News - Ihr Völker der Welt schaut auf diese Politiker

Ihr Völker der Welt schaut auf diese Politiker

Regierung öffnet die Türen. Neuköllner Oper kümmert sich mit "Referentinnen" um die zweite Reihe.

22.08.2009 • 0 Kommentare

Ja, wenn sie in Berlin wohnen, gehen Sie doch einfach heute oder morgen in die Friedrichstraße 108. Dort residiert schräg gegenüber vom S-Bahnhof Friedrichstraße das Bundesgesundheitsministerium (BMG). Die Ministerin und ihre Mitarbeiter öffnen die Türen und bitten das Volk zu Besuch. Auch wenn sie im Umland residieren oder die durchaus sehenswerte Hauptstadt als Tourist bevölkern, kommen Sie. Schauen Sie. Fragen Sie. Besuche bei Politikern sind nicht immer unbedingt spannend, zur Erkenntnisgewinnung tragen sie aber allemal bei.

"Einladung zum Staatsbesuch" hat sich die Bundesregierung für die Offene-Türen-Aktion ausgedacht, die an diesem Wochenende in allen Ministerien und auch dem Kanzleramt stattfindet. Kletterwand, Zahnputztunnel und "viele interaktive Betätigungsmöglichkeiten" warten auf die Gäste im BMG. Jetzt wissen wir schon mal, wie so ein Staatsbesuch abläuft. Herr Putin an der Kletterwand und sein Kollege Berlusconi im Zahnputztunnel, während Barack Obama sich interaktiv betätigt. Wir schauen mal kurz hinüber nach Moabit. Dort an der Spree liegt das Bundesinnenministerium. Hier einige Auszüge aus dem dortigen Staatsbesuchsprogramm: Verlosung von Bootsfahrten, Bob-Simulator, Autogrammstunden mit Spitzensportlern, Tanzvorführung und Vorführung der Hundestaffel. War Ihnen bekannt, was die Beamten Innenministerium so treiben?

"Sie fragen – wir antworten" - das muss ich jetzt mal erklären: Der Bürger (dumm) fragt den Politiker (schlau). Der Politiker (schlau) antwortet dem Bürger (dumm). Theoretisch könnte man das regierungsamtliche Wochenendmotto auch umdrehen. Nur praktisch funktioniert das nicht, erklärte mir kürzlich Andrea Fischer, die Vorgängerin von Ulla Schmidt. Die Bürger hätten doch gar keine Zeit, sich mit den Einzel- und Feinheiten zu beschäftigen, meint die Grünen-Politikerin. Deshalb müssten die Politiker den Bürgern die Politik kurz und knapp vermitteln.

Unsere Verfassung bildet diese Sichtweise nicht so recht ab. Das schreit doch geradezu nach einer Grundgesetzänderung. Also mal ins Unreine: Die vielleicht 20.000 Politiker und ihre Referenten besitzen das alleinige Wahlrecht. Sie wählen sich selbst. Uns lassen sie in Ruhe und wir die Sau raus.

Ohne Referenten übrigens läuft nichts in der Politik. Keine Rede wird geschrieben und erst recht nicht gehalten, kein Termin festgelegt oder wahrgenommen, kein Politikertransportmittel bewegt, kein Brötchen geschmiert. Sie sind die Seelen und die wahren Macher des Geschäfts. Die Neuköllner Oper hat ihnen, genauer gesagt, dem weiblichen Teil, den Referentinnen, eine Hommage verpasst und das gleichnamige Stück auf die Bühne gehoben, wo es seit etwa einem Jahr sehr erfolgreich aufgeführt wird. Zur Zeit spielen die quicklebendigen Neuköllnerinnen aushäusig, in der Heinrich-Böll-Stiftung, in Berlin-Mitte.

Ja, wenn sie in Berlin...., im Umland, oder Tourist – dieses musikalische Schauspiel müssen Sie hören und sehen. Sie lernen viel und amüsieren sich köstlich. Nachdenkliches: "Ich weiß, worum es geht, ich kann es nur nicht so genau sagen". Oder: "Warum eigentlich nicht stehen bleiben?" Plattes: "Passen Se uff, wir machen einfach folgendes..." Wieherndes: Kommt ein Cowboy vom Friseur... Gehen Sie hin. Es wird ein genussvoller Abend.

Für einen kurzen Moment sah es so aus als ob Physiotherapeuten das Programm im BMG mitgestalten. Neben Vorträgen von Schweinegrippe bis Pflege werden auch "professionell angeleitete Bewegungsübungen" angeboten. Nicht Physiotherapeuten werden da aktiv, hat uns ein Pressesprecher des Ministeriums verraten. Der 10-Kampf-Olympiasieger Christian Schenk wird am Sonntag diesen Programmpunkt bestreiten.

Peter Appuhn
physio.de

Zürich

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