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Rüsselsheim/Main-Spitze. Wir
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BSG-Urteil: Freibrief für Heilmittelverordnungen?
Bundessozialrichter definieren die normative Kraft der Heilmittelrichtlinien.
01.03.2007 • 0 Kommentare

Rahmenempfehlungen zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Heilmittelverbände sind rechtlich unverbindlich, urteilte das Bundessozialgericht (BSG) im November 2006 (wir berichteten). Und nicht nur das, man könne auf die Empfehlungen sogar verzichten, sehe sie doch der Gesetzgeber als nicht zwingend notwendig. Deshalb stünde es den Vertragspartnern auch nicht zu, verbindliche Vorgaben für Verordnungsmengen, Behandlungsfrequenzen oder Zuordnungen zu vorrangigen, optionalen und ergänzenden Heilmitteln zu treffen. Dies sei allein dem Gemeinsamen Bundessauschuss (G-BA) vorbehalten. Mit den Heilmittelrichtlinien würden die Vertragsärzte in die Lage versetzt, durch die "Zuziehung der Hilfeleistung anderer Personen" eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Patienten mit Heilmitteln zu erreichen.

Ein Schlag ins Kontor der klagenden Bundesarbeitsgemeinschaft der Heilmittelverbände (BHV). Die düpierten Berufsverbände suchten nach einem Rettungsanker im Urteil der Kasseler Bundesrichter. Und sie meinten fündig geworden zu sein. Da es keine statistischen Vergleichsprüfungen zum Verordnungsverhalten der Ärzte gebe, brauche der Kassenarzt "eindeutige Vorgaben der im Regelfall als wirtschaftlich angesehenen Verordnungsmengen für die Erstverordnung und für eventuelle Wiederholungsverordnungen", befand das BSG. "Derartige Vorgaben schützen – wenn sie beachtet werden – den Vertragsarzt davor, in großem und möglicherweise existenzbedrohendem Umfang für Verordnungen in Regress genommen zu werden, die sich im Nachhinein als unwirtschaftlich erweisen".

Ein Freibrief für alle Kassenärzte, jubelte da manch ein Berufsverband. Nun könne mit höchstrichterlicher Unterstützung auch außerhalb des Regelfalles verordnet werden, selbst dann wenn Richtgrößen überschritten werden. Eine mehr als gewagte Interpretation des BSG-Urteils, sehen doch die Sozialrichter die Restriktionen des Heilmittelkatalogs im Regelfall gerade als Instrument, um auf die Richtlinienbeschränkungen hinzuweisen. So müssten sich die Ärzte nicht "in jedem Einzelfall mit den Verordnungswünschen der Patienten auseinandersetzen".

Der Rat von Berufsverbänden an ihre Mitglieder, sie mögen die Doktoren informieren, dass sie unbeeinflusst von budgetären Zwängen Heilmittel verordnen könnten, ist leider allenfalls gut gemeint. Zu empfehlen ist dieses Vorgehen nicht. Im Gegenteil, es könnte sich als Bumerang erweisen und der so fürsorglich aufklärende Therapeut sich dem Zorn der Ärzte aussetzen. Das Gericht jedenfalls hat nicht entschieden, dass richtlinienkonforme Rezepte grundsätzlich Wirtschaftlichkeitsprüfungen und Regresse ausschließen, schon gar nicht, wenn sie außerhalb des Regelfalls verordnet werden.



Peter Appuhn
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