Berufserfahrung im Bereich neurologischer Rehabilitation und Kenntnisse und Erfahrung in psychologischer und neuropsychologischer Diagnostik und Psychotherapie;

  • Erfahrungen in Entspannungstechniken (z.B. autogenes Training, progressive Muskelentspannung nach Jacobsen).

Die Aufgaben der klinischen Neuropsychologie können auch durch einen Arzt mit Weiterbildung in Neuropsychologie übernommen werden, wenn er eine Anerkennung durch eine Fachgesellschaft nachweisen kann und in der neurologischen Rehabilitation tätig war.

  • Sozialarbeiter (Sozialpädagoge):

  • Diplom als Sozialarbeiter bzw. Sozialpädagoge,

  • Erfahrung in der Einzelfallhilfe mit Kenntnissen/Erfahrungen der regionalen Versorgungs-/ Hilfestrukturen

  • Ernährungsberater (Diätassistent, Ökotrophologe)

 

8.8.2 Personalbemessung

Die personelle Ausstattung muss die Umsetzung des Rehabilitationskonzeptes ermöglichen. Sie ist abhängig von den Behandlungsschwerpunkten und von der Anzahl der Therapieplätze und den Angaben im Rehabilitationskonzept. Das Rehabilitationskonzept sollte den erforderlichen Aufwand transparent machen. Notwendig sind daher Angaben

  • zur Frequenz und dem zeitlichen Umfang aller therapeutischen Leistungen,

  • • zum prozentualen Anteil an Einzeltherapien,

  • zu den benötigten Rüstzeiten (Vor- und Nachbereiten von Therapieterminen),

  • zum zeitlichen Aufwand für Teamkonferenzen,

  • zum zeitlichen Aufwand für ärztliche Aufgaben,

  • ggf. zur Gruppengröße.

Zusätzlich sind Verwaltungsaufgaben, Laboranbindung sowie Urlaubs- und Krankheitsvertretung sicherzustellen.

Als Anhalt können die folgenden Zahlen dienen:

 Ärzte 1:20
Pflegekräfte (bei etwa gleichem Anteil von Kranken- und Altenpflegekräften);
Leitungskräfte sollten geriatrische Fachpflegequalifikation besitzen
1:10 - 1:40
Physiotherapeuten 1:10 - 1:15
Ergotherapeuten 1:10 - 1:15
Neuropsychologen 1:40 - 1:80
Masseure und medizinische Bademeister(innen) 1:40
Logopäden 1:20 - 1:40
Sozialarbeiter 1:50 - 1:80
Ernährungsberater (Diätassistent/ Ökotrophologe) 1:100

 

8.9 Räumliche Ausstattung

Die räumliche Ausstattung der ambulanten Rehabilitationseinrichtung muss die Umsetzung des Rehabilitationskonzeptes ermöglichen. Für die speziellen Gegebenheiten der ambulanten geriatrischen Rehabilitation sind Räume mit ausreichender Grundfläche und sachgerechter Ausstattung vorzusehen, insbesondere 

  • Raum für ärztliche Untersuchung und rehabilitationsspezifische Diagnostik,

  • Notfallzimmer,

  • Einzeltherapieräume,

  • Gruppentherapieräume, auch geeignet für Schulungen und Seminare,

  • Aufenthalts- und Ruheräume mit ausreichender Anzahl von Sitz- und Liegeplätzen,

  • Patientenumkleideräume mit Duschen, WC, abschließbares Schrankfach für jeden Rehabilitanden,

  • Rezeption und Raum für Patientenaufnahme, Kartei/Archiv, Verwaltung und sonstige Infrastruktur,

  • Wartebereich mit ausreichenden Sitzgelegenheiten,

  • Abstellraum, Geräteraum,

  • Personalaufenthaltsraum,

  • Personalumkleideraum mit Dusche, WC und abschließbarem Schrankraum.

Die Räume müssen barrierefrei zugänglich sein und sollten Orientierungshilfen bieten. 

Allen therapeutischen Professionen muss außer der typischen Einrichtung und dem berufsüblichen Arbeitsmaterial die sich aus dem Rehabilitationskonzept ergebende räumliche und gerätetechnische Ausstattung zur Verfügung stehen.

 

8.10 Apparative Ausstattung

Die Geräte müssen in geeigneter Ausführung (sicherheitstechnische Standards, TÜV/S MedGV) vorhanden sein. Über die vorhandenen Geräte ist eine aktuelle Geräteliste zu führen. Je nach Schwerpunktbildung der Rehabilitationskonzepte verändern sich die Anforderungen an die Art und Anzahl der Apparate.

Im Rehabilitationskonzept sind die für die einzelnen Therapien (z.B. Physiotherapie, Logopädie/ Sprachtherapie, Neuropsychologie, Ergotherapie) entsprechend verwendeten Untersuchungs-, Test- und Therapiemethoden einschließlich der hierfür erforderlichen technischen Ausstattung zu benennen.

