FDP kündigt Gesundheits-Konsens auf
Nach den wochenlangen Gesprächen zur
Gesundheitsreform ist ein Konsens gefunden worden, der möglicherweise gar
keiner ist. Das erstellte Konsenspapier ist vom BMGuS umgesetzt worden in
einen Gesetzentwurf, der allerdings nach dem Aufdruck nicht mit der
Leitungsebene – sprich: mit der Ministerin – abgestimmt ist.
Offensichtlich hat die Regierung ihren
Gesetzentwurf, der vorher bereits bekannt war, zur Grundlage der
Veränderungen gemacht, die im Konsens besprochen worden sind. Dies ist aber
offensichtlich nicht so gelungen, dass der Konsens zutreffend wiedergegeben
wird.
Die FDP hat dies zum Anlass genommen, den
Konsens aufzukündigen und „auszusteigen“. Die CDU-Vorsitzende Merkel hat
bereits ihre Unzufriedenheit öffentlich verlautbaren lassen, ebenso wie der
bayerische Ministerpräsident Stoiber. Natürlich – möchte man sagen –
werden die Gesundheitsministerin Schmidt und ihr Vorgänger Seehofer
versuchen, den Konsens zu retten. Es ist aber fraglich, ob dies wirklich so
wünschenswert ist.
Wenn man den Gesetzesentwurf in Augenschein
nimmt, fällt nicht nur auf, dass massive Einsparungen gefordert werden. Dies
ist unvermeidlich und jeder hat damit gerechnet.
Man hat aber den Eindruck, dass damit der Weg
in einen mehr oder weniger hoheitlich gelenkten Gesundheitsapparat
beschritten wird. Aufgegebene Budgetregelungen werden als Ausgaben-Volumina
neu wieder eingeführt. Vorstände von Kassenärztlichen Vereinigungen und
Krankenkassen sollen persönlich haften, wenn Wirtschaftlichkeitsprüfungen
nicht durchgeführt werden. Der Bundesausschuss Ärzte/Krankenkassen wird
Körperschaft öffentlichen Rechts mit einem großen Institut, welches
Millionen von Personalkosten verschlingen wird.
Die Frage ist, ob man dies eigentlich so will.
Der Gesetzgeber läuft Gefahr, ein
Gesundheitswesen zu schaffen, in dem eigentlich die Menschen nicht mehr
zuhause sind, und zwar weder Patienten noch Leistungserbringer. Sie werden
von Akteuren immer mehr zu verwalteten Rechtsträgern. Dass dies für eine
liberale Partei nicht tragbar ist, liegt auf der Hand. Von daher ist der
Ausstieg der FDP aus dem Konsens die logische Konsequenz.
Würde der jetzt vorliegende Entwurf Gesetz,
hätte dies erhebliche Auswirkungen auf den Heilmittelbereich:
1.) Die Zuzahlungen (mindestens 5,00 € pro
Anwendung) würden bei Kombinationsverordnungen dazu führen, dass von 35 bis
100 % der Leistung der Patient selber tragen müsste (z. B. bei
D1-Verordnungen werden 5 Anwendungen abgegeben, Zuzahlung 25,00 €). Dies
scheint so nicht gewollt zu sein. Derzeit sind Gespräche auf politischer
Ebene im Gange, um eine angemessene Regelung zu finden.
Der Gesetzgeber hat im Heilmittelbereich
bereits eine fünfzehnprozentige Zuzahlung angeordnet. Die allgemeine
Zuzahlung soll 10 % betragen, so dass es nahe liegt, die Zuzahlung prozentual
etwa auf 20 % zu erhöhen, womit sie immer noch doppelt so hoch ausfallen
würde, wie die allgemeine Zuzahlung, die jetzt bei anderen
Leistungsbereichen eingeführt wird. Eine höhere Zuzahlung würde die
Patienten wohl überfordern.
2.) Vertragsärzte, die die
Richtgrößenvolumen nicht ausschöpfen, können einen Bonus erhalten. Hier
muss man natürlich die Frage stellen, ob dies nicht eine Versuchung für
Vertragsärzte ist, auch notwendige Heilmittelverordnungen zu unterlassen.
