Quartalsanfänge sind Sternstunden des Gesetzgebers. Die Früchte von Debatten, Diskussionen und Konsensrunden treten in Kraft. 1. Juli – auch heute wieder schütten die Institutionen der bürokratischen Demokratie ein Füllhorn mit Neuerungen über uns aus.
Spitzenverband Bund der Krankenkassen (SpiBu)
Die Kleinstaaterei im Kassenwesen hat ein Ende. Ein gemeinsamer Dachverband übernimmt die Aufgaben der bisherigen sieben Bundesverbände. Er ist beispielsweise für bundesweite Vertragverhandlungen zuständig. Vorsitzende des in Berlin ansässigen Verbandes ist die vormalige Chefin des Verbandes der Angestelltenkrankenkassen (VdAK), Doris Pfeiffer. Die Vermeidung von "Handlungsblockaden" erwartet Ulla Schmidt von dem neuen Zentralorgan.
Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA)
Straffung erleben auch die Hüter des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenkassen. Die Zahl der Beratungs- und Entscheidungsgremien wurde verringert. Beschlüsse werden jetzt von der Vollversammlung gefasst. Über Änderungen der Heilmittelrichtlinien etwa entscheiden künftig auch Psychotherapeuten, Zahnärzte und Krankenhäuser. Die Sitzungen des Beschlussgremiums sind – öffentlich! Diese Veränderung kommt schon einer kleinen Revolution gleich, zeichnete sich doch der Bundesausschuss früherer Jahre als verschwiegener Geheimbund aus. Zum "unparteiischen" Vorsitzenden wurde wieder der frühere Hauptgeschäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), der Jurist Rainer Hess, gewählt. Noch sitzt der G-BA in Siegburg. 2009 ziehen Mann und Maus nach Berlin.
Krankenversicherung – höhere Beiträge
Mindestens 20 gesetzliche Kassen erhöhen ihre Beitragssätze. Auch viele Privatversicherte müssen deutlich mehr an ihre Assekuranz überweisen. Gesetzlich Versicherte besitzen bei Beitragserhöhungen ein Sonderkündigungsrecht. Kündigen sie bis zum 31. Juli, können sie sich eine andere Kasse aussuchen.
Pflegereform
Das Pflegegeld wird schrittweise angehoben und die Zuschüsse für ambulante Leistungen erhöht. Zusätzliche Geldzahlungen erhalten Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen. Unterstützt wird die ehrenamtliche Pflegetätigkeit. Pflegestützpunkte und -berater führen durch den Verwaltungsdschungel und geben Betroffenen Hilfestellung. Pflegeeinrichtungen werden ab 2011 einmal jährlich unangemeldet vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) überprüft. Bezahlen müssen das erweiterte Angebot die Versicherten. Die Beitragssätze der Pflegeversicherung steigen für Versicherte mit Kindern auf 1,95 Prozent (bisher 1,7 Prozent), für alle anderen auf 2,2 Prozent (bisher 1,95 Prozent).
U7a – Neue Vorsorgeuntersuchungen für Kinder
Mit der neuen Untersuchung für Dreijährige können jetzt Kinder von der Geburt bis zum fünften Lebensjahr insgesamt zehnmal einen Kinderarzt zur Begutachtung vorgestellt werden. Bei der U7a wird nach Sehstörungen gefahndet und geprüft, ob sich das Kind altersentsprechend entwickelt. Untersucht werden zudem die Wirbelsäule, Haut, Bauch- und Brustorgane, Nase, Mund und Ohren. Über- oder Untergewicht sollen festgestellt und die Eltern nach Infektionen, Sprachverständnis und Verhaltensauffälligkeiten befragt werden.
Hautkrebs-Screening wird Kassenleistung
Gesetzlich Versicherte ab 35 Jahren können sich alle zwei Jahre einer Hautkrebsfrüherkennungs-Untersuchung unterziehen.
