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GEK-Heil- und Hilfsmittelreport 2007: Über-, Unter-, Fehlversorgung
Schlaganfallpatienten erhalten zu selten Physiotherapie und Logopädie.
20.09.2007 • 0 Kommentare

Zu viel, zu wenig oder das Falsche – die Heilmittelversorgung zeichnet sich einigen Bereichen durch Fehlsteuerung aus, so das Ergebnis des gestern vorgestellten "GEK- Heil- und Hilfsmittelreports 2007". Zum vierten Mal haben sich Wissenschaftler des Zentrums für Sozialpolitik der Universität Bremen unter der Leitung von Professor Gerd Glaeske in einer umfangreichen Analyse mit der Heilmittelentwicklung beschäftigt. Hier die Kernpunkte der Untersuchung: Schlaganfallpatienten werden nicht ausreichend mit Physiotherapie und Logopädie versorgt. Unter zehnjährige Jungen werden dreimal häufiger ergotherapeutisch behandelt als gleichartige Mädchen. Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen erhalten zu spät eine logopädische Therapie, motorische und sprachliche Defizite sind in den verschiedenen sozialen Schichten unterschiedlich ausgeprägt. Förderprogramme sollten deshalb in Kindergärten und Schulen angeboten werden, folgern die Bremer Wissenschaftler.

Physiotherapie und Logopädie bei Schlaganfall
Die Frühversorgung von Apoplexpatienten ist nahezu flächendeckend schnell und effektiv. Weit weniger positiv jedoch ist die Situation bei den Langfristtherapien der Hirngeschädigten. Nur 30 Prozent der Patienten mit einem Schlaganfall erhielten eine anschließende stationäre oder ambulante Rehabilitation. Lediglich für 38 Prozent der Betroffenen, die zu Haus oder in einer Pflegeinrichtung lebten, wurden Physiotherapieverordnungen ausgestellt. Schaut man sich die Qualität der verordneten Therapien an, sieht das Ergebnis noch magerer aus. Neurophysiologische Behandlungen – Bobath, Vojta, PNF – wurden nur bei 13 Prozent der Schlaganfallpatienten für rezeptwürdig gehalten. Im Durchschnitt lagen zwischen der Entlassung aus dem Krankenhaus und der ersten Heilmittelversorgung 40 Tage. Die Nachhaltigkeit der in der Klinik begonnenen Frührehabilitation sei damit in Frage gestellt, bemängeln die Autoren des Reports.
Ähnlich desolat zeigt sich die Situation bei der Versorgung mit Logopädie. Obwohl 26,6 Prozent aller Schlaganfallpatienten an einer Aphasie leiden, erhielten lediglich 17,5 Prozent der Betroffenen nach der stationären Entlassung eine logopädische Therapie. Auch hier beginnt die Behandlung im Durchschnitt erst 40 Tage nach Ende des Klinikaufenthalts.

Logopädie bei Sprachenentwicklungsstörungen
Mit vier Jahren ist die primäre Sprachentwicklung bei Kindern abgeschlossen. Etwa acht bis zehn Prozent der Kinder eines Jahrgangs werden als sprachauffällig definiert. Sie brauchen eine logopädische Therapie. Leitliniengerecht sollte logopädische Intervention bereits zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr beginnen. In diesem Alter sind jedoch nur 0,46 Prozent der Kleinen in den Praxen der Logopäden anzutreffen. Die meisten Kinder (8,37 Prozent) werden zwischen vier und sieben Jahren behandelt. Zwischen acht und elf Jahren kommen 2,42 Prozent zur Therapie und selbst Jugendliche zwischen zwölf und 18 Jahren (0,45 Prozent) werden noch wegen einer Sprachenentwicklungsstörung behandelt. Die Sprachdefizite fallen meist im Kindergarten und später in der Schule auf. So erklären sich die Forscher die relativ große Zahl der über vier Jahre alten entwicklungsverzögerten logopädischen Patienten. Sie plädieren dafür, die "Untersuchungslücke" zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahr zu schließen und über "eine veränderte Strategie in den kindlichen Vorsorgeuntersuchungen" nachzudenken, um Entwicklungsverzögerungen rechtzeitig zu erkennen.

Professor Glaeske, der auch Mitverfasser des Sachverständigengutachtens zur Kooperation im Gesundheitswesen ist, befürwortete bei der Vorstellung des "Heil- und Hilfsmittereports" gestern in Berlin mehr Kompetenzen für die nichtärztlichen Gesundheitsberufe. So unterstützt er beispielsweise die Forderung der Pflegeberufe, "das Recht zu erhalten, Heil- und Hilfsmittel zu verordnen", wie es kürzlich Marie-Luise Müller, die Präsidentin des Deutschen Pflegerates, formulierte. Auch ein Erstzugang bei den Therapieberufen in Absprache mit dem Ärzten sei vorstellbar, sagte Glaeske. Dazu brauche man nicht unbedingt akademische Ausbildungen der Therapeuten, viel wichtiger sei es, die Curricula der Fachschulen zu vereinheitlichen und auf mögliche Kompetenzerweiterungen zuzuschneiden. Ein Erstkontakt bei den Heilmittelberufen würde sicherlich eine Niederlassungsbegrenzung nach sich ziehen, gab der Sachverständige zu bedenken.


Peter Appuhn
physio.de


Hier der komplette "GEK- Heil- und Hilfsmittelreport 2007"

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