News - Schlangen-Training: Berliner Physiotherapeutin entwickelt einmaliges Konzept

Schlangen-Training: Berliner Physiotherapeutin entwickelt einmaliges Konzept

Drei Stunden Stehen für einmaligen Kunstgenuss, Bewegung gibt es gratis.

08.04.2004 • 0 Kommentare

Am Fenster ihrer Physiotherapie-Praxis steht Freda von Heyden-Hendricks, blickt hinaus zum Landwehrkanal und hinüber zur Neuen Nationalgalerie. Seit Tagen beobachtet sie die Menschenschlange, die sich vor dem Berliner Museum die Beine in den Bauch steht.

Das Museum of Modern Art in New York (MoMA) renoviert gerade seine Räumlichkeiten. Amerikanische Museumsdirektoren sind pragmatische Leute. Die New Yorker erzählten beilläufig ihren Kollegen weltweit, so recht wüssten sie gar nicht wo sie ihre ganzen Bilder unterstellen sollen, während eher handwerklich orientierte Maler in den heiligen Hallen ihre Farben auftragen. Der Verein „Freunde der Nationalgalerie“ hat am lautesten ja gerufen und nun hängen 200 Ikonen der Malerei des 20. Jahrhunderts in Mies von der Rohes berühmten Museumsbau, direkt gegenüber der Praxis der Physiotherapeutin von Heyden-Hendricks.

Die Gesundheitsreform mäßigte den Patientenansturm und die Therapeutin findet ab und an Zeit, aus dem Fenster zu schauen. Beim Anblick der regungslosen Menschenmenge hüpfte dann plötzlich ihr Physio-Unternehmerinnen-Herz. Wer da so in der Kälte mit eingezogenen Schultern bis zu drei Stunden stehend die Anspannung des Wartens erträgt, der muss doch unter schmerzhaften Verspannungen leiden, mag sich von Heyden-Hendricks gedacht haben. Sie verließ ihren Logen-Fenster-Platz, eilte auf die Straße und schon sprach sie die ersten Kunstfreunde an, ließ Arme kreisen, Füße stampfen, Schultern hoch-, Bäuche einziehen und Zehenstand probieren, Fäuste trommelten auf den Rücken des Nachbarn – die träge Schlange wurde mobil, Gesichter entspannten sich, das Angebot wurde dankbar angenommen.

Am Anfang kostete es die Therapeutin schon ein wenig Überwindung, wie sie den Redakteuren mehrerer Berliner Tageszeitungen freimütig erzählte, die ausführlich über ihren einzigartigen Service berichteten. Manchmal braucht es eben auch ein wenig Zeit, die träge Masse zu motivieren. Zuerst war ihr primäres Anliegen die Kundengewinnung, doch die Museums-Schlange über die Straße in ihre Praxis zu lotsen ist eher nicht gelungen, die meisten Wartenden sind Touristen. Den Bekanntheitsgrad der„Sache“ Physiotherapie hat sie aber sicher gesteigert, so wird vielleicht manch ein Kollege in Detmold, Avignon, Leeds, Philadelphia, Osaka oder sonst wo von der mutigen Berliner Therapeutin profitieren. Berichte in den lokalen Medien werden aber doch wohl (hoffentlich) den einen oder anderen schmerzgeplagten Patienten in die Praxis von Freda v. Heyden-Hendricks treiben. Inzwischen hat sie ihren Museums-Auftritt perfektioniert. Sie ließ Flugblätter herstellen, einseitig mit einem Übungsprogramm bedruckt, auf der zweiten Seite wirbt sie für ihre Praxis. 1800 Stück hat sie schon ihren dankbaren MoMA-Patienten in die Hände gedrückt.

Ob Gesundheitsreform oder Heilmittelrichtlinien – die Schöneberger Physiotherapeutin zeigt, dass Einschränkungen und Unsicherheiten immer auch auch die Chance bieten, Neues auszuprobieren, die festgetretenen Wege zu verlassen, mit der eigenen Kreativität zu spielen, sich auf schlummernde Kräfte zu besinnen und das Leben als stetigen Wandel zu begreifen.

Vier freie Tage liegen vor Ihnen. Verbringen Sie doch die Ostertage in Berlin, reihen Sie sich ein in die MoMA-Schlange. Vielleicht wollen Sie sich auch als Schlangenbeweger probieren, die Berliner Kollegin wird sich wohl über eine Vertretung freuen. Und als Belohnung schauen Sie sich diese einzigartigen Bilder an von Matisse, Hopper, Picasso, van Gogh, Beckmann, Rodin, Lichtenstein…..nie mehr werden Sie die Gelegenheit haben, sie alle vereint in Europa zu sehen.
An den Feiertagen kann man übrigens bis Mitternacht Schlangen-Aktivitäten entfalten und sich dem Kunstgenuss hingeben.

Peter Appuhn
physio.de

Stuttgart Mitte und Killesberg

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