Neue Verordnungsblätter
Die Nummerierung von Ärzten und ihren Praxen zwingt zu neuen Verordnungsformularen. Alle Kassenärzte besitzen inzwischen eine lebenslang gültige Arztnummer und zusätzlich eine Betriebsstättennummer für jeden Praxissitz. Diese müssen in neuen Feldern eingetragen werden. Die alten Formulare dürfen aufgebraucht werden. Die Arztnummer soll dann im Feld "Vertragarztnummer" und die Betriebsstättennummer im Kästchen "VK gültig bis" vermerkt werden.
Rezeptprüfung für die Heilmittelberufe
Die Beschlüsse des G-BA sind ab heute für alle an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer verbindlich. Dies bedeutet, dass auch kassenzugelassene Physiotherapeuten, Masseure, Logopäden und Ergotherapeuten darauf achten müssen, dass Verordnungen den Vorgaben der Heilmittelrichtlinien entsprechen (wir berichteten).
Modellvorhaben für Physiotherapeuten
Mit den Krankenkassen können Modellversuche vereinbart werden, die Physiotherapeuten ermöglichen, die Auswahl und Dauer der Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten zu bestimmen, "soweit die Physiotherapeuten auf Grund ihrer Ausbildung qualifiziert sind und es sich bei der Tätigkeit nicht um selbstständige Ausübung von Heilkunde handelt".
Renten- Arbeitslosengeld-II-Erhöhung
Jeweils 1,1 Prozent mehr erhalten Rentner und Empfänger von Arbeitslosengeld II. Der Regelsatz steigt von 347 auf 351 Euro monatlich.
Rechtsberatungsgesetz
Das 1935 eingeführte Gesetz sollte jüdischen Juristen, denen die Anwaltszulassung entzogen wurde, jegliche Berufsausübung untersagen. Nun ist das Beratungsmonopol der Anwälte gelockert worden. Architekten zum Beispiel, aber auch Steuerberater, Banken oder Vereine können künftig, beschränkt auf ihr Fachgebiet, beratend tätig werden.
Peter Appuhn
physio.de
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Spitzenverband Bund der Krankenkassen (SpiBu)
Die Kleinstaaterei im Kassenwesen hat ein Ende. Ein gemeinsamer Dachverband übernimmt die Aufgaben der bisherigen sieben Bundesverbände. Er ist beispielsweise für bundesweite Vertragverhandlungen zuständig. Vorsitzende des in Berlin ansässigen Verbandes ist die vormalige Chefin des Verbandes der Angestelltenkrankenkassen (VdAK), Doris Pfeiffer. Die Vermeidung von "Handlungsblockaden" erwartet Ulla Schmidt von dem neuen Zentralorgan.
Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA)
Straffung erleben auch die Hüter des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenkassen. Die Zahl der Beratungs- und Entscheidungsgremien wurde verringert. Beschlüsse werden jetzt von der Vollversammlung gefasst. Über Änderungen der Heilmittelrichtlinien etwa entscheiden künftig auch Psychotherapeuten, Zahnärzte und Krankenhäuser. Die Sitzungen des Beschlussgremiums sind – öffentlich! Diese Veränderung kommt schon einer kleinen Revolution gleich, zeichnete sich doch der Bundesausschuss früherer Jahre als verschwiegener Geheimbund aus. Zum "unparteiischen" Vorsitzenden wurde wieder der frühere Hauptgeschäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), der Jurist Rainer Hess, gewählt. Noch sitzt der G-BA in Siegburg. 2009 ziehen Mann und Maus nach Berlin.
Krankenversicherung – höhere Beiträge
Mindestens 20 gesetzliche Kassen erhöhen ihre Beitragssätze. Auch viele Privatversicherte müssen deutlich mehr an ihre Assekuranz überweisen. Gesetzlich Versicherte besitzen bei Beitragserhöhungen ein Sonderkündigungsrecht. Kündigen sie bis zum 31. Juli, können sie sich eine andere Kasse aussuchen.
