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Teilnehmende eines Workshops des „Netzwerks der forschenden Physiotherapeut:innen“
Foto: Oliver Grewe • Lizenz: CC-BY •Aufgrund zunehmender Akademisierungsbemühungen wäre es also eigentlich nur logisch, dass an Uniklinken in Deutschland physiotherapeutisch geforscht und gelehrt wird. Bisher ist das bekanntermaßen nicht der Fall.
Das 2022 gegründete „Netzwerk der forschenden Physiotherapeut:innen“ veröffentlichte nun ein Positionspapier, in dem Gründe für die Notwendigkeit von physiotherapeutischer Forschung und Lehre an Uni-Kliniken geliefert werden.
Genuine Forschung
Schon heute forschen PhysiotherapeutInnen an Uniklinken, allerdings nicht eigenständig. Sie unterstehen anderen medizinischen Fachbereichen und übernehmen dort kleine Aufgabenbereiche. Was bedeutet, dass dort keine eigenständige Forschung stattfinden kann*. Genuine physiotherapeutische Forschung könnte über eigene Forschungsmittel bestimmen, hätte eigene Labore und könnte unabhängig Forschungsprojekte planen und durchführen, die sich direkt auf die physiotherapeutische Praxis, Methoden und Patientenergebnisse beziehen. Einige wenige Universitätskliniken in Deutschland führen bereits genuine physiotherapeutische Forschung durch, wobei diese Forschung oft noch in den Anfängen steckt und in ihrer Reichweite und Häufigkeit begrenzt ist.
Mikroebene: Die Vorteile für PatientInnen, Angehörige und die TherapeutInnen selbst
Häufig versucht physiotherapeutische Forschung sich der Frage zu nähern, wie möglichst viele PatientInnen mit möglichst wenig personellem, zeitlichen und finanziellem Aufwand behandelt werden können. Dies entspricht auch der Vorgabe zur bedarfsgerechten, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung gemäß §70 SGB V. Hilfe zur Selbsthilfe beginnt aber schon in der Forschung. Äußern PatientInnen bereits hier ihre Bedürfnisse, kann die gesamte Praxislandschaft sich danach ausrichten.
Die AutorInnen erhoffen sich zudem eine größere Arbeitszufriedenheit von PhysiotherapeutInnen. Wer einer forschenden Profession angehört und auch so wahrgenommen wird, genießt höheres Ansehen in der Bevölkerung. Zudem ermöglichen akademische Karrierewege attraktivere finanzielle Wertschätzung und bedeutungsvolle Tätigkeit außerhalb der Praxis – was übrigens nicht bedeutet, dass niemand mehr am Patienten arbeiten soll. ÄrztInnen forschen und lehren schließlich auch in Unikliniken, während sie gleichzeitig noch medizinisch tätig sind.
Mesoebene: Die Vorteile für die Kliniken und die physiotherapeutische Profession
Es ist wahrscheinlich, dass in einer Uniklinik mit physiotherapeutischer Forschung Versorgung, wie zum Beispiel die Behandlung nach Operationen, auch von PhysiotherapeutInnen mit gelenkt wird. Dies würde Über,- Unter,- oder Fehlversorgung vermeiden, könnte so bestenfalls zu kürzeren Liegezeiten der PatientInnen führen und damit die Klinik ökonomischer arbeiten lassen.
Für eine Professionalisierung der Physiotherapie wäre die genuine Forschung ohnehin unabdingbar. Auch wenn PhysiotherapeutInnen sich gerne umgangssprachlich als „Profession“ bezeichnen, sind sie es in Deutschland nicht. Eigenständige Forschung und Lehre legt der Definition nach erst den Grundstein für die Professionalisierung eines Berufes (Leseempfehlung).
Makroebene: Vorteile für das Gesundheitssystem und die Gesellschaft
Die gesellschaftlichen Herausforderungen für die Zukunft sind allseits bekannt: Eine alternde multimorbide Bevölkerung trifft auf immer weniger Fachkräfte, die allerdings über immer bessere technische Voraussetzungen verfügen. Diese Gesellschaft im wahrsten Sinne des Wortes „am Laufen“ zu halten, ist auch Aufgabe von PhysiotherapeutInnen und muss entsprechend erforscht werden. Nicht umsonst fördert der Bund aktuell Projekte zum Thema Versorgungsforschung im erheblichen Maße. Universitäre Strukturen, die das Geld sinnvoll einsetzen, wären ein Gewinn für die Gesellschaft.
