Wir sind eine moderne Physiotherapie- und Osteopathiepraxis in Villingen-Schwenningen mit computergestützter Trainingstherapie und suchen Verstärkung ab sofort in Teil- oder Vollzeit.
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Teletherapie
Videotherapie statt Präsenz?
Ein Vergleich der Rehabilitation in der Frühphase nach einer Knie-TEP
Jährlich werden allein in Deutschland rund 200.000 künstliche Kniegelenke implantiert. Durch die besonderen Bedingungen zu Beginn der Corona-Pandemie standen viele frisch operierte PatientInnen vor verschlossenen Türen der Rehaklinik.
Um die PatientInnen nicht vollständig ohne Rehabilitation zu lassen, wurden in vielen Ländern telemedizinische Maßnahmen in Form von Videotherapie freigegeben. Aus der Not heraus geboren fehlte es allerdings noch an ausreichender Datenlage. Seitdem wachsen die Forschungsbemühungen in diesem Feld exponentiell.
Eine Studie verglich nun die Ergebnisse von PatientInnen, die lockdownbedingt keine persönliche Reha durchführen konnten mit einer Vergleichsklientel aus früheren Jahren.
Die Limitationen
Anders als üblich greifen wir dieses Mal die Limitationen zuerst auf. Dies geschieht nicht aufgrund des Schweregrades, sondern dient der besseren Einordnung der Ergebnisse.
Für den Vergleich zweier Interventionsstrategien, in diesem Fall Video versus persönlich, ist die randomisierte kontrollierte Studie (RCT) das aktuell ideale Design. Dazu wird ein Kollektiv von PatientInnen mit der gleichen Diagnose rekrutiert und per Zufall (random) in zwei oder mehr Gruppen eingeteilt. Dann erhält jeder die zur Gruppe zugehörige Therapiemethode. Abschließend können die Ergebnisse zwischen den unterschiedlichen Behandlungsansätzen verglichen werden.
Aufgrund der besonderen Umstände zu Beginn der Pandemie war diese Herangehensweise nicht möglich. Daher musste ein weniger hochwertiges, aber übliches Design gewählt werden: die sogenannte 'komparative (vergleichende) Analyse'. Dabei werden die Ergebnisse der Personen, die mit der 'neuen' Intervention versorgt wurden, mit Daten zur 'alten' Strategie aus früheren Jahren verglichen.
In der vorliegenden Veröffentlichung wurden Patienten zwischen Juni 2020 und März 2021 mit Videotherapie behandelt. Die Datensätze der Vergleichskohorte stammen aus dem Zeitraum von November 2009 bis September 2011. Es besteht ein mögliches Verzerrungspotenzial, da sich möglicherweise auch die 'alte' Strategie im Laufe der zehn Jahre verändert hat. Zudem können sich die Grundvoraussetzungen unterscheiden. Die Endoprothetik und das Operationsverfahren wurden hingegen nicht signifikant verändert.
Die Ergebnisse der Studie sind somit ein Anhaltspunkt, sollten jedoch mit Sorgfalt interpretiert werden und eher als Grundlage für weitere Forschung dienen, anstatt direkt in den klinischen Alltag übertragen zu werden.
Die TeilnehmerInnen
Die 133 ProbandInnen erhielten zweimal wöchentlich eine 30-minütige physiotherapeutische Videokonsultation als Kleingruppenbehandlung von jeweils zwei PatientInnen. Zwei TeilnehmerInnen konnten aufgrund medizinischer Komplikationen nicht weiter an der Studie teilnehmen. Weitere 16 wechselten im Laufe der Zeit von der Video- zur persönlichen Behandlung in der Praxis. Dies betraf vor allem ältere weibliche PatientInnen. Insgesamt beendeten 115 Personen die Studie.