Pflegereform
Das Pflegegeld wird schrittweise angehoben und die Zuschüsse für ambulante Leistungen erhöht. Zusätzliche Geldzahlungen erhalten Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen. Unterstützt wird die ehrenamtliche Pflegetätigkeit. Pflegestützpunkte und -berater führen durch den Verwaltungsdschungel und geben Betroffenen Hilfestellung. Pflegeeinrichtungen werden ab 2011 einmal jährlich unangemeldet vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) überprüft. Bezahlen müssen das erweiterte Angebot die Versicherten. Die Beitragssätze der Pflegeversicherung steigen für Versicherte mit Kindern auf 1,95 Prozent (bisher 1,7 Prozent), für alle anderen auf 2,2 Prozent (bisher 1,95 Prozent).
U7a – Neue Vorsorgeuntersuchungen für Kinder
Mit der neuen Untersuchung für Dreijährige können jetzt Kinder von der Geburt bis zum fünften Lebensjahr insgesamt zehnmal einen Kinderarzt zur Begutachtung vorgestellt werden. Bei der U7a wird nach Sehstörungen gefahndet und geprüft, ob sich das Kind altersentsprechend entwickelt. Untersucht werden zudem die Wirbelsäule, Haut, Bauch- und Brustorgane, Nase, Mund und Ohren. Über- oder Untergewicht sollen festgestellt und die Eltern nach Infektionen, Sprachverständnis und Verhaltensauffälligkeiten befragt werden.
Hautkrebs-Screening wird Kassenleistung
Gesetzlich Versicherte ab 35 Jahren können sich alle zwei Jahre einer Hautkrebsfrüherkennungs-Untersuchung unterziehen.
Neue Verordnungsblätter
Die Nummerierung von Ärzten und ihren Praxen zwingt zu neuen Verordnungsformularen. Alle Kassenärzte besitzen inzwischen eine lebenslang gültige Arztnummer und zusätzlich eine Betriebsstättennummer für jeden Praxissitz. Diese müssen in neuen Feldern eingetragen werden. Die alten Formulare dürfen aufgebraucht werden. Die Arztnummer soll dann im Feld "Vertragarztnummer" und die Betriebsstättennummer im Kästchen "VK gültig bis" vermerkt werden.
Rezeptprüfung für die Heilmittelberufe
Die Beschlüsse des G-BA sind ab heute für alle an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer verbindlich. Dies bedeutet, dass auch kassenzugelassene Physiotherapeuten, Masseure, Logopäden und Ergotherapeuten darauf achten müssen, dass Verordnungen den Vorgaben der Heilmittelrichtlinien entsprechen (wir berichteten).
Modellvorhaben für Physiotherapeuten
Mit den Krankenkassen können Modellversuche vereinbart werden, die Physiotherapeuten ermöglichen, die Auswahl und Dauer der Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten zu bestimmen, "soweit die Physiotherapeuten auf Grund ihrer Ausbildung qualifiziert sind und es sich bei der Tätigkeit nicht um selbstständige Ausübung von Heilkunde handelt".
Renten- Arbeitslosengeld-II-Erhöhung
Jeweils 1,1 Prozent mehr erhalten Rentner und Empfänger von Arbeitslosengeld II. Der Regelsatz steigt von 347 auf 351 Euro monatlich.
Rechtsberatungsgesetz
Das 1935 eingeführte Gesetz sollte jüdischen Juristen, denen die Anwaltszulassung entzogen wurde, jegliche Berufsausübung untersagen. Nun ist das Beratungsmonopol der Anwälte gelockert worden. Architekten zum Beispiel, aber auch Steuerberater, Banken oder Vereine können künftig, beschränkt auf ihr Fachgebiet, beratend tätig werden.
Peter Appuhn
physio.de
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