Vor dem Hintergrund, dass Ausgabenvolumina und Richtgrößen ohnehin knapp
bemessen sind und in weiten Teilen der Republik Vertragsärzte mit den
Richtgrößen nicht auskommen, liegt dieser Gedanke jedenfalls nicht fern.
Wir können uns nicht vorstellen, dass eine Bonuszahlung für eine mögliche
Unterversorgung oder Schlechtversorgung gerechtfertigt ist.
3.) Über Vergütungen sollen nach wie vor
Verträge geschlossen werden. Im Anschluss daran sollen aber Krankenkassen
öffentliche Ausschreibungen durchführen, in denen Leistungserbringer
aufgefordert werden, die Vertragspreise zu unterbieten. Die Krankenkasse
bezahlt dann nur noch den für sie günstigsten Vertragssatz, den ein
Leistungserbringer angeboten hat.
Das Vergütungsniveau im Heilmittelbereich ist
derartig niedrig und die Steigerungsraten in den letzten 20 Jahren prozentual
derartig gering gewesen, dass eine solche Maßnahme als völlig überzogen
angesehen werden muss. Die Beträge, die die Beihilfestellen zugrundelegen,
liegen deutlich über den Vertragspreisen, obwohl die Beihilfestellen nicht
dafür bekannt sind, Geld zu verschleudern. Mit den Erträgen aus
Heilmittelbehandlungen können Tarifgehälter eigentlich gar nicht mehr
bedient werden. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber früher auch eine
Festbetragsfähigkeit abgelehnt. Statt hier Ausschreibungsverfahren
anzuordnen, wäre es wahrscheinlich günstiger gewesen, einmal eine
Schiedsstelle einzusetzen. Im übrigen haben die Verbände der
Leistungserbringer, die Vergütungsverhandlungen führen, auch in der
Vergangenheit keine Möglichkeit gehabt, ein Vergütungsniveau durchzusetzen,
welches nicht von den Krankenkassen freiwillig gewährt worden ist. Wo immer
auch Wirtschaftlichkeitsreserven sein mögen, bei den Vergütungen und ihrer
Höhe liegen sie sicher nicht.
Natürlich gab und gibt es
Ausgabensteigerungen. Diese sind aber durch die Verordnungsmenge bestimmt und
nicht durch den Vergütungssatz. Zum großen Teil dürften die
Mengenausweitungen damit erklärt werden, dass die Krankenkassen den Bereich
der ambulanten Rehabilitation (EAP/ AOTR-Behandlungen) in den
Heilmittelbereich überführt haben und zu diesem Zweck im Bundesausschuss
für Ärzte und Krankenkassen neue Leistungen eingeführt haben (D1, D2 als
Kombinationsbehandlungen und gerätegestützte Krankengymnastik). Diese sind
anstelle der weggefallenen Rehabilitationsleistungen verordnet worden, wobei
auf Bundesebene Ärzte und Krankenkassen eine Begleitstudie vereinbart haben,
die bis heute aber nicht vorgelegt wurde.
4.) Heilmittelerbringer haben sich
Einsparbemühungen in der Vergangenheit niemals verschlossen. In der
gegenwärtigen Situation ist allen klar, dass gespart werden muss, und dass
jeder seinen Beitrag leisten muss. Dies gilt für Patienten ebenso wie für
Heilmittelerbringer. Die gefundenen Regelungen müssen aber insgesamt
angemessen sein. Im Bereich der Heilmittelversorgung und –erbringung,
insbesondere aber bei der Vertragsgestaltung ist zu befürchten, dass die
Übermacht der Krankenkassen zu einer weitgehenden Rechtlosstellung von
Patienten und Leistungsanbietern führt. Wie soll sich ein Patient verhalten,
der ständig Mitteilungen über Ausschreibungsergebnisse und Einzelverträge
erhält? Muss er eine Übersicht führen über den günstigsten Anbieter?
Oder ist es dann nicht so, dass letztlich die Krankenkasse ihm einen
Leistungsanbieter vorschreibt!?
Eine solche Entwicklung begrüßen wir nicht.
Es bleibt zu hoffen, dass Regelungen, die für den Heilmittelbereich nicht
erforderlich sind und nicht passen, vermieden werden können.
Rechtsanwalt Christian Bill für
VDB-Physiotherapieverband, Landesverbände Nordrhein-Westfalen und
Rheinland-Pfalz/Saarland