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Anatomie/Physiologie
Drei Anteile bilden sie Sehne. Das Tendon des Soleus als kleinster und lateraler Teil gemeinsam mit den beiden Köpfen des Gastrocnemius. Bereits hier wird die Evolution der Forschung erkennbar. Ging man in den ersten Jahren von einem strikt parallelen Verlauf aus, stellte man im Laufe der Zeit fest, dass mit zunehmender Annäherung an das Fersenbein eine Verdrillung der Anteile vorliegt.
Die Erkenntnisse zur Zuglastfähigkeit stammten zunächst aus in vitro (außerhalb des lebenden Organismus) Studien. Seit der Jahrtausendwende ermöglicht der technologische Fortschritt zuverlässige in vivo (im lebenden Objekt) Forschung an der Achillessehne. Mit einer Tragkraft von bis zu über einer Tonne ist sie die stärkste Sehne des menschlichen Organismus. Daher sind Spontanrupturen ohne äußeres Trauma nur bei Vorschädigung möglich. Eine weitere Entdeckung der jüngeren Untersuchungen war die unterschiedliche Lastverteilung an den Sehnenfasern. So verlagern sich die Belastungen beispielsweise je nach Gelenkwinkel oder Geschwindigkeit der Lastaufnahme an unterschiedliche Sehnenabschnitte.
Die Feststellungen zur Elastizität und Steifigkeit veränderten sich schon zu Beginn der Forschung rasant. Betrachtete man die Sehne am Anfang noch als ein unelastisches Konstrukt, erkannte man schnell eine gewisse Dehnbarkeit. Bereits Ende der 70er-Jahre entstand das Modell der Viskoelastizität. Ähnlich einer nicht-newtonschen Flüssigkeit reagieren Sehnen mit zunehmender Festigkeit, je schneller eine Kraft aufgenommen werden muss. Wird die Belastung hingegen langsam gesteigert, bleibt die Struktur elastischer und verlängert sich
Das Verhalten eines nichtnewtonsches Fluids im Video:
Von den Anfängen
Man könnte die ersten Erkenntnisse über Besonderheiten der Achillessehne glatt als Zufall bezeichnen. In den 60er-Jahren erforschten Giovanni A. Cavagna und Kollegen die Kinematik und Energieverteilungen während menschlicher Bewegungen. Zu ihrem Erstaunen mussten sie feststellen, dass die Effizienz während des Rennens höher ist als beim Gehen oder Radfahren. Dies waren die ersten Hinweise darauf, dass ein gewisser Speicher- und Rückstoßmechanismus vorliegen muss. Diese verortete der Italiener allerdings in der Muskulatur. Bereits 1973 ergaben Tierstudien an Katzen, dass dieser Schluss potenziell falsch sein könnte und wahrscheinlich die Achillessehne diese Aufgabe übernimmt. Dies war der Startschuss für die gezielte Forschung an und um die menschliche Achillessehne.
Klinische Bedeutung
Neben der Grundlagenforschung im humanphysiologischen Kontext entstand die medizinische Erforschung zur Achillessehne. Im Besonderen lag hier der Schwerpunkt auf Pathologie, Behandlung und Rehabilitation verschiedenster Krankheitsgeschehen. Bis heute steht diese Wissenschaft nicht still und brachte 2022 zwei weitere große Übersichtsarbeiten hervor. Gleichzeitig entstand eine Vielzahl an Bewertungsinstrumenten für die Reha. So gibt es beispielsweise spezielle Testverfahren und Fragebögen für Patienten nach einer Achillessehnenruptur oder bei Achillodynie, um die Funktionsfähigkeit zu erfassen.
Neue Erkenntnisse
Bereits seit Jahren verdichtet sich die Datenlage zur Versorgung von Rupturen. Diese spricht immer stärker für einen konservativen Ansatz. Nur besondere Einzelfälle sollten noch operiert werden. Außerdem wird von althergebrachten Restriktionen immer mehr abgeraten und ein frühfunktioneller Belastungs- und Bewegungsaufbau empfohlen. Im Bereich der Achillodynie ist das ideale Prozedere noch länger bekannt. Keine Injektionen von Kortison oder Ruhigstellung. Dafür bevorzugt schweres, exzentrisch betontes Training.
Im Allgemeinen adaptieren die Sehnen durch kontinuierliche Nutzung und Belastung ähnlich wie Muskeln. Sie lassen sich also „trainieren“. Hierbei ist besonders wichtig, die Sehne mit den Parametern zu belasten, für die sie gemacht ist. Also sowohl lange „Haltespannung“ als auch hoch dynamische „Explosivbewegungen“.
Ausblick in die Zukunft
Die in vivo Forschung läuft weiter in vollem Tempo und brachte vier große Studien mit neuen Erkenntnissen über die Bedeutungen der Verdrillung der Sehnenanteile hervor. Darauf aufbauende Projekte zu den Besonderheiten der zugehörigen Muskelbäuche und ihren potenziellen Einfluss auf die Entstehung von Pathologien wurden bereits begonnen. Außerdem sucht man weiterhin nach Parametern und Instrumenten, um die Adaptation der Sehne während der Heilungsphasen zu überwachen, um das Rehatraining noch mehr zu optimieren.
Fazit
Wie in allen Bereichen der Human- und Medizinwissenschaft werden die Erkenntnisse immer genauer. Die dadurch entstehende Neubewertung von anerkannten Untersuchungs-, Behandlungs- und Rehabilitationsstrategien führt zu einem Umdenken und verbessert zusehens die PatientInnenversorgung. Dies ist für alle KlinikerInnen einerseits eine Herausforderung, da man Gewohnheiten ablegen muss oder diese zumindest abzuwandeln sind. Gleichzeitig macht es das Behandeln leichter, da man sich auf immer zuverlässigere Daten stützen kann und nicht ins Blaue hinein „irgendwas“ machen muss.
Martin Römhild / physio.de
AchillessehneForschungStudie
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