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Kardinal Lehmann zur Gesundheitsreform: Nicht allein Versicherte belasten
Kirche beklagt mächtige Interessenvertretungen und Anspruchshaltung von Patienten. Bürger für mehr Eigenverantwortung. Mühsame Reformberatungen.
13.05.2006 • 0 Kommentare

Eine umfassende Gesundheitsreform fordert der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann. Jedoch dürfe man nicht allein von den Versicherten zusätzliche Belastungen verlangen, sagte der Kardinal. Er warnte zudem vor einem Scheitern der Reformbemühungen. Unter halbherzigen Stückwerken litten überwiegend die Schwachen, denn sie seien auf die soziale Absicherung angewiesen. Das neue Regelwerk für das Gesundheitswesen müsse langfristig ausgerichtet, dem Gemeinwohl verpflichtet sein und nicht nur diejenigen berücksichtigen, die sich geschickt und lautstark zu Wort melden können.

Es dürfe nicht nur über Leistungseinschränkungen nachgedacht werden, mahnte der Kirchenmann. Besonders die Versorgung chronisch Kranker müsse im vollen Umfang sichergestellt sein. Zugleich sprach sich Lehmann für eine Stärkung der Prävention aus. Mit einer Akzentverschiebung von der Krankheitsbewältigung zur Gesundheitsförderung spielten die Patienten auch eine aktivere Rolle im Versorgungsgeschehen.

Das aktuelle System sei geprägt von übermächtigen Interessenvertretungen, Qualitätsdefiziten und durch eine übertriebene Anspruchshaltung mancher Patienten. Künftig sollten die sozialen Sicherungssysteme so ausgerichtet sein, dass die Gemeinschaft die Risiken zu trage, die der Einzelne nicht schultern kann. Kaum vermeiden lasse sich aber, dass die Menschen mehr für Gesundheitsleistungen ausgeben müssen.

Die Beratungen der Koalitionsarbeitsgruppe zur Gesundheitsreform gestalten sich indes weiterhin schwerfällig. Auch nach der dritten Verhandlungsrunde am Donnerstag war kein Durchbruch zu erkennen. "Sehr mühsam" verliefen die Gespräche, will die "Financial Times Deutschland" von Teilnehmern der 16-köpfigen Bund-Länder-Gruppe vernommen haben.

Die Bürger haben derweil schon ihr Urteil gefällt. Von den Reformbemühungen der Politiker versprechen sich nur 14 Prozent langfristig positive Auswirkungen, so das Ergebnis einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Infratest. 62 Prozent der Befragten befürchten persönliche Nachteile. Frauen sind besonders skeptisch, 66 Prozent trauen einer Reform nicht über den Weg, 58 Prozent sind es bei den Männern. Am wenigsten versprechen sich Familien. 70 Prozent der Drei-Personen-Haushalte befürchten Ungemach.

Die Reformvorstellungen der Menschen ergründen wollte das Institut Emnid mit einer anderen Befragung. Mehr Eigenverantwortung fordern 81 Prozent, Qualität 89 Prozent, Innovation 87 Prozent, Solidarität 85 Prozent und Wettbewerb 72 Prozent. Staatliche Einflüsse im Gesundheitswesen möchten 57 Prozent zurückdrängen.


Peter Appuhn
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