Zur Analyse wurden weitere Datensätze ausgeschlossen. In einer stationären Rehabilitation sind keine zusätzlichen Behandlungen in der örtlichen Physiotherapiepraxis möglich. Daher wurden die StudienteilnehmerInnen aus der Auswertung entfernt, die eine solche Zusatzbehandlung wahrnahmen. Ebenso wären die Voraussetzungen zuhause, wie eine instabile Internetverbindung, unzureichende räumliche Möglichkeiten für Übungen und die Qualität der Kamera irrelevant, wenn die PatientInnen in der Rehaklinik behandelt würden. Da sich diese Hürden im Laufe der Therapiephase bei einigen Personen ergaben, musste auch diese nachträglich aus der Analyse herausselektiert werden. Dadurch standen am Schluss 100 Patientinnen zur Auswertung zur Verfügung.
Ergebnisse
Die Vergleichskohorte war gleich alt und hatte eine identische Geschlechterverteilung. Zudem war das Flexionsdefizit des Kniegelenks vor der Reha vergleichbar. Zu Beginn der Videotherapie war die Extension bei den Probandinnen statistisch signifikant, jedoch nicht klinisch relevant geringer. Der Unterschied betrug im Mittel 4 Grad.
Die Anzahl der Behandlungen war zwischen den Gruppen identisch. Am Ende ergaben sich keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf die Verbesserung der Beugung, Streckung oder Schmerz.
Fazit
Es konnte keine Überlegenheit einer der beiden Ansätze festgestellt werden. Die Videotherapie kann daher eine Option zur Rehabilitation von PatientInnen nach der Implantation einer Knieendoprothese sein. Es sollten jedoch die allgemeinen Voraussetzungen wie Räumlichkeiten, Internet und Kamera berücksichtigt werden. Aber auch die persönlichen Präferenzen sollten beachtet werden.
Angesichts der Einschränkungen sollten außerdem die Ergebnisse durch einen direkten Vergleich in einer randomisiert kontrollierten Studie weiter untersucht werden.
Interessant, dass ein Extensionsdefizit von 4° als klinisch nicht relevant eingestuft wird.
Warum man zur Videotherapie, im Wissen um mögliche Verzerrungen, die Vergleichsgruppe nicht parallel behandelt hat, ist mir absolut unverständlich, zumal über 10 % der Videotherapierten abbrachen und in die Einzelbehandlung wechselten.
Der Umstand, dass die Studie lediglich die Resultate von Beugung und Streckung ins Visir nahm, ist symptomatisch dafür, welche simplifizierten Vorstellung in der Medizin über die Inhalte physiotherapeutischer Behandlungsmaßnahmen bestehen. Im Hinblick auf Gelenkstabilität und Reaktivität (Sturzgefahr bei älteren Patienten) wären ganz andere Parameter viel wichtiger. Die Wiederherstellung von Beugung und Streckung nach einer Knie-TEP kann selbst ein Physio-Azubi im zweiten Semester bei vergleichbaren Ergebnissen durchführen.
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Interessant, dass ein Extensionsdefizit von 4° als klinisch nicht relevant eingestuft wird.
Warum man zur Videotherapie, im Wissen um mögliche Verzerrungen, die Vergleichsgruppe nicht parallel behandelt hat, ist mir absolut unverständlich, zumal über 10 % der Videotherapierten abbrachen und in die Einzelbehandlung wechselten.
Der Umstand, dass die Studie lediglich die Resultate von Beugung und Streckung ins Visir nahm, ist symptomatisch dafür, welche simplifizierten Vorstellung in der Medizin über die Inhalte physiotherapeutischer Behandlungsmaßnahmen bestehen. Im Hinblick auf Gelenkstabilität und Reaktivität (Sturzgefahr bei älteren Patienten) wären ganz andere Parameter viel wichtiger. Die Wiederherstellung von Beugung und Streckung nach einer Knie-TEP kann selbst ein Physio-Azubi im zweiten Semester bei vergleichbaren Ergebnissen durchführen.
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MikeL schrieb:
Interessant, dass ein Extensionsdefizit von 4° als klinisch nicht relevant eingestuft wird.