Dazu zählen u.a.:

  • Therapieliegen (für Physiotherapie, Ergotherapie und physikalische Therapie nutzbar, bei Bedarf höhenverstellbar/variabel) 

  • Arbeitstische, adaptierbar,

  • Arbeitsstühle, adaptierbar,

  • Bodenmatten,

  • Sprossenwand,

  • Gehbarren,

  • Spiegel (körperhoch für Physiotherapie und Ergotherapie),

  • Laken, Tücher, Lagerungskissen, Polster und Decken,

  • Geräte für Therapie und Diagnostik in der Physiotherapie,

  • je nach Indikation Muskeltrainingsgeräte,

  • passive Bewegungsgeräte mit Spastikschaltung,

  • Balance-/Gleichgewichtsgeräte (z.B. Kreisel, instabile Flächen); Gehschulmöglichkeit auf unterschiedlichen Oberflächen,

  • Thermotherapie- (Kryo-, Wärmetherapie) Geräte,

  • Elektro- und Elektromechano-Therapiegeräte,

  • Geräte (z.B. Matten, Liegen, Stühle) für Entspannungsübungen oder für spastiksenkende Lagerung,

  • Materialien für Alltags- und Haushaltstraining,

  • Übungsbad,

  • Übungsküche,

  • Diagnostik- und Therapiematerial für mental/kognitive, psychische und/oder zerebral bedingte Sprach- und Sprechstörungen (u.a. auch für computergestützte und apparative Diagnostik und Therapie),

  • Werkzeug und Materialien für unterschiedliche Therapien (z.B. für sensomotorische, mental/kognitive Therapie),

  • Hilfsmittel/Pflegehilfsmittel zur Erprobung,

  • Artikulationsspiegel,

  • Sehtrainingstherapiemöglichkeiten,

  • Spiele und Spielmaterial,

  • Material zur Herstellung von Schienenmaterial oder Hilfen für den Alltag,

  • Werktische,

  • Videoaufzeichnungs- und Wiedergabemöglichkeit,

  • Projektionsmöglichkeiten,

  • Tonband/Kassettenrecorder.

 

 

9. Entlassungsbericht

Nach Beendigung der ambulanten Rehabilitation müssen der behandelnde Arzt und der zuständige Rehabilitationsträger einen Entlassungsbericht innerhalb von zwei Wochen mit folgenden Angaben erhalten:

  • Rehabilitationsverlauf unter Angabe der durchgeführten Rehabilitationsmaßnahmen bzw. des Rehabilitationsplans,

  • Ergebnisse der abschließenden Diagnostik, des Assessments und der sozialmedizinischen Beurteilung, die sozialmedizinische Beurteilung umfasst ggf. die Stellungnahme

  • zur Leistungsfähigkeit im Alltag,

  • zur Selbständigkeit/zum Hilfebedarf bei den Verrichtungen des täglichen Leben,

  • insbesondere zur psychosozialen Situation und/oder zur Frage der Vermeidung oder Minderung von Pflegebedürftigkeit,

  • zur Krankheitsverarbeitung, zum Lebensstil einschließlich Risikofaktorenkonstellation und ggf. Motivation zur Lebensstilveränderung, 

  • Empfehlungen zur Wiedereingliederung in das soziale Umfeld bzw. ggf. zur psychosozialen Betreuung und

  • Entlassungsplanung und ggf. Angaben zur Überleitung in andere Versorgungsstrukturen (Selbsthilfegruppen, Angehörigenbetreuung, professionelle Pflege in den verschiedenen Strukturen: ambulante Pflege, Tagespflege, Kurzzeitpflege, Dauerpflege).

 

 

10. Dokumentation

Für jeden Rehabilitanden ist eine Krankenakte anzulegen, aus der alle rehabilitationsrelevanten diagnostischen Angaben und durchgeführten/geplanten Therapieformen entnommen werden können, um den Rehabilitationsprozess transparent und nachvollziehbar zu machen. 

Die Dokumentation muss insbesondere umfassen:

  • sämtliche erhobenen anamnestischen Daten, Assessments, klinischen Befunde und deren Interpretation,

  • das definierte Rehabilitationsziel,

  • den Rehabilitationsplan mit Angaben zu Art, Häufigkeit und Intensität der Behandlungselemente,

  • die Bewertung des Rehabilitationserfolges durch Zwischenuntersuchungen in bestimmten Zeitabständen sowie die Abschlussuntersuchung/-befundung,

  • die Ergebnisse der Visiten und Teambesprechungen,

  • den Entlassungsbericht.

 

 

11. Qualitätssicherung

Ambulante Rehabilitationseinrichtungen sind verpflichtet, an einem Qualitätssicherungsprogramm der Rehabilitationsträger teilzunehmen.

11.1 Strukturqualität

Zur qualitätsgesicherten Struktur der ambulanten Rehabilitation müssen die in diesen Rahmenempfehlungen gestellten Anforderungen an die personelle, räumliche und apparative Ausstattung der ambulanten Rehabilitationseinrichtungen erfüllt sein. Regelmäßige interne und externe Fort- und Weiterbildungen sind durchzuführen und zu dokumentieren.

11.2 Prozessqualität 

Grundlage für den qualitätsgesicherten Verlauf der ambulanten Rehabilitation sind das Rehabilitationskonzept der Einrichtung und die individuellen Rehabilitationspläne der Rehabilitanden. Die Einhaltung der Rehabilitationspläne (Art, Häufigkeit, Dauer und Intensität der Maßnahmen) ist anhand einer patientenbezogenen standardisierten Dokumentation zu gewährleisten.

11.3 Ergebnisqualität

Im Rahmen der Zwischen- und Abschlussuntersuchungen ist zu überprüfen und zu dokumentieren, ob und inwieweit das im individuellen Rehabilitationsplan definierte Rehabilitationsziel erreicht wurde. Falls aus medizinischen Gründen notwendig, werden Rehabilitationsziel und/oder Rehabilitationsplan modifiziert.