Ein Rahmen muss geschaffen werden
Für die genuine physiotherapeutische Forschung braucht es entsprechende Rahmenbedingungen und vor allem Geld. Eine solide finanzielle Ausstattung sowie unbefristete Jobangebote und die Möglichkeit, Drittmittel einzuwerben, sollen die Basis für eine qualitativ hochwertige physiotherapeutische Forschung legen. Zudem seien den AutorInnen zufolge klare Karrierewege und akademische Ausbildungsprogramme erforderlich, um qualifizierte ForscherInnen zu fördern. Wer über den Tellerrand hinausschaut, weiß, dass auch in anderen wissenschaftlichen Disziplinen die Arbeitsbedingungen häufig von Zeitverträgen und damit einhergehenden Zukunftsängsten geprägt sind. Die Interessengemeinschaft wünscht sich für die Physiotherapie bessere Aussichten.
Auch sollten PhysiotherapeutInnen als vollwertige Partner im Klinikbetrieb erkannt werden. Eine verstärkte interdisziplinäre Vernetzung und Kooperation sowie institutionelle Unterstützung und Freistellungen für Forschungstätigkeiten würden dazugehören.
Zukunft offen
Das Positionspapier baut vor allem auf den Empfehlungen des Wissenschaftsrates auf. Bekanntermaßen haben diese bisher wenig in der Physiotherapielandschaft bewirkt. Dennoch bleibt zu hoffen, dass das Positionspapier von den richtigen Menschen an den richtigen Stellen gelesen und verstanden wird. Eine Positionierung der Physiotherapie an Uniklinken wäre ein wichtiger Schritt in Richtung Professionalisierung des Berufsstandes
Daniel Bombien / physio.de
* Damit es nicht zu Missverständnissen kommt, möchten wir noch einmal klarstellen: An den Unikliniken findet derzeit noch keine genuine Forschung statt – an Hochschulen mittlerweile schon. Wie wir kürzlich erfahren haben, ist es Prof. Dr. Christoff Zalpour kürzlich gelungen, einen Drittmittelantrag über 8 Millionen Euro für physiotherapeutische Forschung an der Hochschule Osnabrück durchzubringen. Es passiert also schon durchaus etwas – nur leider abseits des eigentlichen Mittelpunktes des deutschen Gesundheitswesens.
ForschungPhysiotherapiePositionspapier
Passiert ist nichts.
Da dieser Umstand auch unseren Verbänden weitgehend egal war, hat man in den Folgejahren auch keine Anstrengungen unternommen, die Kassen an die Zusagen zu erinnern.
Unser Berufsstand sähe heute sicherlich anders aus und mit ihm der Heilmittelkatalog, wenn die 1,15 Mrd.€ seit dem in die Forschung geflossen wären.
Auch in diesem Jahr fehlen die 50 Mio.€ wieder und wieder hört man dazu kein Wort von den Verbänden.
Es mag auch an diesen Fakten liegen, dass so manche atemlose Akademisierungskampagne im politischen Raum nicht ernst genommen wird.
Wer einerseits Forschungsgelder nicht einfordert und andererseits die Rückständigkeit des Berufsstandes beklagt, muss sich eben fragende Gesichter gefallen lassen.
Die Forderung, Physiotherapie in Forschung und Lehre zu verankern ist also 23 Jahre nach dem Umsetzungsbeschluss in einem Positionspapier angekommen.
Herzlichen Glückwunsch!
Zur Ehrenrettung der Beteiligten kann man festhalten, dass sie schlicht zu jung sind, um die Hintergründe noch präsent zu haben.
Was ist jetzt zu tun? Die Protokolle aus dem Jahr 2000 müssen auf den Tisch, in dem die Verhandlungsergebnisse festgehalten sind. Als Nächstes muß die Gesamtsumme seit 2001 für die Forschung eingefordert werden.
Wahrscheinlich ist das unrealistisch aber so ist es eben, wenn man sich 23 Jahre einen feuchten Kehricht um die Umsetzung der Verhandlungsergebnisse kümmert.
(Noch mal: kein Vorwurf an die jetzige Initiative!)
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TOP—PRAXIS schrieb:
Danke lieber Jens für Dein Statement. Ich denke, solange die Physiotherapie keine eigene Fakultät hat, ist Forschung ziemlich illusorisch. Und an "fachfremden" Fakultäten, egal ob sozialwissenschaftlichen oder medizinischen werden kleinere Projekte nicht wahrgenommen, von niemanden. Ich selbst habe so ein Projekt erfolgreich durchgeführt. Leider auf eigenen Kosten ohne jegliche Unterstützung. Selbst nach meiner peer review Veröffentlichung hat kein Verbandsmitglied es registriert. Keine Gratulation, noch nicht einmal warme Worte... Selbst die Akademie mit ihrer Ethikkommission ist erfolglos, da sie keine wesentlichen Projekte durchführen bzw. durchführen können. Ohne habilitierte PT´s (einen haben wir, aber das reicht nicht) können keine Promotionen begleitet werden...Kaum ein promovierte Physiotherapeut hat auch über ein physiotherapeutisches Thema promoviert. ...Es ist alles ein Trauerspiel..
