News - Heilmittel in Westfalen-Lippe raus aus dem Keller?

Heilmittel in Westfalen-Lippe raus aus dem Keller?

KV und Krankenkassen vereinbaren Richtgrößen, Praxisbesonderheiten, Budgetsteigerung. Abschaffung der Prüfverfahren gefordert.

13.02.2008 • 0 Kommentare

Westfalens Therapeuten dürfen hoffen. Der Verordnungsexodus könnte bald ein Ende haben. Ein gerade zwischen Krankenkassen und Kassenärztlicher Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) festgelegter verbindlicher Katalog mit Praxisbesonderheiten und eine Richtgrößenvereinbarung für Heilmittel sollen den notorischen Verordnungsblindflug beenden helfen. Bislang wurden die Kassenärzte nach nicht vorhersehbaren Durchschnittwerten geprüft, was eine betont zurückhaltende Verwendung der Rezeptblöcke zur Folge hatte. Gleichzeitig verständigten sich KV und Kassen auf eine Erhöhung des Gesamtbudgets für Heilmittel um zehn Prozent.

Grundlage der Praxisbesonderheitenvereinbarung ist die im Herbst 2007 beschlossene Übergangsregelung (wir berichteten). Demnach können ab 1.Januar 2008 für diese Diagnosegruppen Heilmittel ohne Regressdruck verordnet werden: Verletzungen, Operationen und Erkrankungen der Extremitäten und des Beckens mit prognostisch längerem Behandlungsbedarf (EX3d), Lymphabflussstörungen mit längerem Behandlungsbedarf (LY2), chronische Lymphabflussstörungen bei bösartigen Erkrankungen (LY3), ZNS-Erkrankungen einschließlich des Rückenmarks bei Kindern und Erwachsenen (ZN1 a-c und ZN2 a-c), Störung der Atmung bei Mukoviszidose (AT3 (a-c).
Bei weiteren Diagnosen empfehlen die Vertragspartner den Prüfungsausschüssen eine Anerkennung als Praxisbesonderheit: Wirbelsäulenerkrankungen mit längerem Behandlungsbedarf (WS2 e+f), Miss- und Fehlbildungen (EX4) und in der Podologie das diabetische Fußsyndrom mit Neuropathie.

Mit Hilfe von Richtgrößen für alle relevanten Facharztdisziplinen können jetzt auch die niedergelassenen Ärzte in Westfalen-Lippe ihre Verordnungstätigkeit in Maßen steuern. Das individuelle Heilmittelbudget errechnet sich durch Multiplikation von Richtgröße und Fallzahl. Die Richtgrößenwerte gelten für alle Heilmittel - Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und Podologie. Hier die Werte für Versicherte im Einzelnen, für Rentner in Klammern:
Allgemeinmediziner und hausärztliche Internisten 4,39 Euro (11,66 Euro), Chirurgen 6,64 Euro (12,33 Euro), HNO-Ärzte 7,53 Euro (3,50 Euro), Kinder –und Jugendpsychiater 28,36 Euro (17,72 Euro), Kinderärzte 15,14 Euro (21,19 Euro), Neurologen 9,16 Euro (26,98 Euro), Orthopäden 16,87 Euro (16,92 Euro), Psychiater 5,23 Euro (17,95 Euro), Ärzte für Rehabilitation 51,44 Euro (77,61 Euro).

Gleichwohl ist die Verordnungssituation in Westfalen-Lippe weiterhin angespannt. Das Haftungsrisiko für Budgetüberschreitungen bleibt bei den Ärzten, was manchen von ihnen zu einem vorsichtigen Verschreibungsverhalten motiviert. Die Vertreterversammlung der KVWL hat am vergangenen Samstag den Gesetzgeber aufgefordert, Wirtschaftlichkeitsprüfungen bei Heilmittelverordnungen abzuschaffen. Auch der Hausärzteverband fordert die Abschaffung der Prüfverfahren.

KVWL-Vorsitzender Ulrich Thamer kritisierte die "perverse Situation" der Kassenärzte. Sie müssten zwei Rechtsrahmen beachten, die oftmals nicht zur Deckung zu bringen seien: Heilmittelrichtlinien und Prüfvereinbarung. Die Prüfung sei überflüssig, denn "die Heilmittelrichtlinien selbst besitzen mit einem transparenten Regelwerk klare Normen. Wer als Vertragsarzt diese Normen einhält, verordnet wirtschaftlich", so der KV-Chef.

Peter Appuhn
physio.de

Frankfurt

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