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Frauen sind anders krank als Männer
04.08.2000 • 0 Kommentare

Noch immer werden in Deutschland die spezifischen Bedürfnisse von Frauen in der medizinischen Behandlung nicht ausreichend beachtet. Das kritisierten heute in Berlin die Gesundheitsexpertinnen von SPD und Grünen, Helga Kühn-Mengel und Irmingard Schewe-Gerigk. Nach wie vor berücksichtigten die Ärzte zu wenig, dass Frauen anders krank seien als Männer und daher eine andere medizinische Versorgung benötigten. Studien, Therapien und Diagnosemethoden orientierten sich vornehmlich an männlichen Lebenssituationen und männlichem Gesundheitsempfinden. Untersuchungen zeigten aber, dass Frauen Gesundheit anders wahr nehmen und gesundheitliche Belastungen auf eine andere Art und Weise bewältigten als Männer, betonten die beiden Politikerinnen.

Kühn-Mengel betonte bei der Vorstellung eines rot-grünen Fraktionsantrages, Frauen unterschieden sich von Männern «nicht nur durch ihre Geschlechtsorgane». Vielmehr gebe es «in Ursache, Symptomatik und Verlauf von Krankheiten unbestritten» deutliche Unterschiede. Darauf müssten sich die Ärzte besser als bisher einstellen.

Die SPD-Politikerin unterstrich, Frauen erhielten zwar häufiger Medikamente, doch seien die finanziellen Aufwendungen dafür insgesamt geringer als bei Männern. Dies zeige, «dass Frauen nur unwesentlich an der Innovation im Arzneimittelbereich teilnehmen». Zwar seien deutlich mehr Männer suchtkrank, aber rund 70 Prozent aller Medikamentenabhängigen seien Frauen. Auch würden die Ergebnisse aus wissenschaftlichen Untersuchungen an Männern häufig ohne Differenzierung in der Behandlung von Frauen angewendet.

Die SPD-Politikerinnen verwiesen auch auf die unterschiedliche Behandlung des Herzinfarkts. Frauen stürben häufiger am ersten Infarkt als Männer, weil die typischen Symptome der Erkrankung bei Frauen häufig als «psychovegetative» Ursachen gedeutet würden.
Schewe-Gerigk fügte hinzu, der Infarkt werde zu häufig nur als «Managerkrankheit» betrachtet, obwohl mehr Frauen unter 50 an Infarkt stürben als Männer. Auch erhielten Frauen veraltete «Kombipräparate mit hohem Beruhigungsanteil», Männer hingegen «hochmoderne» Arzneien.

Schewe-Gerigk forderte angesichts von mindestens 30 Prozent Brustkrebs-Fehldiagnosen eine bessere Ausbildung der Ärzte. Auch sollte in Zukunft ein Vergabekriterium für medizinische Projektanträge darin bestehen, dass «frauenspezifische Belange» gesondert berücksichtigt werden. Außerdem sollten wieder «Krebsregister» erstellt werden, die in einzelnen Bundesländern bereits aus Geldmangel eingestellt worden seien.

Die Grünen-Gesundheitsexpertin kritisierte nachdrücklich, dass Deutschland im Kampf gegen den Brustkrebs im Vergleich mit europäischen Nachbarländern hinterher hinke. In Deutschland erkrankten jährlich 45.000 Frauen an Brustkrebs, 15.000 stürben. In den Niederlanden sei die Todesrate von Brustkrebspatientinnen durch Qualitätsmanagement bei der Ausbildung und technischen Ausstattung sowie einem Fortbildungszwang von Ärzten um 30 Prozent gesenkt worden.

Ein Zeichen für die Rückständigkeit Deutschlands bei der Brusttumor-Bekämpfung sei auch, dass in Deutschland 80 Prozent der Tumore von den Frauen selbst ertastet werden. «Dann ist es meist schon zu spät», sagte Schewe-Gerigk. In Holland würden hingegen 70 Prozent der Brusttumore in medizinischen Reihenuntersuchungen ermittelt. Deshalb sollten in Deutschland Frauen über 50 Jahre «flächendeckend» untersucht werden. Der Koalitionsantrag soll nach der Sommerpause im Parlament behandelt werden.

Quelle: Red-Dienst/ Berlin (ddp)

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