Oder die Ergebnisse sind nach einem halben oder einem Jahr gleich. Ob mit oder ohne OP mit oder ohne Physio oder MT.
Oft steht auch dabei es muss noch weiter erforscht werden um noch mehr Ergebnisse zu bekommen.
Dann kommt der Alltag und die gesetzlichen Bestimmungen mit dem HMK und Icd System und egal was bei ner Studie rauskommt hat das doch oft keinen Einfluß auf die konkrete Vorgehensweise.
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sabine963 schrieb:
Auf der anderen Seite bin ich auch immer etwas frustriert wenn man dann mal Studienergebnisse liest. Im großen und ganzen kommt doch oft raus, dass Bewegung immer gut ist. Keine Methode der anderen überlegen. Hauptsache regelmäßig bewegen.
Oder die Ergebnisse sind nach einem halben oder einem Jahr gleich. Ob mit oder ohne OP mit oder ohne Physio oder MT.
Oft steht auch dabei es muss noch weiter erforscht werden um noch mehr Ergebnisse zu bekommen.
Dann kommt der Alltag und die gesetzlichen Bestimmungen mit dem HMK und Icd System und egal was bei ner Studie rauskommt hat das doch oft keinen Einfluß auf die konkrete Vorgehensweise.
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Marcel schrieb:
@sabine963 Das ist eben genau das Problem mit den fehlenden Geldern und einem eigenen Lehrstuhl. Die Ergebnisse aus Bachelor- und Masterarbeiten sind häufig qualitativ überschaubar. Genauso wie die Stichprobengrößen von meist nur einigen Teilnehmerinnen. Aber für große randomisierte, multizentrische Studien braucht es viel Geld. Aber eben auch den Wunsch, den Beruf weiter zu fördern. Wie viele Debatten hier schon geführt wurden GEGEN eine Akademisierung kann ich gar nicht zählen. Aber Versorgungslandschaften müssen auch gestaltet und etabliert werden. Danke an alle, die dafür kämpfen und arbeiten.
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Problem beschreiben
Jens Uhlhorn schrieb:
Forschung in der Physiotherapie sollte bereits seit Jahrzehnten etabliert sein. Mit der Einführung des Heilmittelkataloges 2001 versprachen die Kassen, pro Jahr 50 Mio. € für die Forschung in der Physiotherapie zur Verfügung zu stellen.
Passiert ist nichts.
Da dieser Umstand auch unseren Verbänden weitgehend egal war, hat man in den Folgejahren auch keine Anstrengungen unternommen, die Kassen an die Zusagen zu erinnern.
Unser Berufsstand sähe heute sicherlich anders aus und mit ihm der Heilmittelkatalog, wenn die 1,15 Mrd.€ seit dem in die Forschung geflossen wären.
Auch in diesem Jahr fehlen die 50 Mio.€ wieder und wieder hört man dazu kein Wort von den Verbänden.
Es mag auch an diesen Fakten liegen, dass so manche atemlose Akademisierungskampagne im politischen Raum nicht ernst genommen wird.
Wer einerseits Forschungsgelder nicht einfordert und andererseits die Rückständigkeit des Berufsstandes beklagt, muss sich eben fragende Gesichter gefallen lassen.
Die Forderung, Physiotherapie in Forschung und Lehre zu verankern ist also 23 Jahre nach dem Umsetzungsbeschluss in einem Positionspapier angekommen.
Herzlichen Glückwunsch!
Zur Ehrenrettung der Beteiligten kann man festhalten, dass sie schlicht zu jung sind, um die Hintergründe noch präsent zu haben.
Was ist jetzt zu tun? Die Protokolle aus dem Jahr 2000 müssen auf den Tisch, in dem die Verhandlungsergebnisse festgehalten sind. Als Nächstes muß die Gesamtsumme seit 2001 für die Forschung eingefordert werden.
Wahrscheinlich ist das unrealistisch aber so ist es eben, wenn man sich 23 Jahre einen feuchten Kehricht um die Umsetzung der Verhandlungsergebnisse kümmert.
(Noch mal: kein Vorwurf an die jetzige Initiative!)
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