Warum man zur Videotherapie, im Wissen um mögliche Verzerrungen, die Vergleichsgruppe nicht parallel behandelt hat, ist mir absolut unverständlich, zumal über 10 % der Videotherapierten abbrachen und in die Einzelbehandlung wechselten.
Der Umstand, dass die Studie lediglich die Resultate von Beugung und Streckung ins Visir nahm, ist symptomatisch dafür, welche simplifizierten Vorstellung in der Medizin über die Inhalte physiotherapeutischer Behandlungsmaßnahmen bestehen. Im Hinblick auf Gelenkstabilität und Reaktivität (Sturzgefahr bei älteren Patienten) wären ganz andere Parameter viel wichtiger. Die Wiederherstellung von Beugung und Streckung nach einer Knie-TEP kann selbst ein Physio-Azubi im zweiten Semester bei vergleichbaren Ergebnissen durchführen.
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Um die PatientInnen nicht vollständig ohne Rehabilitation zu lassen, wurden in vielen Ländern telemedizinische Maßnahmen in Form von Videotherapie freigegeben. Aus der Not heraus geboren fehlte es allerdings noch an ausreichender Datenlage. Seitdem wachsen die Forschungsbemühungen in diesem Feld exponentiell.
Eine Studie verglich nun die Ergebnisse von PatientInnen, die lockdownbedingt keine persönliche Reha durchführen konnten mit einer Vergleichsklientel aus früheren Jahren.
Die Limitationen
Anders als üblich greifen wir dieses Mal die Limitationen zuerst auf. Dies geschieht nicht aufgrund des Schweregrades, sondern dient der besseren Einordnung der Ergebnisse.
Für den Vergleich zweier Interventionsstrategien, in diesem Fall Video versus persönlich, ist die randomisierte kontrollierte Studie (RCT) das aktuell ideale Design. Dazu wird ein Kollektiv von PatientInnen mit der gleichen Diagnose rekrutiert und per Zufall (random) in zwei oder mehr Gruppen eingeteilt. Dann erhält jeder die zur Gruppe zugehörige Therapiemethode. Abschließend können die Ergebnisse zwischen den unterschiedlichen Behandlungsansätzen verglichen werden.
Aufgrund der besonderen Umstände zu Beginn der Pandemie war diese Herangehensweise nicht möglich. Daher musste ein weniger hochwertiges, aber übliches Design gewählt werden: die sogenannte 'komparative (vergleichende) Analyse'. Dabei werden die Ergebnisse der Personen, die mit der 'neuen' Intervention versorgt wurden, mit Daten zur 'alten' Strategie aus früheren Jahren verglichen.
In der vorliegenden Veröffentlichung wurden Patienten zwischen Juni 2020 und März 2021 mit Videotherapie behandelt. Die Datensätze der Vergleichskohorte stammen aus dem Zeitraum von November 2009 bis September 2011. Es besteht ein mögliches Verzerrungspotenzial, da sich möglicherweise auch die 'alte' Strategie im Laufe der zehn Jahre verändert hat. Zudem können sich die Grundvoraussetzungen unterscheiden. Die Endoprothetik und das Operationsverfahren wurden hingegen nicht signifikant verändert.
Die Ergebnisse der Studie sind somit ein Anhaltspunkt, sollten jedoch mit Sorgfalt interpretiert werden und eher als Grundlage für weitere Forschung dienen, anstatt direkt in den klinischen Alltag übertragen zu werden.
Die TeilnehmerInnen
Die 133 ProbandInnen erhielten zweimal wöchentlich eine 30-minütige physiotherapeutische Videokonsultation als Kleingruppenbehandlung von jeweils zwei PatientInnen. Zwei TeilnehmerInnen konnten aufgrund medizinischer Komplikationen nicht weiter an der Studie teilnehmen. Weitere 16 wechselten im Laufe der Zeit von der Video- zur persönlichen Behandlung in der Praxis. Dies betraf vor allem ältere weibliche PatientInnen. Insgesamt beendeten 115 Personen die Studie.
