News - Die Alten hungern

Die Alten hungern

Bis zu 50 Prozent der Altenheimbewohner sind unterernährt.

26.04.2007 • 0 Kommentare

Dass fast 10 Prozent der alleinlebenden Senioren an Altersmagersucht leiden, ist kein neues Phänomen und hat auch physiologische Gründe. Sättigungshormone wirken länger, Geschmacksrezeptoren stumpfen ab, häufig bestehen Kau- und Schluckbeschwerden. Viele ältere Menschen vergessen schlichtweg und ergreifend zu trinken. Dass sich dieser Zustand aber in der Heimbetreuung statistisch verschlechtert, kann nicht mehr auf gerontologische Faktoren zurückgeführt werden.

Zeitnot und psychische Überlastung bei dem unterbezahlten Pflegepersonal verhindern das Erstellen von Trink- und Ernährungsprotokollen. In rein wirtschaftlich orientierten Heimen werden, wie Minimum vorgeschrieben, nur 50 Prozent examinierte Fachkräfte eingestellt. So wissen viele Mitarbeiter nicht, wie sie Ursachen von Appetitlosigkeit und Unterernährung bekämpfen können. Oder wann gar eine lebensbedrohliche Situation entsteht. In vielen Altenheimen ist es schon Alltag, dass Heimbewohner, während sie auf dem Toilettenstuhl sitzen, gefüttert werden. Dass hier keine Lust auf kulinarisches Vergnügen aufkommt, ist verständlich. Und wo keine Getränke angeboten werden, wird der Windelverbrauch reduziert.
Claus Fussek, Sozialarbeiter in München, ist Kontaktmann für verzweifelte Angehörige und Angestellte. Durch sie weiß er zu berichten von unnötigen Magensonden für künstliche Ernährung, damit das personal- und zeitaufwändige Füttern entfällt. Auch wird aus weiteren finanziellen Gründen diese künstliche Ernährung gerne unterdosiert. Folter, wie Fussek zu Recht urteilt.

Es ist die Aufgabe des Medizinischen Dienstes durch ständige und unangemeldete Kontrollen Missstände aufzudecken. Leider werden diese Berichte wegen sinnloser Gesetzesvorlagen geheim gehalten. Und solange keine Transparenz gefordert und ermöglicht wird, werden weiterhin in vielen bundesrepublikanischen Pflegeheimen alte Leute einfach verhungern und verdursten.

Die momentan laufende Aktion NutrionDay, initiiert von deutschen Ernährungsmedizinern, hat das Ziel, auf diese unhaltbaren Zustände aufmerksam zu machen. Und lässt alle staunen, wie viele Einrichtungen sich daran beteiligen wollen. Ein Hoffnungsstrahl am Horizont.
Die Liedermacherin Bettina Wegner hat einmal gesagt, dass sich eine Gesellschaft daran messen lassen muss, wie sie mit ihren Kindern und Alten umgeht. Vielleicht können auch wir Physiotherapeuten an unserem "Arbeitspatz Altenheim" ein Stück mitwirken, dass die Wertigkeit unserer Gesellschaft wieder steigt.

Ul.Ma / physio.de

Hamburg Alsterdorf

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