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Die Berufsverbände der Heilmittelberufe konnten gar nicht auf sich aufmerksam machen, sie waren nicht anwesend. Man hatte sie nicht zur Expertenanhörung eingeladen. Als Fachleute geladen waren neben den Sozialversicherungsträgern, Ärzte- Pflege- Psychologen- und Zahnärzteverbände, der Deutsche Gewerkschaftsbund und Arbeitgeberverbände, Selbsthilfegruppen und Behindertenorganisationen, Verbraucherverbände, der Deutsche Heilbäderverband, der Verband der Kneippheilbäder, der Deutsche Frauenrat und eben auch der Deutsche Sportbund.
Alle die sich da an diesem winterlichen Märztag am ukrainischen Präsidenten vorbeischlüpfend im Reichstagsgebäude einfanden, waren sich im Grundsatz einig. Prävention ist wichtig, und es wird Zeit, dass die Gesundheitsförderung gesetzlich verankert wird. Doch die Mehrheit der Experten hält den vorliegenden Gesetzentwurf von SPD und Grünen für kaum geeignet, den Präventionsgedanken zu fördern:
Bürokratie: Ein undurchsichtiges Netz von Zuständigkeiten und Trägern erschwert die praktische Umsetzung. Es ist zu befürchten, dass vieles im Verwaltungsgewirr hängen bleiben wird.
Beschränkung auf Primärprävention: Die Situation von chronisch Kranken und Behinderten wird unzureichend berücksichtigt. Dies wiegt umso schwerer, da dieser Personenkreis besonders von Leistungskürzungen der Gesundheitsreform betroffen ist. Bereits 2001 hatte der Sachverständigenrat für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen mit zahlreichen Beispielen auf die Vernachlässigung der Tertiärprävention hingewiesen.
Patientenbeteiligung: Mit dem Gesundheitssytemmodernisierungsgesetz (GMG) wurde die Beteiligung von Patienten als Prinzip in das Sozialgesetzbuch V aufgenommen. So sind sie beispielsweise, wenn auch nur beratend, im gemeinsamen Bundessauschuss vertreten. Im Präventionsgesetz hat der Mitwirkungsgedanke jedoch keinen Eingang gefunden.
Bundesagentur für Arbeit nicht beteiligt: Gerade Langzeitarbeitslose müssten an gesundheitsfördernde Maßnahmen herangeführt werden. Sie sind doppelt so häufig krank als der Durchschnitt der Bevölkerung und schwer zu motivieren an Präventionskursen teilzunehmen. Wenn sich die Bundesagentur nicht beteiligt, werden sozial bedingte Ungleichheiten gefördert.
Finanzierung: Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, so der Gesetzentwurf und das erklärte Ziel aller Beteiligten. Finanziert werden soll das Projekt aber ausschließlich durch die Krankenkassen, Renten-, Pflege- und Unfallversicherungsträger. Die vorgesehenen 250 Millionen Euro sind kaum mehr als die Ausgaben, die bereits jetzt von der Sozialversicherung für Prävention aufgebracht werden. Manche Kritiker befürchten, dass die Ausgaben mit dem Gesetz eher sinken werden, da sich die Kommunen zurückziehen könnten. Diese müssten aber zusammen mit den Bundesländern gerade in die Pflicht genommen werden, sich an den Kosten zu beteiligen. Bei Gesundheitsausgaben von insgesamt 230 Milliarden Euro ist es äußerst fragwürdig von einer eigenen Säule Prävention zu sprechen. Die gesetzlichen Krankenkassen bezweifeln gar, dass die Finanzierungsregelungen verfassungskonform sind. In einem 177-Seiten-langen Rechtsgutachten wird bemängelt, dass über die Verwendung der Versichertengelder nicht die Kassen selbst sondern politische Gremien entscheiden. Eine Zweckentfremdung der Mittel sei vorprogrammiert, zumal auch Nichtkassenmitglieder in den Genuss von Leistungen kämen.
Verschiebebahnhof: Die Sozialversicherungsträger müssen mit Geldern hantieren, die an anderer Stelle abgezogen werden. So bemängeln die Rentenversicherungen, dass Präventionsmaßnahmen zu Lasten von Rehabilitationsleistungen erbracht werden sollen.
Schier fassungslos zeigte sich die Ärzteschaft. Sie werde kaum eingebunden in die Präventionsabläufe und im Gesetz unzureichend beachtet, kritisiert die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Und dies obwohl die Ärzte „flächendeckend einen alters- und schichtenübergreifenden Zugang zur Bevölkerung haben“. Bundesärztekammerpräsident Jörg-Dietrich Hoppe meint sogar, Ärzte sollten die entscheidende Rolle bei der Gesundheitsförderung spielen, denn Arztpraxen und Kliniken seien geradezu ideale Orte für eine wirkungsvolle Prävention.
Eines steht fest, der Gesetzentwurf bleibt nicht wie er ist. Die träge und wintergrau am Reichstag dahinfließende Spree wird noch viel Wasser transportieren müssen bis das Präventionsgesetz sein endgültiges Gesicht zeigen wird. Die nächste Hürde muss das Werk am 18. März nehmen. Dann nämlich soll sich der Bundesrat damit beschäftigen.
Peter Appuhn
physio.de
PräventionGesetzSachverständigenratKritik
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