Zur Analyse wurden weitere Datensätze ausgeschlossen. In einer stationären Rehabilitation sind keine zusätzlichen Behandlungen in der örtlichen Physiotherapiepraxis möglich. Daher wurden die StudienteilnehmerInnen aus der Auswertung entfernt, die eine solche Zusatzbehandlung wahrnahmen. Ebenso wären die Voraussetzungen zuhause, wie eine instabile Internetverbindung, unzureichende räumliche Möglichkeiten für Übungen und die Qualität der Kamera irrelevant, wenn die PatientInnen in der Rehaklinik behandelt würden. Da sich diese Hürden im Laufe der Therapiephase bei einigen Personen ergaben, musste auch diese nachträglich aus der Analyse herausselektiert werden. Dadurch standen am Schluss 100 Patientinnen zur Auswertung zur Verfügung.
Ergebnisse
Die Vergleichskohorte war gleich alt und hatte eine identische Geschlechterverteilung. Zudem war das Flexionsdefizit des Kniegelenks vor der Reha vergleichbar. Zu Beginn der Videotherapie war die Extension bei den Probandinnen statistisch signifikant, jedoch nicht klinisch relevant geringer. Der Unterschied betrug im Mittel 4 Grad.
Die Anzahl der Behandlungen war zwischen den Gruppen identisch. Am Ende ergaben sich keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf die Verbesserung der Beugung, Streckung oder Schmerz.
Fazit
Es konnte keine Überlegenheit einer der beiden Ansätze festgestellt werden. Die Videotherapie kann daher eine Option zur Rehabilitation von PatientInnen nach der Implantation einer Knieendoprothese sein. Es sollten jedoch die allgemeinen Voraussetzungen wie Räumlichkeiten, Internet und Kamera berücksichtigt werden. Aber auch die persönlichen Präferenzen sollten beachtet werden.
Angesichts der Einschränkungen sollten außerdem die Ergebnisse durch einen direkten Vergleich in einer randomisiert kontrollierten Studie weiter untersucht werden.
Martin Römhild / physio.de
VideotherapieKnie-TEPStudie
Warum man zur Videotherapie, im Wissen um mögliche Verzerrungen, die Vergleichsgruppe nicht parallel behandelt hat, ist mir absolut unverständlich, zumal über 10 % der Videotherapierten abbrachen und in die Einzelbehandlung wechselten.
Der Umstand, dass die Studie lediglich die Resultate von Beugung und Streckung ins Visir nahm, ist symptomatisch dafür, welche simplifizierten Vorstellung in der Medizin über die Inhalte physiotherapeutischer Behandlungsmaßnahmen bestehen. Im Hinblick auf Gelenkstabilität und Reaktivität (Sturzgefahr bei älteren Patienten) wären ganz andere Parameter viel wichtiger. Die Wiederherstellung von Beugung und Streckung nach einer Knie-TEP kann selbst ein Physio-Azubi im zweiten Semester bei vergleichbaren Ergebnissen durchführen.
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MikeL schrieb:
Interessant, dass ein Extensionsdefizit von 4° als klinisch nicht relevant eingestuft wird.
Warum man zur Videotherapie, im Wissen um mögliche Verzerrungen, die Vergleichsgruppe nicht parallel behandelt hat, ist mir absolut unverständlich, zumal über 10 % der Videotherapierten abbrachen und in die Einzelbehandlung wechselten.
Der Umstand, dass die Studie lediglich die Resultate von Beugung und Streckung ins Visir nahm, ist symptomatisch dafür, welche simplifizierten Vorstellung in der Medizin über die Inhalte physiotherapeutischer Behandlungsmaßnahmen bestehen. Im Hinblick auf Gelenkstabilität und Reaktivität (Sturzgefahr bei älteren Patienten) wären ganz andere Parameter viel wichtiger. Die Wiederherstellung von Beugung und Streckung nach einer Knie-TEP kann selbst ein Physio-Azubi im zweiten Semester bei vergleichbaren Ergebnissen durchführen.
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